Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Feb. 2012 - IX ZR 48/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Streitwert wird auf 71.857,62 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
- 2
- 1. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach die Vorsatzanfechtung (§ 133 Abs. 1 InsO) bereits daran scheitert, dass der Schuldner nicht mit einem Benachteiligungsvorsatz gehandelt habe und seine Zahlungsunfähigkeit von den Beklagten nicht erkannt worden sei, sind durchgreifend rechtsfehlerhaft. Vielmehr ist den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts der Vorzug zu geben. Die von dem Kläger insoweit geltend gemachten Zulassungsgründe sind jedoch nicht entscheidungserheblich.
- 3
- 2. Die Klageabweisung wird nämlich durch die Erwägung des Berufungsgerichts getragen, die Beklagten hätten den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners deshalb nicht erkannt (§ 133 Abs.1 Satz 1 und 2 InsO), weil sie von einer vollen dinglichen Sicherung ihrer Forderungen ausgegangen seien. Diese rechtliche Würdigung kann nicht beanstandet werden.
- 4
- a) Die Vorsatzanfechtung setzt gemäß § 133 Abs. 1 InsO voraus, dass der andere Teil, das heißt der Anfechtungsgegner, zur Zeit der Handlung (§ 140 InsO) den Vorsatz des Schuldners kannte. Der Anfechtungsgegner muss mithin gewusst haben, dass die Rechtshandlung des Schuldners dessen Gläubiger benachteiligt und dass der Schuldner dies auch wollte (BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - IX ZR 272/02, WM 2003, 1923, 1925; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 133 Rn. 21; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 133 Rn. 19; HmbKomm-InsO/ Rogge, 3. Aufl. § 133 Rn. 20). Sofern der Anfechtungsgegner auf der Grundlage des gegebenen Sachverhalts eine Gläubigerbenachteiligung ausschließen kann, ist ihm der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2009 - IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 Rn. 12).
- 5
- b) Bei dieser Sachlage scheidet auf der Grundlage der unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts eine Kenntnis der Beklagten von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners aus. Danach gingen die Beklagten von einer umfassenden, insolvenzfesten Sicherung ihrer Forderungen aus. Die im Zuge der beiden Zwangsversteigerungsverfahren eingeholten Verkehrswertgutachten gelangten zu Grundstückswerten von - bezogen auf das Jahr 2001 - 227.000 € und von - bezogen auf das Jahr 2005 - 236.000 €. Selbst unter Berücksichtigung eines hälftigen Abschlags im Zwangsversteigerungsverfahren konnten die Beklagten nach Einschätzung des Berufungsgerichts jederzeit von einer vollwertigen Sicherheit ausgehen. Diese tatrichterliche Würdigung ist - zumal der Kläger von jeder näheren Darlegung zum Inhalt der Darlehensverträge abgesehen hat - unter zulassungsrelevanten Aspekten nicht zu beanstanden. Vor diesem Hintergrund kann dahin stehen, ob im Insolvenzverfahren im Unterschied zur Gläubigeranfechtung nicht nur der in der Zwangsversteigerung , sondern der bei einer freihändigen Veräußerung erzielbare Wert zu berücksichtigen ist (MünchKomm-InsO/Kirchhof, InsO, 2. Aufl., § 129 Rn. 152b; HK-InsO/Kreft, InsO, 6. Aufl., § 129 Rn. 56; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 129 Rn. 103a).
- 6
- 3. Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts, dass die Grundschulden die Forderungen beider Beklagter sicherten. Insoweit liegt ein bindendes prozessuales Geständnis des Klägers (§ 288 Abs. 1 ZPO) vor.
- 7
- a) Grundsätzlich wird durch die Stellung der Anträge und anschließendes Verhandeln der gesamte, bis zum Termin angefallene Akteninhalt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2004 - V ZR 104/03, BGHZ 158, 295, 309; vom 19. Januar 2012 - IX ZR 2/11, WM 2012, 326 Rn. 24). Die in der Antragstellung liegende stillschweigende Bezugnahme erstreckt die Geständniswirkung des § 288 ZPO auf das gesamte Parteivorbringen (BGH, Urteil vom 18. Juni 2007 - II ZR 89/06, NJW-RR 2007, 1563 Rn. 16; Urteil vom 19. Januar 2012 - IX ZR 2/11, aaO).
- 8
- b) Der Kläger hat in der Klageschrift ausdrücklich vorgetragen, dass zwei Grundschulden "zu Gunsten der Beklagten bestellt" wurden. Diesem ihnen günstigen Vorbringen haben sich die Beklagten in der Klageerwiderung ausdrücklich angeschlossen. Durch die wechselseitige Antragstellung im Termin vom 8. März 2010 hat diese Darstellung Geständniswirkung (§ 288 ZPO) er- langt. Da es an den Voraussetzungen des § 290 ZPO fehlt, konnte sich der Beklagte im Berufungsrechtszug nicht auf die neue Erkenntnis berufen, dass die Grundschulden ausschließlich zu Gunsten der Beklagten zu 1 bestellt worden seien.
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 14.07.2010 - 21 O 175/09 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 30.03.2011 - 9 U 130/10 -
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Annotations
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.
(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.
(1) Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten.
(2) Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen erforderlich, so gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. Ist der Antrag auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf die Rechtsänderung gestellt worden, so gilt Satz 1 mit der Maßgabe, daß dieser Antrag an die Stelle des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung tritt.
(3) Bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung bleibt der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht.
(1) Die von einer Partei behaupteten Tatsachen bedürfen insoweit keines Beweises, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum Protokoll eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind.
(2) Zur Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses ist dessen Annahme nicht erforderlich.
Der Widerruf hat auf die Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses nur dann Einfluss, wenn die widerrufende Partei beweist, dass das Geständnis der Wahrheit nicht entspreche und durch einen Irrtum veranlasst sei. In diesem Fall verliert das Geständnis seine Wirksamkeit.