Bundesgerichtshof Beschluss, 12. März 2002 - IX ZR 220/01
published on 12/03/2002 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 12. März 2002 - IX ZR 220/01
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Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZR 220/01
vom
12. März 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO § 233 Fd
Zur Art der erforderlichen Kontrollmaßnahmen für den Fall, daß der Sendebericht
über ein Faxschreiben mit fristgebundenem Inhalt keine Empfängerkennung
ausweist.
BGH, Beschluß vom 12. März 2002 - IX ZR 220/01 - OLG München
LG München I
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft und die Richter Stodolkowitz, Dr. Ganter, Raebel und Kayser
am 12. März 2002
beschlossen:
Der Klägerin wird wegen der Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Gründe:
I.
Die Klägerin hat gegen das ihre Berufung zurückweisende, ihrem Prozeûbevollmächtigten am 26. Juni 2001 zugestellte Urteil des Oberlandesgerichts München durch einen an das Bayerische Oberste Landesgericht adressierten Telefax-Schriftsatz vom 26. Juli 2001 Revision eingelegt. Dieser Schriftsatz ging am selben Tage beim Oberlandesgericht München ein und gelangte von dort erst am 27. Juli 2001 an das Bayerische Oberste Landesgericht. Zur Begründung des am 9. August 2001 bei diesem Gericht eingegangenen Wiedereinsetzungsantrags hat die Klägerin unter Glaubhaftmachung durch anwaltliche Versicherung ihres Prozeûbevollmächtigten und eidesstattliche Versicherung seiner Sekretärin, Frau L., vorgetragen:
Frau L., die seit dem 1. Juni 1999 bei dem Prozeûbevollmächtigten beschäftigt sei, habe am 26. Juli 2001 bei der Ausführung des Auftrags, die in der
Revisionsschrift bereits eingetragene Anschrift "Bayerisches Oberstes Landesgericht" um die Telefax-Nummer dieses Gerichts zu ergänzen, dem Telefonbuch für München die Nummer des Oberlandesgerichts entnommen, diese sodann in die Textdatei eingetragen und den Schriftsatz erneut ausgedruckt. Anschlieûend habe sie die nunmehr auf dem Schriftsatz befindliche TelefaxNummer aufgrund der ihr allgemein erteilten Weisung nochmals mit der im Telefonbuch angegebenen Nummer verglichen, dabei aber wiederum die Nummer des Oberlandesgerichts herausgesucht. Sodann habe sie das Schriftstück dem Prozeûbevollmächtigten zur Unterzeichnung vorgelegt; dieser habe bei der Unterschriftsleistung anhand der ersten Ziffern der Telefax-Nummer erkannt, daû es sich um eine Nummer der Münchener Justizbehörden gehandelt habe, und sich damit zufriedengegeben. Bevor Frau L. am Nachmittag das Faxschreiben abgesandt habe, habe sie sich anhand des Displays vergewissert , daû die eingegebene Nummer mit der auf der Revisionsschrift und dem Telefax-Deckblatt befindlichen übereingestimmt habe. Anhand des um 17.43 Uhr erstellten Sendeberichts habe sich Frau L. aufgrund der darin enthaltenen Mitteilung "OK" und der angegebenen Zahl der übertragenen Seiten davon überzeugt, daû das Telefax vollständig übermittelt worden war. Zu der Verwechslung des Bayerischen Obersten Landesgerichts mit dem Oberlandesgericht München sei es gekommen, obwohl Frau L. gewuût habe, daû es sich dabei um zwei verschiedene Gerichte handle und daû in Bayern Revisionen beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingelegt werden müûten. Über diese bayerische Besonderheit habe der Prozeûbevollmächtigte sie bereits im September 1999 anläûlich einer damals zu bearbeitenden Revision belehrt.
II.
Der Klägerin ist gemäû § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Frist zur Einlegung der Revision ist nicht infolge eines ihr zuzurechnenden Verschuldens versäumt worden.
