Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2011 - VII ZB 21/09
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Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Nach einem Kostenfestsetzungsbeschluss aufgrund eines Vorprozesses zwischen den Parteien haben die Kläger als Gesamtschuldner an die Beklagte 3.438,38 € nebst Zinsen zu zahlen.
- 2
- Nach Zahlung eines Betrages von 2.451,05 € durch die Kläger betrieb die Beklagte wegen des noch offenen Betrages von 987,33 € nebst Zinsen die Zwangsvollstreckung. Diese hielten die Kläger wegen Gegenansprüchen für unberechtigt und erhoben deshalb die Vollstreckungsabwehrklage. Noch vor Zustellung der Klage hatte die Beklagte den Restbetrag aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss bis auf einen kleinen Betrag, nach ihrer Behauptung in Höhe von 0,04 €, vollstreckt.
- 3
- Das Landgericht hat die Zwangsvollstreckung im Hinblick auf die Gegenforderung für unzulässig erklärt und die Beklagte zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses an die Kläger verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
- 4
- Das Berufungsgericht meint, der Wert des Beschwerdegegenstandes der Beklagten ergebe sich nur noch in der Höhe, in der die Forderung nicht getilgt sei. Nach ihrem eigenen Vortrag betreffe diese einen Betrag von 0,04 € zuzüglich eventuell anfallender Kosten. Die Auffassung der Beklagten, infolge der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung sei sie in Höhe des Betrages von 987,33 € zuzüglich Zinsen beschwert, treffe nicht zu. Die Vollstreckungsabwehrklage habe keine rechtskräftige Feststellung des Nichtmehrbestehens des materiell-rechtlichen Anspruchs zum Inhalt.
III.
- 5
- Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 6
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Das Berufungsgericht ist von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen (vgl. Beschluss vom 9. Februar 2006 - IX ZB 310/04, NJW-RR 2006, 1146 m.w.N.).
- 7
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten rechtsfehlerhaft als unzulässig verworfen; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600 €. Er beträgt 987,33 €.
- 8
- a) Der Wert des Beschwerdegegenstandes eines erstinstanzlich unterlegenen Beklagten einer Vollstreckungsabwehrklage richtet sich danach, inwieweit die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt worden ist, er durch den rechtskraftfähigen Inhalt der Entscheidung mithin materiell belastet ist (BGH, Beschluss vom 2. Juli 2009 - V ZB 40/09, NJW-RR 2009, 1431 m.w.N.). Insoweit kommt es, wie bei dem Wert der Vollstreckungsabwehrklage, allein darauf an, in welcher nominellen Höhe nach dem erstinstanzlichen Urteil die Vollstreckbarkeit des Titels beseitigt werden soll. Unerheblich ist, ob die titulierte Forderung ganz oder teilweise getilgt ist und ob dies ganz oder teilweise im Verlauf des Prozesses unstreitig wird (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2006 - IX ZB 310/04, aaO, Rn. 9 m.w.N.).
- 9
- b) Nach diesen Grundsätzen ist es verfehlt, darauf abzustellen, in welcher Höhe die Beklagte noch vollstrecken will. Vielmehr ändert die bereits erfolgte Tilgung nichts an der im Nennbetrag im Titel ausgewiesenen Vollstreckbarkeit der Forderung, die mit der Klage angegriffen und mit dem Urteil beseitigt worden ist. Darauf hat auch die Beklagte zutreffend in der Berufungsinstanz hingewiesen. Auf die weiteren Erwägungen im Zusammenhang mit der Forde- rung der Klägerin auf Rückzahlung des vollstreckten Betrages kommt es nicht an.
- 10
- Damit ist lediglich die Beschränkung der Kläger auf den Hauptsachebetrag von 987,33 € zu berücksichtigen.
- 11
- c) Keinen Bedenken begegnet es dagegen, dass das Berufungsgericht der daneben erfolgten Verurteilung zur Herausgabe des Vollstreckungstitels keinen eigenständigen Wert beigemessen hat. Hier ist in der Regel maßgeblich das Interesse des Schuldners an dem Besitz des Vollstreckungstitels, das nach einer erfolgreichen Vollstreckungsabwehrklage darauf gerichtet ist, einen Missbrauch des Titels durch den Gläubiger zu verhindern (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2004 - VIII ZB 124/03, NJW 2004, 2904). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Herausgabeklage erst nach Erlass eines Urteils, durch das die Vollstreckung für unzulässig erklärt worden ist, oder gleichzeitig mit der Vollstreckungsabwehrklage erhoben wird. Die Bewertung des Herausgabeverlangens muss umso niedriger ausfallen, je geringer die Gefahr eines Missbrauchs des Titels im Einzelfall ist (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2004 - VIII ZB 124/03, aaO, m.w.N.). Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht ein solches Missbrauchsrisiko nicht in Erwägung gezogen hat; für ein solches ist nichts ersichtlich. Damit muss die Herausgabeklage nicht zusätzlich wertmäßig ins Gewicht fallen. Die Beschwer der Beklagten ist der Höhe nach auf das Interesse der Kläger am Besitz der Urkunde begrenzt.
- 12
- 3. Die Tilgung der Forderung wird das Berufungsgericht bei der Frage zu berücksichtigen haben, ob die Kläger noch ein Rechtsschutzinteresse an der mit der Einwendung eines Zurückbehaltungsrechts verfolgten Vollstreckungsabwehrklage haben, nachdem die Forderung jedenfalls bis auf 0,04 € erloschen ist.
Vorinstanzen:
LG Kempten, Entscheidung vom 20.08.2008 - 1 O 949/08 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 23.12.2008 - 27 U 596/08 -
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Annotations
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.