Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Okt. 2012 - VI ZB 71/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch. Mit Urteil vom 7. Juli 2011 hat das Amtsgericht die Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.816,16 € nebst Zinsen zu zahlen und den Kläger gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen. Dieses Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 15. Juli 2011 zugestellt. Dieser hat mit einem am 29. August 2011 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat er vorgetragen und glaubhaft gemacht:
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- Nachdem er die Empfehlung abgegeben habe, Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil einzulegen, habe eine Mitarbeiterin der Beklagten zu 2, des Haftpflichtversicherers der Beklagten zu 1, seiner Kanzleikraft, Frau J., fernmündlich mitgeteilt, es solle Berufung eingelegt werden. Irrtümlich habe Frau J., eine zuverlässige und langjährige Mitarbeiterin, wegen eines Missverständnisses in einem Aktenvermerk niedergelegt, es solle keine Berufung eingelegt werden. Daraufhin habe er die zuvor korrekt auf den 15. August 2011 notierte Berufungsfrist gestrichen. Der Fehler sei erst am 25. August 2011 anlässlich einer telefonischen Nachfrage seitens der Beklagten zu 2 aufgefallen.
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- Das Landgericht hat mit Beschluss vom 20. Oktober 2011 die begehrte Wiedereinsetzung versagt und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen , weil diese die Berufungsfrist nicht ohne Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten versäumt hätten. Der Irrtum ihres Prozessbevollmächtigten sei nicht unverschuldet. Nachdem er selbst unstreitig die Empfehlung abgegeben gehabt habe, Berufung einzulegen, habe er sich nicht auf die lediglich auf einem Telefonvermerk beruhende Mitteilung seiner Kanzleikraft verlassen dürfen, das Rechtsmittel solle nach dem Willen der Beklagten zu 2 dennoch nicht eingelegt werden. Vielmehr hätte er innerhalb der ursprünglich notierten Berufungsfrist und vor deren Streichung Rücksprache mit der Beklagten zu 2 halten müssen, um sich zu vergewissern, ob tatsächlich keine Berufung eingelegt werden solle, zumal ihm keine schriftliche Erklärung der Beklagten zu 2 vorgelegen habe.
II.
- 4
- Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig.
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- 1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagten weder in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) noch deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juni 2012 - VI ZB 12/12, juris Rn. 5 mwN). Davon ist im Streitfall jedoch nicht auszugehen.
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- 2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht den Beklagten eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist mit Recht versagt.
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- a) Zwar darf der Rechtsanwalt einfache Verrichtungen, die keine besondere Geistesarbeit oder juristische Schulung verlangen, wie etwa Botengänge oder die Eintragung vorher vom Anwalt verfügter Fristen, zur selbständigen Erledigung auf sein geschultes und zuverlässiges Büropersonal übertragen (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 27. November 1990 - VI ZB 22/90, NJW 1991, 1179; BGH, Beschluss vom 5. März 1991 - XI ZB 1/91, NJW 1991, 2082). So liegt der Streitfall nicht.
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- b) Hier ging es vielmehr um die Frage, ob gegen ein Urteil entsprechend der Empfehlung des Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt werden sollte oder nicht. Die Klärung dieser Frage, die unmittelbar das Mandat betrifft, darf der Rechtsanwalt grundsätzlich nicht allein einem Telefongespräch einer Kanzleikraft überlassen. Denn diese Frage fällt - wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung mit Recht geltend macht - in den originären Verantwortungsbereich des Rechtsanwalts, der sich insoweit nur auf eine schriftliche oder ihm selbst erteilte mündliche Weisung der Mandantschaft verlassen und ihm vorgelegte, nicht von der Partei autorisierte Telefonvermerke nicht ungeprüft übernehmen darf.
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- 3. Nach alledem ist die Rechtsbeschwerde mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zu verwerfen. Galke Wellner Diederichsen Pauge von Pentz
AG Mülheim an der Ruhr, Entscheidung vom 07.07.2011 - 23 C 2706/09 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 20.10.2011 - 13 S 181/11 -
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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)