Bundesgerichtshof Beschluss, 20. März 2008 - IX ZR 68/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 25.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, die ein Autohaus betrieb. Deren Betriebsgrundstück war u.a. mit einer erstrangigen Grundschuld in Höhe von 3,6 Mio. DM zugunsten der I. AG und einer nachrangigen Grundschuld in Höhe von 200.000 DM zugunsten der Rechtsvorgängerin der Beklagten belastet. Der Kläger führte den Betrieb der Schuldnerin fort und veräußerte das Grundstück einschließlich Inventar im Jahre 2004 unter dem Vorbehalt der Löschung der Grundschulden zu einem Kaufpreis von 470.000 €. Er forderte die Beklagte zur Abgabe der Löschungsbewilligung auf, welche diese an die Zahlung von 40.000 € knüpfte. Im März 2004 bewilligte die Beklagte die Löschung gegen Zahlung von 25.000 €. Der Kläger behielt sich die Rückforderung des Betrages vor. Die Vorinstanzen haben der Rückforderungsklage stattgegeben.
II.
- 2
- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
- 3
- 1. Das Berufungsgericht ist im Anschluss an die Feststellungen des Landgerichts ohne Gehörsverstoß davon ausgegangen, dass sich der Wert des Betriebsgrundstücks am 8. März 2004 auf 526.000 € belaufen hat und die erstrangige Grundschuld am 31. März 2004 mit 1.638.961,07 € valutiert war. Soweit die Beklagte geltend macht, sie habe den vom Berufungsgericht angenommenen Wert des Grundstücks in erster Instanz als deutlich zu niedrig bestritten und sich mit der Berufungsbegründung darauf bezogen, ist dies unbehelflich. Allein mit der pauschalen Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Bestreiten hat die Beklagte, was nach § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO erforderlich gewesen wäre, keine konkreten Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts hätten begründen können.
- 4
- 2. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Verfügungen des Insolvenzverwalters unwirksam, welche dem Insolvenzzweck der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (vgl. § 1 Satz 1 InsO) offenbar zuwi- derlaufen, bei denen der Verstoß also für einen verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich ist. Wirksam sind dagegen Verfügungen des Insolvenzverwalters , die nur unzweckmäßig oder sogar unrichtig sind (BGHZ 150, 353, 360 f; BGH, Urt. v. 13. Januar 1983 - III ZR 88/81, ZIP 1983, 589, 590; v. 28. Oktober 1993 - IX ZR 21/93, ZIP 1993, 1886, 1891, in BGHZ 124, 27 ff nicht abgedruckt). In diese Rechtsprechung fügen sich die Urteile der Vorinstanzen ein.
- 5
- a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die noch zur Konkursordnung entwickelten Grundsätze fänden auch im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung Anwendung, wird von der Beklagten nicht im Grundsätzlichen in Frage gestellt. Von einer Fortführung der Rechtsprechung ist auch der Senat bisher ausgegangen (vgl. BGHZ 154, 190, 194; 165, 283, 289; BGH, Urt. v. 25. Oktober 2007 - IX ZR 217/06, WM 2007, 2246, 2251, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ). Einer Klarstellung hierzu bedarf es nicht.
