Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Apr. 2003 - VI ZB 54/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Der Beklagte zu 2) wurde im vorliegenden Rechtsstreit als Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1) auf Schadensersatz wegen der angeblich bei einem Verkehrsunfall entstandenen Schäden in Anspruch genommen. Noch vor Klageerhebung beauftragte er einen Privatgutachter mit Feststellungen dazu, ob es sich um einen fingierten Unfall handele. Nach Klageerhebung wandte er dies zu seiner Rechtsverteidigung ein. Der Kläger nahm die Klage zurück, nachdem das Landgericht einen Beweisbeschluß erlassen hatte. Der Beklagte zu 2) hat im Rahmen der Kostenfestsetzung die Erstattung der für die Einschaltung des Privatgutachters aufgewendeten Kosten verlangt. Die Rechts-pflegerin hat die Festsetzung insoweit abgelehnt, da es an der Prozeßbezogen- heit dieser Aufwendungen fehle. Die dagegen von dem Beklagten zu 2) eingelegte sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht durch den Einzelrichter zurückgewiesen. Der Einzelrichter hat die Prozeßbezogenheit der vorprozessual von einem Haftpflichtversicherer zur Aufklärung eines möglichen Versicherungsbetrugs aufgewendeten Privatgutachterkosten ebenfalls verneint und - wegen des Streits über diese Frage - zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt der Beklagte zu 2) sein Begehren weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil sie von dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht zugelassen worden ist (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Die angefochtene Einzelrichterentscheidung unterliegt jedoch der Aufhebung , weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. 1. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluß vom 13. März 2003 (IX ZB 134/02 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) entschieden, daß die Entscheidung des originären Einzelrichters eines Beschwerdegerichts in einer Sache , der er rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimißt, auf die von ihm zugelassene Rechtsbeschwerde von Amts wegen der Aufhebung unterliegt. Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt: Der Einzelrichter müsse Sachen , denen er grundsätzliche Bedeutung beimißt, zwingend nach § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO dem Beschwerdegericht in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung zur Entscheidung übertragen. Der Begriff der grund-sätzlichen Bedeutung umfasse auch die in § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genannten Fälle der Rechtsfortbildung und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Die Entscheidung von Rechtssachen mit grundsätzlicher Bedeutung sei dem Einzelrichter schlechthin versagt. Verneine er einerseits die Zuständigkeit des Kollegialgerichts und bejahe er andererseits die Zulassungsvoraussetzungen für die Rechtsbeschwerde in ein und derselben Entscheidung, sei diese offene Unvereinbarkeit stets als objektiv willkürlich anzusehen. Das Beschwerdegericht , dessen Einzelrichter die Rechtsbeschwerde zulasse, sei falsch besetzt. Damit werde das Gebot des gesetzlichen Richters grundlegend verkannt. Die Nichtübertragung des Verfahrens auf das voll besetzte Beschwerdegericht erfülle die Voraussetzungen der objektiven Willkür, sie sei offensichtlich unvertretbar und liege außerhalb der Gesetzlichkeit, so daß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt sei. Ein darauf beruhender Beschluß sei - ungeachtet des § 568 Satz 3 ZPO - durch das Rechtsbeschwerdegericht aufzuheben, und zwar im öffentlichen Interesse an der Wahrung der Funktionsfähigkeit des Rechtsbeschwerdeverfahrens von Amts wegen. Dem schließt der Senat sich an. Der Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters nötigt auch im vorliegenden Fall zur Aufhebung des mit der Rechtsbeschwerde angegriffenen Beschlusses. Eine abweichende Entscheidung ist nicht deshalb möglich, weil sich der Einzelrichter für seine Auffassung zur fehlenden Erstattungsfähigkeit der Privatgutachterkosten auf eine Rechtsprechung des Senats des Beschwerdegerichts, dem er angehört, hat stützen können. Steht ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters fest, ist für Differenzierungen im Einzelfall kein Raum. 2. Der Senat weist ergänzend darauf hin, daß Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben müssen (BGH, Beschluß vom 20. Juni 2002 - IX
ZB 56/01 - NJW 2002, 2648 f.). Es besteht Anlaß dies erneut hervorzuheben, weil immer wieder Beschlüsse vorgelegt werden, die eine ausreichende Darstellung der zugrunde gelegten Tatsachen vermissen lassen. Der hier angefochtene Beschluß enthält keinen gesonderten Sachbericht und läßt auch im Zusammenhang der Rechtsausführungen möglicherweise nicht alle für die rechtliche Beurteilung relevanten Umstände erkennen. Letztlich kommt es für das vorliegende Rechtsbeschwerdeverfahren wegen des unter 1 dargelegten Aufhebungsgrundes nicht mehr darauf an. 3. Schließlich weist der Senat darauf hin, daß er in dem Beschluß vom 17. Dezember 2002 (VI ZB 56/02 - EBE/BGH 2003, 58 f., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) Grundsätze zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines vorprozessual beauftragten Sachverständigen aufgestellt hat. Diese werden bei der neuen Entscheidung des Beschwerdegerichts über die sofortige Beschwerde zu berücksichtigen sein.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
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Annotations
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn
- 1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder - 2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn
- 1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder - 2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.