Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2016 - VI ZR 432/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. September 2016 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Stöhr und Offenloch und die Richterinnen Dr. Oehler und Dr. Roloff
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin wurde am 14. März 2008 im Krankenhaus der Beklagten zu 1 an der Schulter operiert. Sie trägt vor, dass sich aufgrund der Operation in der Folge eine vollständige Einsteifung des linken Schultergelenks entwickelt habe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Soweit Behandlungsfehler geltend gemacht worden sind, hat es festgestellt, die Operationsindikation habe bestanden und auch der Facharztstandard sei eingehalten worden. Dies greift die Nichtzulassungsbeschwerde nicht an. Sie macht allerdings eine fehlerhafte Abweisung im Hinblick auf die von ihr geltend gemachten Aufklärungsversäumnisse geltend.
II.
- 2
- Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, soweit ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen einer Verletzung der Aufklärungspflicht verneint worden ist.
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- 1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Insbesondere ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gegeben, wenn eine erforderliche Beweiserhebung nicht erfolgt ist und dies im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Mai 2009 - VI ZR 275/08, VersR 2009, 1137 Rn. 2 mwN).
- 4
- 2. Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Klägerin habe zu Recht gerügt , dass eine Vernehmung ihres Ehemannes als Zeuge zu Inhalt und Umfang der Aufklärung unterblieben sei. Ein Nachholen der Zeugeneinvernahme sei aber nicht erforderlich, da ein evtl. Aufklärungsfehler nicht entscheidungserheblich sei. Der Senat sei nach ergänzender Anhörung des Sachverständigen wie das Landgericht nicht davon überzeugt, dass die Beschwerden der Klägerin Folge des operativen Eingriffs seien. Danach liegt eine erhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) vor.
- 5
- Nach der Rechtsprechung des Senats liegt die Primärschädigung bei fehlerhafter Aufklärung bei einer Operation bereits in dem mangels wirksamer Einwilligung per se rechtswidrigen Eingriff als solchem (vgl. Senatsurteile vom 29. September 2009 - VI ZR 251/08, VersR 2010, 115 Rn. 13; vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 241/09, VersR 2011, 223 Rn. 18 mwN). Im Hinblick darauf macht die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht geltend, das Berufungsgericht habe ausweislich seines protokollierten Hinweises in der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2015 rechtsfehlerhaft auf das Beweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO abgestellt, obgleich die Kausalität für den behaupteten Gesundheitsschaden nach dem Beweismaßstab des § 287 Abs. 1 ZPO hätte beurteilt werden müssen. Nach den bisherigen Ausführungen des Sachverständigen ist nicht auszuschließen , dass das Berufungsgericht bei Anwendung des Beweismaßmaßstabs des § 287 Abs. 1 ZPO, eventuell nach weiterer Erörterung mit dem Sachverständigen , die Kausalität bejaht hätte. Dann hätte es den Ehemann der Klä- gerin als Zeugen vernehmen müssen, um zu klären, ob eine Aufklärungspflichtverletzung vorgelegen hat.
Oehler Roloff
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 13.02.2014 - 11 O 6995/12 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 26.06.2015 - 5 U 659/14 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.