Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2010 - X ZR 51/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger, ein Bauingenieur und früherer Arbeitnehmer der Beklagten, verlangt von dieser die Zahlung einer von ihm und einem Miterfinder getätigten, der Beklagten im Jahre 1993 gemeldeten und von ihr in Anspruch genommenen Erfindung. Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger in Bezug auf das deutsche Patent 44 31 976 und das europäische Patent 646 677 Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über die Herstellungsmengen von näher beschriebenen Matten für Erosions- und/oder Drainagezwecke, den damit erzielten Gewinn sowie die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und die einzelnen Lieferungen. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde, soweit sie zur Auskunftserteilung über Herstellungsmengen sowie den Gewinn und die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten verurteilt worden ist.
II.
- 2
- Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
- 3
- 1. Die für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels erforderliche Beschwer ist erreicht.
- 4
- a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich die Beschwer eines zur Erteilung von Auskünften und Rechnungslegung verurteilten Rechtsmittelklägers - abgesehen von etwaigen Geheimhaltungsinteressen , die im Streitfall keine Rolle spielen - nach dem Aufwand an Kosten und Zeit, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs mit sich bringt (vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 22.03.2010 - II ZR 75/09).
- 5
- b) Bei der Bemessung der Beschwer der Beklagten ist auch der Aufwand zu berücksichtigen, der ihr in der Vergangenheit für die Erfüllung ihrer im erstinstanzlichen Urteil titulierten Auskunfts- und Rechnungslegungspflichten entstanden ist. Die durch eine Verurteilung geschaffene Beschwer entfällt generell nicht, wenn die verurteilte Partei den titulierten Pflichten entspricht, sofern dies - wie im Streitfall - nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt. Das gilt auch dann, wenn die Leistung aus Gründen, die in der Natur des titulierten Anspruchs liegen, auf eine endgültige, nicht mehr rückgängig zu machende Erfüllung hinausläuft, wie es bei einer erteilten Auskunft wesensgemäß der Fall ist, die, anders als etwa ein vereinnahmter Geldbetrag, nicht mehr "zurückgegeben" werden kann. Denn insoweit können dem Vollstreckungsschuldner Ansprüche aus § 717 Abs. 2 ZPO zustehen, die unter dem Gesichtspunkt der Beschwer den durch die Auskunftserteilung entstandenen berücksichtigungsfähigen Kosten entsprechen und an deren Stelle treten. Ob etwas anderes gilt, wenn für die Ansprüche des Vollstreckungsschuldners die Voraussetzungen des § 717 Abs. 3 ZPO gegeben sind, bedarf hier keiner Entscheidung, weil ein solcher Fall nicht vorliegt.
- 6
- c) Ansonsten gehören zu den im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung berücksichtigungsfähigen Kosten im Allgemeinen neben dem Eigenaufwand einschließlich der Ausgaben für Hilfskräfte auch die Angaben fachkundiger Dritter, auf deren Hilfe der Verpflichtete zur Vorbereitung einer zu leistenden Auskunft zurückgreifen darf (vgl. Sen.Beschl. vom 15.02.2000 - X ZR 127/99 - Urteilsbeschwer bei Stufenklage).
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- Im Streitfall ist es glaubhaft, dass der Aufwand zur Erteilung der titulierten Auskünfte, die Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, die erforderliche Beschwer erreicht (vgl. zur Schätzung BGH, Urt. vom 24.06.1999 - IX ZR 351/98, GRUR 1999, 1037).
- 8
- Allerdings ist der Beschwerdeerwiderung zuzugeben, dass die von der Beklagten eingereichten Rechnungen in den Anlagenkonvoluten C. B 1 und B 2 und der dazu gehaltene Vortrag für die Glaubhaftmachung ihrer Beschwer unergiebig sind. Die als Anlagekonvolut C. B 1 überreichten Rechnungen über "patent costs" sind unspezifiziert und können nicht mit hinreichender Tragfähigkeit dem für die hier geschuldete Auskunftserteilung und Rechnungslegung erforderlichen Aufwand zugeordnet werden. Entsprechendes gilt für die Rechnungen im Anlagenkonvolut C. B 1.
- 9
- Demgegenüber liegt es, soweit es die Rechnung C. B 3 betrifft, zunächst schon fern, dass diese Rechnung, wie der Kläger mutmaßt, aus reiner Gefälligkeit ausgestellt worden sein könnte. Die Erteilung von Auskünften, wie sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, setzt voraus, dass die entsprechenden geschäftlichen Unterlagen vom Auskunftsschuldner zusammengetragen und aufbereitet werden. Mit Blick auf den Auskunftsgegenstand im Streitfall und die weit in die Vergangenheit zurückreichende, vom Auskunftsbegehren umfasste Zeitspanne ist es nachvollziehbar, dass dafür Unternehmensmitarbeiter einen erheblichen zeitlichen Aufwand einsetzen mussten, um die entsprechenden Unterlagen herauszusuchen und aufzubereiten. Entsteht dieser im Konzernverbund aus organisatorischen Gründen primär bei einem anderen Konzernunternehmen, ist eine konzerninterne Regelung, derzufolge dieser Aufwand letztlich von dem Konzernunternehmen getragen werden muss, das die Auskunftserteilung veranlasst, dennoch glaubhaft. Entscheidend für die Erstattungsfähigkeit ist lediglich, dass keine überhöhten Kosten angesetzt wer- den. Ob der aus der Rechnung C. B 3 ersichtliche zeitliche Aufwand in vollem Umfang berücksichtigungsfähig ist und inwieweit dabei nach einem Stundensatz von 100 € abgerechnet werden darf, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Ein diesbezüglich mit Blick auf verbleibende Ungewissheiten angemessener Abschlag wird jedenfalls dadurch kompensiert, dass die Rechnung ihrerseits den gesamten Auskunftsaufwand der Beklagten in jedem Fall nicht vollständig abdeckt. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist insoweit deshalb von einem Aufwand von 25.000 € auszugehen.