- 6
- b) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen besteht kein Zweifel , dass der von der Beklagten eingeforderte Betrag, bei dem es sich nicht um die Erstattung der von der Beklagten verauslagten Löschungskosten handelt (vgl. die vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Anlagen B 18, 20 und 24), in Erfüllung einer offensichtlich insolvenzzweckwidrigen und deshalb nichtigen Vereinbarung gezahlt worden ist. Er kann deshalb nach Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB) von dem Leistungsempfänger zurückgefordert werden. Auch insoweit besteht kein höchstrichterlicher Klärungsbedarf. Die Zahlung erfolgte jedenfalls bei wirtschaftlicher Betrachtung auf die von der Beklagten zur Tabelle angemeldete Insolvenzforderung (§§ 38, 87 InsO) in Höhe von 69.109,26 €. Da deren Absonderungsrecht (§§ 49, 50 InsO) nicht werthaltig war, diente die Verweigerung der Löschungsbewilligung ausschließlich der Durchsetzung der angemeldeten schuldrechtlichen Forderung ohne die Beschränkungen der Insolvenzordnung (vgl. §§ 87 ff InsO). Ein hiermit korrespondierender Vorteil für die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger war mit dem durch die Löschung möglich gemachten freihändigen Verkauf des Betriebsgrundstücks nicht verbunden, weil ein höherer Erlös wegen der wertausschöpfenden Belastung durch die erstrangige Sicherheit nicht zu einem Massezuwachs geführt hat. Die Rechtsfrage, ob eine Vereinbarung, in welcher der Insolvenzverwalter sich zu einer Zahlung als Gegenleistung für die Löschung eines nachrangigen und im Fall der Zwangsversteigerung voraussichtlich wertlosen Grundpfandrechts verpflichtet, schlechthin als insolvenzzweckwidrig zu qualifizieren und deshalb unwirksam ist oder ob es auf das Verhältnis zwischen der Höhe der Zahlung und dem durch die freihändige Veräußerung erzielten Massezuwachs ankommt, stellt sich deshalb nicht.
- 7
- Soweit die Beklagte Feststellungen des Berufungsgerichts zu den subjektiven Voraussetzungen der Unwirksamkeit wegen Insolvenzzweckwidrigkeit vermisst, ist darauf hinzuweisen, dass diese bereits gegeben sind, wenn der Widerspruch zum Insolvenzzweck evident war und sich dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalls ohne weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten, ihm somit der Sache nach zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (BGHZ 150, aaO S. 361; BGH, Urt. v. 25. Oktober 2007 - IX ZR 217/06, aaO S. 2251). Angesichts des Wertes des Betriebsgrundstücks einerseits , wie er sich auch in der Höhe des erzielten Kaufpreises manifestiert hat, und der vorgehenden Lasten andererseits ist die Entscheidung des Tatrichters auch in dieser Hinsicht beanstandungsfrei.
- 8
- 3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO).
Kayser Cierniak
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 31.08.2005 - 302 O 288/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 10.03.2006 - 11 U 224/05 -
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(1) Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht, ein durch Pfändung erlangtes Pfandrecht oder ein gesetzliches Pfandrecht haben, sind nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 für Hauptforderung, Zinsen und Kosten zur abgesonderten Befriedigung aus dem Pfandgegenstand berechtigt.
(2) Das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters oder Verpächters kann im Insolvenzverfahren wegen der Miete oder Pacht für eine frühere Zeit als die letzten zwölf Monate vor der Eröffnung des Verfahrens sowie wegen der Entschädigung, die infolge einer Kündigung des Insolvenzverwalters zu zahlen ist, nicht geltend gemacht werden. Das Pfandrecht des Verpächters eines landwirtschaftlichen Grundstücks unterliegt wegen der Pacht nicht dieser Beschränkung.
Die Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).
Die Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen.
Gläubiger, denen ein Recht auf Befriedigung aus Gegenständen zusteht, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen (unbewegliche Gegenstände), sind nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zur abgesonderten Befriedigung berechtigt.
(1) Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht, ein durch Pfändung erlangtes Pfandrecht oder ein gesetzliches Pfandrecht haben, sind nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 für Hauptforderung, Zinsen und Kosten zur abgesonderten Befriedigung aus dem Pfandgegenstand berechtigt.
(2) Das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters oder Verpächters kann im Insolvenzverfahren wegen der Miete oder Pacht für eine frühere Zeit als die letzten zwölf Monate vor der Eröffnung des Verfahrens sowie wegen der Entschädigung, die infolge einer Kündigung des Insolvenzverwalters zu zahlen ist, nicht geltend gemacht werden. Das Pfandrecht des Verpächters eines landwirtschaftlichen Grundstücks unterliegt wegen der Pacht nicht dieser Beschränkung.