Bundesgerichtshof Beschluss, 16. März 2000 - VII ZB 36/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Der Kläger hat gegen das ihm am 25. Mai 1999 zugestellte Urteil des Landgerichts mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 24. Juni 1999 Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift trägt den Eingangsstempel der allgemeinen Briefannahmestelle der Justizbehörden in K. vom Montag, den 28. Juni 1999. Der Kläger hat nach Mitteilung dieses Eingangsdatums am 7. Juli 1999 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt und zugleich Berufung eingelegt. Er hat unter Vorlage von drei eidesstattlichen Versicherungen zur Begründung vorgetragen, der Ablaufder Berufungsfrist sei im Fristenbuch der Kanzlei seiner Prozeßbevollmächtigten wie üblich einen Tag vor Fristablauf und mithin auf den 24. Juni 1999 notiert worden. Am Vormittag dieses Tages sei die Berufungsschrift unterzeichnet und sodann von der Sekretärin Ko. in das Postausgangsfach für die Post zum Land- und Oberlandesgericht gelegt worden. Dieses Fach sei nach allgemeiner Anweisung für solche Schriftsätze bestimmt, die noch am selben Tag durch Boten zur allgemeinen Briefannahmestelle zu bringen seien. Am Nachmittag des selben Tages habe die Auszubildende H. sämtliche Postausgangsfächer geleert und die Post in ihre Mappe gelegt. Davon habe sich die Mitarbeiterin Ka. überzeugt, die u.a. darauf zu achten habe, daß die Fächer vollständig geleert würden. Die Auszubildende H. habe die für das Land- und Oberlandesgericht bestimmte Post auf den Schreibtisch des diensthabenden Justizwachtmeisters in der allgemeinen Briefannahmestelle gelegt und sodann die für Rechtsanwälte bestimmte Post in die Anwaltsfächer gegeben. Nach Hinweis des Berufungsgerichts, der Kläger behaupte die Rechtzeitigkeit der Berufung, hat der Kläger vorgetragen, er müsse nach den ihm bekannten Umständen den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift behaupten. Er könne allerdings angesichts des Eingangsstempels nicht ausschließen , daß die Berufungsfrist tatsächlich versäumt worden sei. Für diesen Fall gelte die beantragte Wiedereinsetzung, da der (sachbearbeitende) Prozeßbevollmächtigte organisatorisch alles veranlaßt habe, um die Rechtsmittelfrist zu wahren. Das Berufungsgericht hat eine dienstliche Stellungnahme der Justizwachtmeister eingeholt, die am 24. Juni 1999 in der Briefannahmestelle tätig gewesen waren. Nach ihrer Darstellung kann die Berufungsschrift frühestens am Montag, den 28. Juni 1999, eingegangen sein.
Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und das Wiedereinsetzungsgesuch des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg. 1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Berufungsfrist nicht gewahrt ist. Gemäß § 418 Abs. 1 ZPO erbringt der Eingangsstempel der allgemeinen Briefannahmestelle der Justizbehörden in K. vom 28. Juni 1999 den Beweis dafür, daß die Berufungsschrift erst an diesem Tage und damit verspätet bei Gericht eingegangen ist. Der durch den Eingangsstempel begründete Beweis kann zwar gemäß § 418 Abs. 2 ZPO durch Gegenbeweis entkräftet werden; dies erfordert indes die volle Überzeugung des Gerichts vom rechtzeitigen Eingang. Das Berufungsgericht hat sich angesichts des Widerspruchs zwischen der dienstlichen Stellungnahme der beiden Justizwachtmeister und der eidesstattlichen Versicherung der Auszubildenden H. von der Rechtzeitigkeit der Berufung nicht überzeugen können. Der Senat teilt die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Sie wird vom Kläger auch nicht in Zweifel gezogen. 2. Das Berufungsgericht hat sich gehindert gesehen, Wiedereinsetzung zu gewähren. Es hat dies damit begründet, der Kläger habe eine Fristversäumung nicht behauptet. Das trifft nicht zu.Der Senat teilt diese Ansicht schon deshalb nicht, weil der Kläger einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt und ihn damit begründet hat, er habe die Berufungsfrist ohne eigenes und ohne Verschulden seiner Prozeßbevollmächtigten nicht eingehalten. Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger in erster Linie geltend macht, die Berufungsschrift sei rechtzeitig eingegangen, aber erst später mit einem Eingangsstempel versehen worden. Einer Partei, die die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels geltend macht, steht es frei, dessen rechtzeitige Einlegung zu behaupten und zugleich für den Fall, daß das Gericht den Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO als nicht geführt ansieht, Wiedereinsetzung in den v origen Stand gegen die Versäumung der Frist zu beantragen (BGH, Beschluß vom 27. November 1996 - XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312). So ist hier der Vortrag des Klägers zu verstehen, der sich ausdrücklich für den Fall einer anzunehmenden Fristversäumung auf die beantragte Wiedereinsetzung berufen hat.
3. Dem Kläger ist Wiedereinsetzung zu gewähren. Er hat hinreichend glaubhaft gemacht, daß die Versäumung der Berufungsfrist, von der nach seinem Vortrag auszugehen ist, weder von ihm selbst noch von einem seiner Prozeßbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) verschuldet worden ist. Die vom Kläger im einzelnen dargelegte Organisation der Ausgangskontrolle für fristwahrende Schriftsätze ist nicht zu beanstanden. Ullmann Hausmann Kuffer Kniffka Wendt
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(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.
(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.
(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.