Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2007 - X ZR 1/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Ablehnungsgesuch ist gerechtfertigt. Ein Sachverständiger kann nach § 406 ZPO, der auch im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen anwendbar ist, abgelehnt werden, wenn vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus hinreichende objektive Gründe vorliegen, die in den Augen einer vernünftigen Partei geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu wecken (Sen.Beschl. v. 4.12.2001 - X ZR 199/00, GRUR 2002, 369 - Sachverständigenablehnung m.w.N.). Dafür kommt es nicht darauf an, ob der gerichtlich beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hegt. Maßgeblich ist vielmehr, ob für die das Ablehnungsgesuch anbringende Partei der Anschein nicht vollständiger Unvoreingenommenheit besteht. Dies kann unter anderem in Betracht kommen, wenn der Sachverständige in einem aktuellen Mandatsverhältnis zu den Prozessbevollmächtigten des Prozessgegners oder in näheren Beziehungen zu einer der Parteien steht (BGH GRUR 2002, 369 - Sachverständigenablehnung; Beschl. v. 13.1.1987 - X ZR 29/86, GRUR 1987, 350 - Werkzeughalterung). Entsprechend verhält es sich hier.
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- 1. Nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit bei der Beklagten zu begründen, ist allerdings der Umstand, dass der Sachverständige 1998/1999 die Kanzlei B. P. u. a. mit einer PCT-Anmeldung und der Abwicklung von Gebühren und Kosten zur Internationalisierung von Patentanmeldungen beauftragt hatte und dass dabei die Patentanwälte K. und N. für ihn tätig wurden, die nunmehr - in anderer Sozietät - die Klägerin im Streitfall vertreten. Das Bestehen eines Mandatsverhältnisses zu den Prozessbevollmächtigten des Prozessgegners zum Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit deshalb, weil bei der anderen Partei der Eindruck entstehen kann, die Gegenpartei könnte über Einflussmöglichkeiten verfügen, die ihr selbst verschlossen sind. Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Die Patentanwälte K. und N. haben den Sachverständigen nicht nur zum Zeitpunkt seiner Beauftragung und danach nicht vertreten, sondern zuvor auch nur in einer anderen Sozietät. Jene Vorgänge liegen überdies geraume Zeit, nämlich sieben Jahre und länger, zurück.
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- 2. Anders verhält es sich, soweit es die Verbindung zwischen dem Sachverständigen und Patentanwalt Pf. betrifft. Dieser war zum einen bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1999 Leiter der Rechts- und Patentabteilung der B. AG, einem Unternehmen, das die Klägerin erworben hat und das in ihren Konzern eingegliedert worden ist. Als Leiter der Patentabteilung hat Patentanwalt Pf. vorprozessual für die B. AG sowohl im Streitfall, als auch in einem inzwischen ebenfalls beim Senat anhängigen Patentnichtigkeitsverfahren (X ZR 71/06) die Vorkorrespondenz mit der Beklagten über die Ver- letzung der jeweiligen Streitpatente geführt. Wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, vertritt Patentanwalt Pf. auch heute noch einzelne Fälle aus dem Bereich der B. AG.
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- Patentanwalt Pf. ist zum anderen dem gerichtlichen Sachverständigen über eine langjährige beratende Tätigkeit in Patentfragen verbunden. Er hat den Sachverständigen seit 1997 und damit schon zu einer Zeit beraten, zu der er selbst hauptberuflich noch im Unternehmen der B. AG als Leiter der Rechts- und Patentabteilung tätig war. Die Kanzlei, der Patentanwalt Pf. nunmehr angehört, wird vom Sachverständigen bis heute mandatiert.
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- Auch wenn Patentanwalt Pf. den Sachverständigen während seiner Tätigkeit für die B. AG als Privatperson und außerhalb der beruflichen Sphäre, nämlich entweder in der eigenen Wohnung oder in den Räumlichkeiten des Sachverständigen beraten hat, ist diese langjährige Verbundenheit aufgrund einer beratenden Tätigkeit in Patentfragen in den Augen einer verständigen Partei geeignet, Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu begründen. Auch eine besonnene Partei wird in Anbetracht dieses Hintergrundes nicht von der Hand zu weisende Zweifel daran hegen, dass die Begutachtung von dieser durch den Berater vermittelten Nähe zwischen dem Sachverständigen und der Rechtsvorgängerin der Klägerin gänzlich unbeeinflusst bleiben wird. Für die Begründetheit des Befangenheitsgesuchs sind allein diese nach den objektiven Gegebenheiten anerkennenswerten Zweifel daran maßgeblich, dass der Sachverständige die nötige Distanz nicht würde wahren können. Es kommt also nicht darauf an, dass die beratende Tätigkeit in keinem Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu den Produkten der B. AG gestanden hat. Auch die Frage, ob der Sachverständige sich selbst subjektiv in der Lage sieht, das Gutachten frei und völlig unparteilich zu erstatten, ist nicht entscheidend.
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- Dem Ablehnungsgesuch war daher stattzugeben, ohne dass es auf den von der Beklagten zusätzlich erhobenen Vorwurf ankäme, der Sachverständige hätte schon im Vorfeld seiner Beauftragung, auf die Frage, ob er zu einer der Parteien oder ihrer Vertreter in irgend einer Beziehung stehe oder gestanden habe, die Verbindung zu Patentanwalt Pf. offenlegen müssen.
Meier-Beck Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.09.2005 - 2 Ni 12/04 (EU) -
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Annotations
(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.
(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.
(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.
(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.
(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.