Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2007 - X ZR 92/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- 1. Patentanwalt S. und Patentanwalt K. begehren je mit getrennten Anträgen Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens 4 Ni 39/04 vor dem Bundespatentgericht und des sich anschließenden Berufungsverfahrens X ZR 92/05 vor dem Bundesgerichtshof. Der Klägervertreter hat dem Antrag von Patentanwalt S. mit der Begründung widersprochen und dies in der Folge dahin präzisiert, dass die Nichtigkeitsklägerin ein schutzwürdiges Interesse daran habe, Akteneinsicht in folgende Aktenbestandteile nicht zu gewähren: Klageschrift vom 17. Juni 2004 (richtig: 2003) in Auszügen, Anlage K21 zur Klageschrift, Bl. 2 - 7 der Replik vom 31. März 2005, Replik vom 1.12.2007 in Auszügen, Schriftsatz der Patentinhaberin vom 5. März 2004 in Auszügen, und S. 13 bis 15 der Berufungserwiderung vom 15. Mai 2006 und Urteil des Landgerichts Mannheim vom 16. April 2004. Die Unterlagen enthielten Ausführungen zum Schutzumfang des Streitpatents und zu angeblichen technischen Merkmalen der angegriffenen Ausführungsform. Dritte könnten kein schutzwürdiges Interesse daran haben, technische Produktmerkmale im Weg der Akteneinsicht zu erfahren. Auf entsprechenden Hinweis des Berichterstatters hat der Klägervertreter die Ansicht vertreten, dass die von der Akteneinsicht auszunehmenden Aktenteile hinreichend identifiziert seien. Patentanwalt S. hat daraufhin erklärt, das Urteil des Landgerichts Mannheim, das bereits von diesem übersandt worden sei, könne von der Akteneinsicht ausgenommen werden.
- 2
- Ein Widerspruch gegen den Akteneinsichtsantrag von Patentanwalt K. befindet sich nicht bei den Akten. Jedoch ist den Schriftsätzen der Klägervertreter vom 15. Juni 2007 und vom 22. Juni 2007 zu entnehmen, dass sich der Widerspruch auch auf diesen Akteneinsichtsantrag beziehen soll.
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- 2. a) Der Senat wertet die zu dem ersten Akteneinsichtsantrag abgegebene Erklärung in Bezug auf das Urteil des Landgerichts Mannheim als Teilrücknahme dieses Akteneinsichtsantrags. Insoweit scheidet die Gewährung von Akteneinsicht schon mangels Antrags aus.
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- b) Die Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens ist grundsätzlich frei. Es bedarf in der Regel weder der Geltendmachung eines eigenen berechtigten Interesses seitens des Antragstellers noch der Darlegung, für wen um Akteneinsicht nachgesucht wird (§ 99 Abs. 3, Sätze 2, 3 PatG; Sen.Beschl. v. 17.10.2000 - X ZR 4/00, GRUR 2001, 143 - Akteneinsicht XV; v. 27.6.2007 - X ZR 56/05, GRUR 2007, 815 - Akteneinsicht XVIII). Dies verkennt auch die Klägerin nicht.
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- Auch Hinweise auf ein laufendes Verletzungsverfahren sowie Kopien von Aktenteilen eines Verletzungsprozesses, die von den Parteien im Nichtigkeitsverfahren eingereicht worden sind, unterliegen grundsätzlich der freien Akteneinsicht. Allerdings kann - über den Gesetzeswortlaut hinaus, vgl. Sen.Beschl. v. 16.12.1971 - X ZA 1/69, GRUR 1972, 441 f. - Akteneinsicht IX - auch der Nichtigkeitskläger ein schutzwürdiges Interesse daran haben , dass eine im Verletzungsprozess angegriffene und dort technisch näher erläuterte Ausführungsform einem Wettbewerber nicht durch eine uneingeschränkte Akteneinsicht offenbart wird; untrennbar damit verbundene Ausführungen zum Schutzumfang des Klagepatents können ebenfalls von der Akteneinsicht ausgenommen werden (Sen.Beschl. v. 10.10.2006 - X ZR 133/05, GRUR 2007, 133; v. 27.6.2007 - X ZR 56/05 - Akteneinsicht XVIII; Benkard/Schäfers, PatG u. GebrMG, 10. Aufl., § 99 PatG Rdn. 18; Busse/Schuster/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 99 PatG Rdn. 38 jeweils m.w.N.).
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- Danach sind Bl. 13 bis 15 der Berufungserwiderung nicht von der Akteneinsicht auszunehmen. Diese betreffen allein die Auslegung des Streitpatents und die Frage von dessen Neuheit. Eine mögliche Verletzungsform wird dort nicht angesprochen. Ein Bekanntwerden dieses Schriftsatzes berührt daher keine schutzwürdigen Belange der Klägerin.
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- Von den weiteren Unterlagen, deren Ausnahme von der Akteneinsicht seitens der Klägerin begehrt wird, ist die Anlage D21 (von der Klägerin als K21 bezeichnet) von der Akteneinsicht nicht auszunehmen. Bei dieser handelt es sich um einen Beitrag in der Zeitschrift Ingénieurs de l’Automobile, 1982, Heft 6, von dem ohne Weiteres davon ausgegangen werden muss, dass er in öffentliche Bibliotheken eingestellt ist. Schon deshalb ist ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin daran, dass er Dritten nicht zugänglich wird, nicht zu erkennen.
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- Die weiteren Unterlagen, die die Klägerin von der Akteneinsicht ausgenommen wissen will, sind nur in dem in der Beschlussformel näher bezeichneten Umfang von der Akteneinsicht auszunehmen. Nur insoweit betreffen sie von der Klägerin hergestellte Produkte, an deren Nichtbekanntwerden die Klägerin ein schutzwürdiges Interesse hat.
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 13.04.2005 - 4 Ni 39/04 -
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Annotations
(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.
(2) Eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts findet nur statt, soweit dieses Gesetz sie zuläßt.
(3) Für die Gewährung der Akteneinsicht an dritte Personen ist § 31 entsprechend anzuwenden. Über den Antrag entscheidet das Patentgericht. Die Einsicht in die Akten von Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents wird nicht gewährt, wenn und soweit der Patentinhaber ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dartut.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.