Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2012 - XII ZB 277/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Antragsteller und Antragsgegnerin sind geschiedene Eheleute. Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller die Abänderung eines 1994 geschlossenen Unterhaltsvergleichs beantragt. Das Amtsgericht hat den Vergleich dahin abgeändert, dass der Antragsteller ab Dezember 2009 keinen nachehelichen Unterhalt mehr zu zahlen hat.
- 2
- Der Beschluss ist der Antragsgegnerin am 11. Mai 2010 zugestellt worden. Mit einem am 2. Juni 2010 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde beantragt. Das Oberlandesgericht hat durch Beschluss vom 20. Oktober 2010 Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Der Beschluss des Oberlandesgerichts ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 27. Oktober 2010 zugestellt worden. Mit einem am 18. November 2010 beim Oberlandesge- richt eingegangenen Schriftsatz hat die Antragsgegnerin Wiedereinsetzung in die von ihr versäumte Wiedereinsetzungsfrist hinsichtlich der Beschwerdefrist beantragt. Ferner hat sie die Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist beantragt.
- 3
- Die Antragsgegnerin hat ihr Gesuch damit begründet, dass eine Mitarbeiterin ihres Verfahrensbevollmächtigten entgegen der von diesem mündlich erteilten Anweisung die Wiedereinsetzungsfrist nicht im Fristenkalender notiert habe. Die Akte sei stattdessen in die Registratur eingelegt worden. Das Versäumnis sei erst anlässlich eines von der Mitarbeiterin mit dem Verfahrensbevollmächtigten vereinbarten Rücksprachetermins am 15. November 2010 aufgefallen.
- 4
- Das Oberlandesgericht hat beide Wiedereinsetzungsgesuche zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.
II.
- 5
- Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
- 6
- 1. Nach der Auffassung des Oberlandesgerichts hat die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen sei. Vielmehr beruhe die Fristversäumung auf einem Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten, welches sie sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse.
- 7
- Ein Organisationsverschulden liege darin, dass der Verfahrensbevollmächtigte das Empfangsbekenntnis betreffend den Verfahrenskostenhilfe bewilligenden Beschluss zurückgesandt habe, ohne zuvor die Eintragung der Fristen sichergestellt zu haben. Durch die mündliche Anweisung an die Mitarbeiterin, die Beschwerdefrist nebst Vorfrist zu notieren, sei das Organisationsverschulden nicht geheilt worden. Zwar dürfe sich der Rechtsanwalt grundsätzlich darauf verlassen, dass eine mündliche Anweisung auch befolgt werde. Jedoch sei die Mitarbeiterin arbeitsmäßig besonders hoch belastet gewesen. Bei dieser Sachlage habe eine mündliche Anweisung nicht ausgereicht. Selbst wenn man aber die Anweisung ausreichen lasse, so müssten bei Rechtsmittelfristen besondere Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Anweisung in Vergessenheit gerate und die Eintragung der Rechtsmittelfrist unterbleibe. Solche Vorkehrungen seien hier jedenfalls mit dem Wiedereinsetzungsantrag nicht glaubhaft gemacht worden. Die allgemeine Anweisung, zur Überprüfung der Notierung der Frist die Handakte noch einmal dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorzulegen, reiche hierzu nicht aus. Soweit in einem später eingereichten Schriftsatz vorgebracht worden sei, dass die Anweisung gelautet habe, die Fristen sofort zu notieren, könne die Erheblichkeit dieses Vorbringens dahinstehen , weil dieses erst nach Ablauf der Antragsfrist für die Wiedereinsetzung erfolgt sei und es sich nicht um nach § 139 ZPO aufklärungsbedürftige Angaben gehandelt habe.
- 8
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach §§ 117 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Es fehlt indessen an den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.
- 9
- Die Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und verletzt die Antragsgegnerin auch nicht in ihren Verfahrensgrundrechten.
- 10
- Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Wiedereinsetzungsfrist versäumt ist und ein der Antragsgegnerin zuzurechnendes Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten nicht ausgeräumt ist, weil keine hinreichenden Sicherheitsvorkehrungen zur Notierung der Rechtsbeschwerdefrist (und Wiedereinsetzungsfrist) getroffen worden sind.
- 11
- Zwar darf ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete schriftliche Einzelweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet , sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. April 2010 - XII ZB 64/09 - FamRZ 2010,1067 und vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 154/09 - MDR 2010, 400 jeweils mwN). Erteilt der Rechtsanwalt dagegen lediglich eine mündliche Anweisung, eine Rechtsmittelfrist einzutragen, müssen ausreichende Sicherheitsvorkehrungen dagegen getroffen werden, dass diese nicht in Vergessenheit gerät und die Eintragung der Frist unterbleibt (Senatsbeschluss vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132 mwN). Daran fehlt es hier.
- 12
- Wenn der Rechtsanwalt keine schriftliche Weisung erteilte, hätte er demnach seine Angestellte zumindest anweisen müssen, die Frist sofort zu notieren , damit sie nicht wieder in Vergessenheit geraten konnte. Eine dementsprechende Weisung hat die Antragsgegnerin aber in ihrem Wiedereinsetzungsantrag nicht dargelegt. Das später ergänzte Vorbringen ist nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist erfolgt und vom Oberlandesgericht daher zu Recht nicht berücksichtigt worden. Es handelt sich hier auch nicht um Vorbringen, das im Rahmen von § 139 ZPO nachgeholt werden konnte. Auch insoweit befindet sich der angefochtene Beschluss im Einklang mit der Senatsrechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132 Rn. 23 ff.).
- 13
- Die von der Rechtsbeschwerde angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. November 2003 (VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688, 689) steht schließlich nicht entgegen. In dieser Entscheidung ist zwar eine Wiedervorlageanweisung als mögliche Sicherheitsvorkehrung angesprochen, zugleich aber darauf hingewiesen, dass dazu selbstverständlich auch deren Vermerk gehöre. Entsprechendes ist hier nicht glaubhaft gemacht worden.
Vorinstanzen:
AG Mönchengladbach-Rheydt, Entscheidung vom 06.05.2010 - 19 F 9/10 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.05.2011 - II-5 UF 104/10 -
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(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen.
(2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet:
- 1.
Endentscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung oder - 2.
Entscheidungen über Anträge auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts.
(3) Die Frist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
(1) In Ehesachen und Familienstreitsachen hat der Beschwerdeführer zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Die Begründung ist beim Beschwerdegericht einzureichen. Die Frist zur Begründung der Beschwerde beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 sowie § 522 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(2) Die §§ 514, 516 Abs. 3, § 521 Abs. 2, § 524 Abs. 2 Satz 2 und 3, die §§ 527, 528, 538 Abs. 2 und § 539 der Zivilprozessordnung gelten im Beschwerdeverfahren entsprechend. Einer Güteverhandlung bedarf es im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren nicht.
(3) Beabsichtigt das Beschwerdegericht von einzelnen Verfahrensschritten nach § 68 Abs. 3 Satz 2 abzusehen, hat das Gericht die Beteiligten zuvor darauf hinzuweisen.
(4) Wird die Endentscheidung in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wurde, verkündet, kann die Begründung auch in die Niederschrift aufgenommen werden.
(5) Für die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Fristen zur Begründung der Beschwerde und Rechtsbeschwerde gelten die §§ 233 und 234 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.