Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2000 - XII ZB 110/00

published on 05/07/2000 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2000 - XII ZB 110/00
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 110/00
vom
5. Juli 2000
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Juli 2000 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Hahne, Sprick, WeberMonecke
und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Beschluß des Thüringer Oberlandesgerichts vom 10. April 2000 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der sofortigen Beschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 9.273 DM

Gründe:

Gegen das Urteil des Landgerichts haben die Kläger am 28. Januar 2000 Berufung eingelegt. Die Frist für die Berufungsbegründung wurde bis zum 28. März 2000 verlängert. Die Berufungsbegründungsschrift trägt das Datum des 28. März 2000 und den Posteingangsstempel des Oberlandesgerichts vom 29. März 2000. Das Oberlandesgericht hat den Parteien unter Hinweis auf das Posteingangsdatum Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und sodann die Berufung als unzulässig verworfen.
Die Kläger haben um Überprüfung des Eingangs der Berufungsbegründungsschrift gebeten und geltend gemacht, ihr Prozeßbevollmächtigter habe die Berufungsbegründungsschrift am 28. März 2000 unterzeichnet; seine langjährige Mitarbeiterin habe - was diese an Eides Statt versichert - die Schrift noch am selben Tag zwischen 17.30 Uhr und 17.45 Uhr in den Briefkasten des Oberlandesgerichts eingeworfen. Der Mitarbeiterin sei allerdings nicht mehr erinnerlich, ob sie die Schrift in den Nachtbriefkasten oder in den normalen Briefkasten des Oberlandesgericht eingeworfen habe. Das Oberlandesgericht hat den Parteien mit Schreiben vom 5. Mai 2000 mitgeteilt, daß "nach eingehender Recherche des Vorfalls" nicht ausgeschlossen werden könne, daß die Begründung rechtzeitig eingegangen und der die Berufung verwerfende Beschluß aufgrund der Briefkastenverwechslung von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen sei. Eine Abänderung dieses Beschlusses liege aber nicht mehr in der Kompetenz des Oberlandesgerichts und sei nur im Wege der sofortigen Beschwerde zu erwirken. Der die Berufung verwerfende Beschluß des Oberlandesgerichts wurde den Klägern daraufhin am 11. Mai 2000 zugestellt. Gegen ihn haben die Kläger am 24. Mai 2000 sofortige Beschwerde eingelegt. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Die Sache ist zur weiteren Aufklärung der Rechtzeitigkeit der Berufung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Die Kläger haben vorgetragen, daß die Mitarbeiterin des Prozeßbevollmächtigten der Kläger die Berufungsbegründungsschrift am 28. März 2000 gegen 18 Uhr in den Briefkasten - möglicherweise allerdings in den Tagesbriefkasten - des Oberlandesgerichts eingeworfen hat. Dieser Briefkasten ist, wie
das Oberlandesgericht festgestellt hat, erst am Folgetag geleert worden; nach ständiger Übung wird die inliegende Post dabei - anders als die in den Nachtbriefkasten eingeworfene Post - (nur) mit dem Eingangsstempel des Folgetags versehen. Ausgehend vom Vortrag der Kläger hat der Einwurf der Berufungsbegründungsschrift in den Tagesbriefkasten die Berufungsbegründungsfrist gewahrt : Mit dem Einwurf in den normalen Briefkasten ist die Berufungsbegründungsschrift in die Verfügungsgewalt des Oberlandesgerichts gelangt; mehr verlangt die Fristwahrung nicht. Der Umstand, daß das Oberlandesgericht zusätzlich über einen besonderen Nachtbriefkasten verfügt und möglicherweise mit einer Leerung des Tagesbriefkastens noch am 28. März 2000 nicht mehr gerechnet werden konnte, rechtfertigt keine andere Beurteilung (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluß vom 7. Mai 1991 - 2 BvR 215/90 - NJW 1991, 2076; Senatsurteil vom 25. Januar 1984 - IVb ZR 43/82 - NJW 1984, 1237; BGH Beschluß vom 12. Februar 1981 - VII ZB 27/80 - NJW 1981, 1216, 1217). Die Kläger sind mit ihrem Vorbringen nicht durch § 418 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Zwar erbringt der Eingangsstempel auf der Berufungsbegründungsschrift nach dieser Vorschrift Beweis dafür, daß die Begründungsschrift erst am 29. März 2000 beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Jedoch ist nach § 418 Abs. 2 ZPO der Gegenbeweis zulässig. Dabei genügt allerdings Glaubhaftmachung nicht; erst recht reicht nicht, wie dem Schreiben des Oberlandesgerichts vom 5. Mai 2000 entnommen werden könnte, die bloße Möglichkeit aus, daß die Begründungsschrift rechtzeitig eingegangen ist. Die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung muß vielmehr zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen werden. Für die Beweiserhebung gilt
der sog. Freibeweis (Senatsurteil vom 31. Mai 1995 - XII ZR 206/94 - VersR 1995, 1467; Senatsbeschluß vom 7. Oktober 1992 - XII ZB 100/92 - BGHR ZPO § 519 Abs. 2 S. 2 "Fristablauf 1"; BGH Beschluß vom 4. Juni 1992 - IX ZB 10/92 - BGHR ZPO § 519b Abs. 1 "Freibeweis 1"). Die Zurückverweisung gibt dem Oberlandesgericht Gelegenheit, diesem Vorbringen der Kläger nachzugehen. Dabei wird das Oberlandesgericht zu prüfen haben, ob es bereits aufgrund der vorliegenden Erklärungen und Erkenntnisse die erforderliche Überzeugung von der Rechtzeitigkeit der Berufungsbegründung gewinnen kann oder ob es einer Beweiserhebung bedarf (vgl. Thomas/Putzo/Reicholt, ZPO 22. Aufl., Rdn. 13 vor § 511 m.w.N.).
Blumenröhr Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz
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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. (2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Lande
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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. (2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Lande
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Annotations

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.