1. Es gehört nicht zu der persönlichen, auf Büropersonal nicht übertragbaren Verantwortung eines Rechtsanwalts, bei der Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes durch Telefax die Auswahl der richtigen Empfängernummer zu überprüfen. Er muû jedoch für eine Büroorganisation sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten Schriftsätze (auch) auf die Verwendung einer zutreffenden Empfängernummer gewährleistet (BGH, Beschl. v. 20. Dezember 1999 - II ZB 7/99, NJW 2000, 1043). Dies geschieht in der Regel durch die Anweisung an das Büropersonal, den Sendebericht unter anderem auch auf die richtige Empfängernummer zu kontrollieren. Ob es dabei genügt, die im Sendebericht ausgedruckte Empfängernummer mit der bei der Absendung eingegebenen Nummer zu vergleichen, oder ob in der Regel nochmals eine Abgleichung mit der Quelle vorgenommen werden muû, der die Nummer vor der Absendung des Telefax-Schreibens entnommen worden war (so offenbar BAG NJW 1995, 2742, 2743 = BAGE 79, 379; vgl. dazu Müller NJW 2000, 322, 334), ist hier nicht zu entscheiden. In dem über das Telefax vom 26. Juli 2001 ausgedruckten Sendebericht, den die Klägerin vorgelegt hat, fehlt in der Rubrik "Adresse" jede Angabe; dem Sendebericht läût sich also weder die Telefax-Nummer noch der Name des Empfängers entnehmen. Dieses Fehlen der Empfängerkennung beruht auf der Einstellung des Empfängerfaxgeräts , also des beim Oberlandesgericht München aufgestellten Geräts, dessen Nummer die Büroangestellte des Prozeûbevollmächtigten der Klägerin
eingegeben hatte. Eine solche Einstellung ist ungewöhnlich und sollte von einem Gericht eines Ortes, der über eine Vielzahl von Gerichten verfügt, nicht erwartet werden. Jedenfalls war eine Kontrolle der Empfängernummer anhand des Sendeberichts im vorliegenden Fall nicht möglich.
Der Prozeûbevollmächtigte war unter den hier gegebenen Umständen nicht gehalten, für den Fall eines solchen Fehlens der Empfängerkennung im Sendebericht die Anweisung zu geben, die eingegebene - und auf dem Schriftsatz befindliche - Telefax-Nummer nochmals mit der Quelle, der sie entnommen worden war, zu vergleichen. Eine solche Kontrolle hatte hier bereits nach Ausdruck des mit der Telefax-Nummer versehenen Schriftsatzes stattgefunden. Eine nochmalige Wiederholung für den Fall zu verlangen, daû der Sendebericht über den Empfänger keine Auskunft gab, wäre übertrieben und zur Behebung des hier unterlaufenen Fehlers auch nicht geeignet gewesen. Die abschlieûende Kontrolle der eingegebenen Telefax-Nummer dient insbesondere der Beseitigung von Fehlern, die dadurch entstehen, daû der die Nummer im dafür vorhandenen Verzeichnis Ablesende dabei in eine falsche Zeile gerät. Eine Verwechslung des Gerichts, wie sie hier unterlaufen ist, läût sich durch einen dritten Vergleich mit der Fundstelle der Nummer schwerlich vermeiden.
2. Dem Prozeûbevollmächtigten der Klägerin ist auch keine andere Sorgfaltspflichtverletzung zur Last zu legen.
a) Ob zu verlangen ist, daû bei Fehlen der Empfängerkennung im Sendebericht die Übermittlung vorsorglich wiederholt wird, mag offenbleiben. Eine solche Maûnahme hätte im vorliegenden Fall aus den oben genannten Gründen nichts genützt.
b) Eine allgemeine Anweisung, bei Fehlen einer Empfängerangabe im Sendebericht durch Rückruf zu klären, ob der Schriftsatz beim richtigen Gericht eingegangen ist, würde bedeuten, daû ein fristwahrender Schriftsatz am letzten Tag der Frist durch Telefax rechtzeitig vor Dienstschluû abgesandt werden müûte. Das würde den zeitlichen Spielraum für die fristwahrende Übermittlung eines Schriftsatzes auf diesem Wege zu sehr einengen. Mit der rechtzeitigen Übergabe des ordnungsgemäû adressierten Schriftsatzes an eine bis dahin zuverlässige Büroangestellte hat der Prozeûbevollmächtigte, der im übrigen organisatorisch für die nötigen Kontrollmaûnahmen gesorgt hat, den an ihn selbst zu stellenden Anforderungen im Regelfall genügt (BVerwG NJW 1988, 2814; BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1996 - XII ZB 140/96, NJW-RR 1997, 250).
c) Die an den Prozeûbevollmächtigten zu stellenden Sorgfaltsanforderungen waren hier nicht deswegen erhöht, weil sich die ursprüngliche TelefaxNummer bereits auf dem Revisionsschriftsatz befand, als er diesen unterzeichnete (vgl. BGH, Beschl. v. 23. März 1995 - VII ZB 19/94, NJW 1995, 2105, 2106). Dem Prozeûbevollmächtigten der Klägerin brauchte auch nicht auf den ersten Blick aufzufallen, daû die Nummer nicht stimmen konnte. Die TelefaxNummer des Oberlandesgerichts München beginnt, wie dem amtlichen Tele-
fonbuch zu entnehmen ist, ebenso wie diejenige des Bayerischen Obersten Landesgerichts mit den Ziffern "55 97" (anders offenbar in früherer Zeit: vgl. BGH, Beschl. v. 26. Mai 1994 - III ZB 35/93, NJW 1994, 2300).
Kreft Stodolkowitz Ganter
Raebel Kayser
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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder
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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.