Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Feb. 2020 - StB 3/20
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und seines Verteidigers am 6. Februar 2020 gemäß § 454 Abs. 3 Satz 1, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 5 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Oberlandesgericht Celle hat den Beschwerdeführer am 21. November 2019 wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland in Tateinheit mit öffentlicher Aufforderung zu Straftaten sowie wegen Gewaltdarstellung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Mit Beschluss vom 23. Dezember 2019 hat es abgelehnt, die Vollstreckung des Strafrestes nach - am 16. Dezember 2019 erreichter - Verbüßung von zwei Dritteln der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Das hiergegen gerichtete zulässige Rechtsmittel des Verurteilten ist unbegründet.
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- Der Senat teilt die Ansicht des Oberlandesgerichts, dass die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht verantwortet werden kann (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB), und nimmt auf die auch nach Würdigung des durch Schriftsatz vom 5. Februar 2020 vertieften Beschwerdevorbringens fortgeltenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug. Er bemerkt dazu ergänzend :
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- Das Oberlandesgericht hat im Rahmen seiner Gesamtwürdigung ausdrücklich bedacht, dass der Verurteilte nicht selbst an der Planung, Vorbereitung oder Begehung von Verbrechen im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB beteiligt war. Weiter hat es bei seiner Prognose herangezogen, es sei nicht festzustellen, dass der Verurteilte seine Grundeinstellung zur Ideologie und den Gewalttaten des IS geändert habe. Dieses Argument wird nicht dadurch entkräftet , dass im Falle einer ausdrücklichen Abkehr eine solche als taktisch motiviert angesehen werden könnte. Entscheidend ist vielmehr, ob sich ein terroristischer Straftäter von seiner tatrelevanten Einstellung glaubhaft lossagt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10. April 2014 - StB 4/14, juris Rn. 3 mwN). Hieran fehlt es.
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- Wie das Oberlandesgericht mit Blick auf die Anhörung des Verurteilten überzeugend aufgezeigt hat, machten dessen bagatellisierende Angaben eher den Eindruck eines zweckgeleiteten Verhaltens, nicht einer echten Auseinandersetzung mit den Straftaten und ihren Ursachen. Vor diesem Hintergrund ist der bloßen Teilnahme am Aussteigerprogramm des niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport kein für die Prognose maßgebliches Gewicht beizumessen.
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- Dass der Verurteilte das äußere Tatgeschehen inzwischen - anders als in der Hauptverhandlung - eingeräumt hat, stellt insofern kein wesentliches Indiz für eine künftige Straffreiheit dar, als er zugleich erklärt hat, dass er die Ver- öffentlichung der Bilder für nicht strafbar halte. Zudem lassen sich seine Angaben , er lehne bereits seit seiner Kindheit Gewalt ab, nicht mit der - der Verurteilung zugrundeliegenden - befürwortenden Veröffentlichung einer Collage vereinbaren , die zur Tötung von Menschen im Zusammenhang mit den Vereinigten Staaten von Amerika aufrief.
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- Das Fehlen einer stabilen familiären und beruflichen Entlassungssituation hat das Oberlandesgericht nicht als Ausdruck einer sozial unverträglichen Persönlichkeit gewertet, sondern damit richtigerweise auf den - hier nicht gegebenen - schützenden Faktor des sozialen Empfangsraums abgestellt.
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Annotations
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
- 1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind, - 2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und - 3.
die verurteilte Person einwilligt.
(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn
- 1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder - 2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.
(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.
(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.
(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
- 1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder - 2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b - 3.
(weggefallen)
(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
- 1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen, - 2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1, - 3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3, - 4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder - 5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.
(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.
(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).
(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).