Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2001 - XI ZB 14/01

published on 06/11/2001 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2001 - XI ZB 14/01
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 14/01
vom
6. November 2001
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe und die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und
Dr. Wassermann
am 6. November 2001

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 5. Zivilsenats des SchleswigHolsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 10. Juli 2001 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 50.000 DM

Gründe:


I.


Das Landgericht hat die Beklagte aus einer Bürgschaft zur Zahlung von 50.000 DM nebst Zinsen verurteilt. Nach fristgemäßer Einlegung der Berufung hat das Oberlandesgericht die Frist zu deren Begründung antragsgemäß bis zum 21. Mai 2001 verlängert. Die erbetene Prozeßkostenhilfe hat das Oberlandesgericht durch Beschluß vom 7. Mai 2001 verweigert und mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom selben Tag die Berufungsbegründungsfrist unter Ablehnung einer weiteren Fristverlängerung bis zum 21. Juni 2001 verlängert. Den von ihrem Prozeßbevollmächtigten auf die Niederlegung des Mandats gestützten Frist-
verlängerungsantrag vom 20. Juni 2001 hat der Senatsvorsitzende am Nachmittag des 21. Juni 2001 zurückgewiesen und den am gleichen Tag nach Wiederaufnahme des Mandats gestellten erneuten Fristverlängerungsantrag nicht mehr beschieden. Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2001 hat die Beklagte die Berufung begründet und gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Auf eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist über den 21. Juni 2001 hinaus habe ihr Anwalt nicht vertrauen dürfen. Das Prozeûkostenhilfegesuch der Beklagten sei bereits am 7. Mai 2001 zurückgewiesen und mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom gleichen Tag deutlich gemacht worden, daû eine nochmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht in Betracht komme. Weder die Niederlegung des Mandats am 20. Juni 2001 noch dessen Wiederaufnahme am Tag des Fristablaufs hätten eine weitere Fristverlängerung gerechtfertigt. Daû es der Beklagten erst unmittelbar vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gelungen sei, die zur Durchführung des Berufungsverfahrens notwendigen Mittel aufzubringen, ändere daran nichts.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.

II.


Die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 238 Abs. 2, 519 b Abs. 2, 547, 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der bis zum 21. Juni 2001 verlängerten Frist, sondern erst mit Schriftsatz vom 2. Juli 2001 begründet wurde (§§ 516, 519 b Abs. 1 ZPO).
2. Den Wiedereinsetzungsantrag hat das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. Die Wiedereinsetzung setzt gemäû § 233 ZPO voraus, daû die Partei ohne eigenes oder ihr zurechenbares Verschulden ihres Prozeûbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Das ist hier nicht der Fall.

a) Im Regelfall kann sich der Rechtsmittelführer im Wiedereinsetzungsverfahren nicht darauf berufen, er habe mit der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch den Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts rechnen dürfen. Er ist vielmehr mit dem Risiko belastet, daû der Vorsitzende in Ausübung seines ihm gemäû § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingeräumten pflichtgemäûen Ermessens eine beantragte Verlängerung auch dann versagt, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen (BGH, Beschluû vom 11. November 1998 - VIII ZB 24/98, NJW 1999, 430 m.w.Nachw.). Allerdings kann nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Rechtsanwalt in aller Regel erwarten, daû seinem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprochen wird, wenn einer der Gründe des § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorliegt (siehe etwa Beschluû vom 11. November 1998 - VIII ZB 24/98, aaO m.w.Nachw.). Ob dies auch bei einem zweiten
Antrag noch gilt, ist höchstrichterlich - soweit ersichtlich - bislang nicht entschieden (vgl. BGH, Beschluû vom 4. Juli 1996 - VII ZB 14/96, NJW 1996, 3155). Diese Frage kann auch hier offenbleiben. Jedenfalls unter den gegebenen Umständen durften die Beklagte und ihr Prozeûbevollmächtigter mit einer dritten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht rechnen.

b) Der Vorsitzende des Berufungsgerichts hatte die Begründungsfrist nach Ablehnung des Prozeûkostenhilfegesuchs der Beklagten am 7. Mai 2001 nur bis zum 21. Juni 2001 verlängert und dabei mitgeteilt, daû "der weitere Antrag auf Verlängerung der Frist abgelehnt (wird), weil über die Bewilligung von PKH entschieden ist". Nach dieser Entscheidung war die Beklagte gehalten, unverzüglich die Voraussetzungen für die Durchführung der Berufung auf eigene Kosten zu schaffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muû sich der Antragsteller grundsätzlich binnen drei Werktagen nach Zustellung des Prozeûkostenhilfe verweigernden Beschlusses entscheiden, ob er das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchführen will oder nicht (st.Rspr., siehe z.B. BGH, Beschlüsse vom 28. November 1984 - IVb ZB 119/84, NJW 1986, 257, 258 und vom 10. November 1998 - VI ZB 21/98, VersR 1999, 1123, 1124 jeweils m.w.Nachw.). Hier hat die Beklagte die zur Durchführung der Berufung erforderlichen finanziellen Mittel nach eigenen Angaben erst am 16. Juni 2001, also später als einen Monat nach Ablehnung ihres Prozeûkostenhilfeantrags, beschafft. Dies gereicht ihr ebenso zum Verschulden wie der Umstand, daû sie ihren Prozeûbevollmächtigten nicht spätestens am 18. Juni 2001 zur unverzüglichen Fertigung der Berufungsbegründung innerhalb der bis zum 21. Juni 2001 verlängerten Begründungsfrist aufgefordert hat. Stattdessen hat sie ihren Prozeûbevollmächtigten mit Schreiben vom 19. Juni 2001 gebeten, das Mandat zu
beenden, und einen anderen Rechtsanwalt um Fertigung der Berufungsbegründung gebeten, obwohl sie nach dem Inhalt der Verfügung des Vorsitzenden des Berufungsgerichts vom 7. Mai 2001 unbedingt damit rechnen muûte, daû ein weiterer Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist abgelehnt werde. Es kann danach keine Rede davon sein, daû die Beklagte ohne ihr Verschulden gehindert gewesen wäre, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten.
Auf den von der Beklagten mit der sofortigen Beschwerde erhobenen Einwand, ihr Prozeûbevollmächtigter habe die Berufung innerhalb der verbleibenden Zeit wegen Arbeitsüberlastung nicht mehr begründen können, kommt es danach nicht an.
3. Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Nobbe Siol Bungeroth
Müller Wassermann
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

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Annotations

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)