Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2007 - X ZR 32/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
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- Die Antragstellerin begehrt Einsicht in die Akten des Patentnichtigkeitsverfahrens. Die beklagte Patentinhaberin bittet, folgende Bestandteile der Akten von der Einsicht auszunehmen: Schriftliches Gutachten des vom Senat bestellten Sachverständigen Alle Schriftsätze der Klägerinnen und der Beklagten, die einen Hinweis enthalten, dass die Parteien sich möglicherweise außergericht- lich geeinigt haben, insbesondere die Schriftsätze der Beklagten vom 27. Februar 2006, 19. April 2007 und 3. Mai 2007.
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- Die begehrte Akteneinsicht ist einschränkungslos zu gewähren (§ 99 Abs. 3 PatG).
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- Die Beklagte will das Sachverständigengutachten ausgenommen wissen, weil nicht ersichtlich sei, inwieweit eine Einsichtnahme für die Antragstellerin relevant sei, nachdem das Patentnichtigkeitsverfahren erledigt und das Patent für die Vergangenheit bestandskräftig sei. Die Beklagte vermisst hiernach insoweit ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin an der Akteneinsicht. Hierauf kommt es nach § 99 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 PatG jedoch nicht an. Denn danach setzt das Recht auf Akteneinsicht nicht voraus, dass der Antragsteller ein berechtigtes Interesse darlegt (st. Rspr., z.B. Sen.Beschl. v. 17.10.2000 - X ZR 4/00, GRUR 2001, 143 - Akteneinsicht XV; Sen.Beschl. v. 28.11.2000 - X ZR 237/98, BGH-Report 2001, 223 - Akteneinsicht 020). Ob und inwieweit ein solches besteht, ist erst zu prüfen, wenn eine Partei des Patentnichtigkeitsverfahrens ein der Akteneinsicht entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse geltend macht.
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- Was die Schriftsätze anbelangt, meint die Beklagte, eine Kenntnis des Inhalts könne die Rechtsstellung der Antragstellerin nicht verbessern; außerdem gehe es um vertrauliche Informationen bezüglich einer außergerichtlichen Einigung der Parteien des Patentnichtigkeitsverfahrens. Auch diese Begründung rechtfertigt keine Einschränkung des Akteneinsichtsrechts der Antragstellerin. Mit dem ersten Einwand bestreitet die Beklagte wiederum nur ein Interesse der Antragstellerin. Geheimhaltungsinteressen, die mit dem zweiten Einwand geltend gemacht werden sollen, sind hingegen nicht hinreichend dargetan. Es ist schon nicht nachvollziehbar, wieso bloße Hinweise, dass ein Patentnichtigkeitsverfahren erledigt worden sein könnte, schutzwürdige Belange der Beklagten berühren können.
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 13.02.2003 - 2 Ni 31/01 -
Annotations
(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.
(2) Eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts findet nur statt, soweit dieses Gesetz sie zuläßt.
(3) Für die Gewährung der Akteneinsicht an dritte Personen ist § 31 entsprechend anzuwenden. Über den Antrag entscheidet das Patentgericht. Die Einsicht in die Akten von Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents wird nicht gewährt, wenn und soweit der Patentinhaber ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dartut.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Das Deutsche Patent- und Markenamt gewährt jedermann auf Antrag Einsicht in die Akten sowie in die zu den Akten gehörenden Modelle und Probestücke, wenn und soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Jedoch steht die Einsicht in das Register und die Akten von Patenten einschließlich der Akten von Beschränkungs- oder Widerrufsverfahren (§ 64) jedermann frei.
(2) In die Akten von Patentanmeldungen steht die Einsicht jedermann frei,
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wenn der Anmelder sich gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt mit der Akteneinsicht einverstanden erklärt und den Erfinder benannt hat oder - 2.
wenn seit dem Anmeldetag (§ 35) oder, sofern für die Anmeldung ein früherer Zeitpunkt als maßgebend in Anspruch genommen wird, seit diesem Zeitpunkt achtzehn Monate verstrichen sind
(3) Soweit die Einsicht in die Akten jedermann freisteht, steht die Einsicht auch in die zu den Akten gehörenden Modelle und Probestücke jedermann frei.
(3a) Soweit die Einsicht in die Akten jedermann freisteht, kann die Einsichtnahme bei elektronischer Führung der Akten auch über das Internet gewährt werden.
(3b) Die Akteneinsicht nach den Absätzen 1 bis 3a ist ausgeschlossen, soweit
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ihr eine Rechtsvorschrift entgegensteht, - 2.
das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 679/2016 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung offensichtlich überwiegt oder - 3.
in den Akten Angaben oder Zeichnungen enthalten sind, die offensichtlich gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen.
(4) In die Benennung des Erfinders (§ 37 Abs. 1) wird, wenn der vom Anmelder angegebene Erfinder es beantragt, Einsicht nur nach Absatz 1 Satz 1 gewährt; § 63 Abs. 1 Satz 4 und 5 ist entsprechend anzuwenden.
(5) In die Akten von Patentanmeldungen und Patenten, für die gemäß § 50 jede Veröffentlichung unterbleibt, kann das Deutsche Patent- und Markenamt nur nach Anhörung der zuständigen obersten Bundesbehörde Einsicht gewähren, wenn und soweit ein besonderes schutzwürdiges Interesse des Antragstellers die Gewährung der Einsicht geboten erscheinen läßt und hierdurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nicht zu erwarten ist. Wird in einem Verfahren eine Patentanmeldung oder ein Patent nach § 3 Abs. 2 Satz 3 als Stand der Technik entgegengehalten, so ist auf den diese Entgegenhaltung betreffenden Teil der Akten Satz 1 entsprechend anzuwenden.