Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2011 - IX ZR 32/10

published on 20/01/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2011 - IX ZR 32/10
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Previous court decisions
Landgericht Bremen, 2 O 1837/05, 25/09/2008
Landgericht Bremen, 3 U 43/08, 25/01/2010

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 32/10
vom
20. Januar 2011
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richterin
Möhring
am 20. Januar 2011

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 25. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 812.940,53 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf.
2
1. Die geltend gemachten Verstöße gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegen nicht vor.
3
a) Den als übergangen gerügten Vortrag des Klägers, wonach das Gesellschafterdarlehen über 15 Millionen Euro nicht insgesamt im April 2003, sondern in mehreren Teilbeträgen bis zum 6. Juni 2003 an die Schuldnerin ausbezahlt worden ist, hat das Berufungsgericht ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils zur Kenntnis genommen. In den Entscheidungsgründen hat es das Berufungsgericht im Blick auf die Frage der Zahlungsunfähigkeit ausdrücklich als unerheblich erachtet, dass das Darlehen nicht in einem Betrag, sondern nach Anforderung der Schuldnerin in mehreren Teilbeträgen ausbezahlt wurde.
4
Bei dieser Sachlage ist den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG genügt. Das Prozessgrundrecht gibt keinen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit Vorbringen einer Partei in der Weise auseinander setzt, die sie selbst für richtig hält. Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt auch keine Pflicht der Gerichte, der von der Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (BGH, Beschl. v. 21. Februar 2008 - IX ZR 62/07, DStRE 2009, 328 Rn. 5). Davon abgesehen ist ungeachtet des Zeitpunkts der tatsächlichen Auszahlung ein sofort abrufbarer Kredit - wie er nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hier vorlag - bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit als Zahlungsmittel zu berücksichtigen (Uhlenbruck , InsO 13. Aufl. § 17 Rn. 9; Jaeger/Müller, InsO § 17 Rn. 16; HmbKomm-InsO/Schröder 3. Aufl. § 17 Rn. 14).
5
b) Der Vortrag des Klägers, wonach die Schuldnerin ab März 2003 in erheblichem Maße Lieferanten- und Dienstleistungsforderungen nicht beglichen habe, war auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Dieses hat mit Hilfe der erstellten Liquiditätsbilanz eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ausgeschlossen. Angesichts dieser Feststellungen sind etwaige Indizien, die - wie Zahlungsrückstände gegenüber besonders bedeutsamen Gläubigern - den Schluss auf eine Zahlungsunfähigkeit nahe legen können, ohne Bedeutung.
6
c) Der Kläger kann mit seiner Rüge, nach dem Inhalt seines Sachvortrags habe der Schuldnerin keine offene Kreditlinie von 7.899.000 € gegenüber der B. zugestanden, nicht gehört werden. Das Berufungsge- richt hat das Vorbringen des Klägers ersichtlich zur Kenntnis genommen, ist aber ohne Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG zu einer abweichenden tatsächlichen Würdigung gelangt. Soweit in diesem Zusammenhang von dem Berufungsgericht außerdem tatbestandliche Feststellungen (§ 314 ZPO) zugrunde gelegt werden, können sie nur mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag, aber nicht mit einer Revisionsrüge angegriffen werden (BGH, Urt. v. 10. Dezember 2009 - IX ZR 206/08, WM 2010, 136 Rn. 11).
7
d) Ohne Erfolg beanstandet der Kläger, das Berufungsgericht habe die Klage nicht unter dem Gesichtspunkt des § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO geprüft. Ausweislich der tatbestandlichen Feststellungen war Gegenstand des Berufungsverfahrens ausschließlich ein Anspruch aus § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Mangels eines Tatbestandsberichtigungsantrages sind auch diese Feststellungen bindend (BGH, aaO).
8
2. Vergeblich rügt die Beschwerde eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG, soweit das Berufungsgericht davon ausgeht, dass die Schuldnerin über das Gesellschafterdarlehen von 15 Millionen Euro frei verfügen durfte.
9
Für die Annahme von Willkür reicht eine nur fragwürdige oder sogar fehlerhafte Rechtsanwendung nicht aus, selbst ein offensichtlicher Rechtsfehler genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die fehlerhafte Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht; die Rechtslage muss mithin in krasser Weise verkannt sein (BVerfGE 89, 1, 14; 96, 189, 203; BGHZ 154, 288, 299 f; BGH, Beschl. v. 21. Januar 2010 - IX ZB 59/09, juris Rn. 2). Davon kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht - wie hier - mit der Rechtslage auseinander setzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (BVerfGE 87, 273, 278 f; 89, 1, 13 f; 96, 189, 203; BGH, Beschl. v. 6. Mai 2010 - IX ZB 234/07, juris Rn. 4 m.w.N.).
10
3. Soweit das Berufungsgericht eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin im Blick auf die gegen ihre Gesellschafterin gegebene Darlehensforderung abgelehnt hat, ist eine Divergenz (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht gegeben.
11
Hier fehlt es bereits an der gebotenen Darlegung, inwieweit die angeblich divergierenden entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssätze aus einer Vorentscheidung und aus der angefochtenen Entscheidung nicht übereinstimmen (BGHZ 152, 182, 186). Ob eine Zahlungsunfähigkeit besteht, ist in Übereinstimmung mit der Verfahrensweise des Berufungsgerichts auch im Anfechtungsprozess vornehmlich mit Hilfe einer Liquiditätsbilanz festzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, WM 2006, 2312 Rn. 28). Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass Berufungsgericht bereits wegen des der Schuldnerin von ihrer Gesellschafterin eingeräumten Kredits eine Zahlungsun- fähigkeit abgelehnt hat, weil sofort abrufbare Kredite den verfügbaren Zahlungsmitteln des Schuldners zuzurechnen sind (Uhlenbruck, aaO; Jaeger/ Müller, aaO; HmbKomm-InsO/Schröder, aaO).
Kayser Raebel Gehrlein
Grupp Möhring

Vorinstanzen:
LG Bremen, Entscheidung vom 25.09.2008 - 2 O 1837/05 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 25.01.2010 - 3 U 43/08 -
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge
6 Referenzen - Urteile

moreResultsText

{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 10/12/2009 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 206/08 Verkündet am: 10. Dezember 2009 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 259 Abs. 3 A
published on 21/02/2008 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 62/07 vom 21. Februar 2008 in dem Rechtsstreit Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser und Prof. Dr. Gehrlein
published on 21/01/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 59/09 vom 21. Januar 2010 in dem Insolvenzverfahren Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter Raebel und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pap
published on 06/05/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 234/07 vom 6. Mai 2010 in dem Restschuldbefreiungsverfahren Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp am 6.
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.
published on 15/11/2018 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 81/18 vom 15. November 2018 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2018:151118BIXZR81.18.0 Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, P
published on 26/01/2016 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 394/13 Verkündet am: 26. Januar 2016 Stoll Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.

(2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,

1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,
2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder
3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.

(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.