- 10
- 2. Wegen der von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfenen Frage , ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmererfinder zum Zwecke der Durchsetzung seines Anspruchs auf eine angemessene Vergütung (§ 9 Abs. 1 ArbEG) Angaben über den erzielten Gewinn einschließlich der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten schuldet, war bei Einlegung des Rechtsmittels im Streitfall der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. ZPO) gegeben, weil der Senat die Modifikation seiner bisherigen Rechtsprechung zu den Rechtsfragen zu erwägen hatte, die auch die Nichtzulassungsbeschwerde im Streitfall aufwirft. Zwar ist dieser Zulassungsgrund in der Zwischenzeit entfallen, weil der Senat zu den zulassungsrelevanten Fragen inzwischen unter Aufgabe früherer Rechtsprechung Stellung genommen hat (vgl. Sen.Urt. v. 17. November 2009 - X ZR 137/07 - Türinnenverstärkung, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Dies steht der Zulassung der Revision in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang jedoch nicht entgegen.
- 11
- Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass eine auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gestützte Nichtzulassungsbeschwerde zuzulassen ist, wenn dieser Zulassungsgrund im Zeit- punkt ihrer Einlegung gegeben war und zwischenzeitlich durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs in anderer Sache entfallen ist, sofern nur dem Rechtsmittel weiterhin Erfolgsaussichten beizumessen sind (BGH, Beschl. v. 06.05.2004 - I ZR 197/03, GRUR 2004, 712, Tz. 13). Gleiches gilt in Bezug auf den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, wenn eine mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügte Fehlerpraxis des Berufungsgerichts nach Einlegung des Rechtsmittels durch eine Leitentscheidung des Bundesgerichtshofs in einer Parallelsache korrigiert worden ist (BGH, Beschl. v. 08.09.2004 - V ZR 260/03, NJW 2005, 154).
- 12
- Von dem Grundsatz abzuweichen, dass die Zulassungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde vorliegen müssen, ist in diesen Fallgestaltungen vor allem im Interesse der Vorhersehbarkeit und der Rechtsmittelklarheit gerechtfertigt. Dem Rechtsmittelführer soll der Rechtsschutz nicht aus Gründen versagt werden, die gänzlich außerhalb seiner Einflussmöglichkeiten liegen und von Zufall geprägt sein können, wie es etwa der Fall ist, wenn der in seiner Sache einschlägige Zulassungsgrund auch in anderen Fällen verwirklicht ist und die Zulassung davon abhängt, ob die dort Beteiligten ebenfalls Nichtzulassungsbeschwerde bzw. Revision eingelegt haben oder wenn es darauf ankommt, in welchem Verfahren zuerst eine Entscheidung des Revisionsgerichts ergeht (vgl. BGH, NJW 2005, 154 Tz. 16-19). Nichts anderes hat für den vorliegend berührten Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts zu gelten.
- 13
- 3. Im Übrigen ist die Beschwerde zurückzuweisen, weil die Sache insoweit keine grundsätzliche Bedeutung hat, die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Rügen nicht durchgreifen und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entschei- dung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Von einer näheren Begründung wird abgesehen (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Alt. ZPO).
- 14
- III.
Scharen Gröning Berger Grabinski Hoffmann
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 11.12.2007 - 4b O 69/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 26.03.2009 - I-2 U 6/08 -
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Annotations
(1) Die vorläufige Vollstreckbarkeit tritt mit der Verkündung eines Urteils, das die Entscheidung in der Hauptsache oder die Vollstreckbarkeitserklärung aufhebt oder abändert, insoweit außer Kraft, als die Aufhebung oder Abänderung ergeht.
(2) Wird ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil aufgehoben oder abgeändert, so ist der Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist. Der Beklagte kann den Anspruch auf Schadensersatz in dem anhängigen Rechtsstreit geltend machen; wird der Anspruch geltend gemacht, so ist er als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen.
(3) Die Vorschriften des Absatzes 2 sind auf die im § 708 Nr. 10 bezeichneten Berufungsurteile, mit Ausnahme der Versäumnisurteile, nicht anzuwenden. Soweit ein solches Urteil aufgehoben oder abgeändert wird, ist der Kläger auf Antrag des Beklagten zur Erstattung des von diesem auf Grund des Urteils Gezahlten oder Geleisteten zu verurteilen. Die Erstattungspflicht des Klägers bestimmt sich nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Wird der Antrag gestellt, so ist der Anspruch auf Erstattung als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen; die mit der Rechtshängigkeit nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts verbundenen Wirkungen treten mit der Zahlung oder Leistung auch dann ein, wenn der Antrag nicht gestellt wird.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.