Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2007 - IX ZR 207/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Beschwerdegegenstand wird auf 377.155,32 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- zulässige, Die insbesondere statthafte Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger unter dem Gesichtspunkt einer Missachtung der richterlichen Hinweispflicht (§ 139 ZPO) auf eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einem möglicherweise verspätet erteilten Hinweis des Berufungsgerichts, weil der Kläger infolge des eingehenden, von ihm richtig erfassten Beklagtenvortrags zutreffend über die Sach- und Rechtslage unterrichtet war.
- 2
- 1. Ein gerichtlicher Hinweis ist entbehrlich, wenn die Partei von der Gegenseite die gebotene Unterrichtung erhalten hat (BGH, Urt. v. 22. November 2006 - VIII ZR 72/06, WM 2007, 984, 986 Tz. 19; v. 24. September 1987 - III ZR 188/86, NJW 1988, 696 f; v. 2. Oktober 1979 - VI ZR 245/78, NJW 1980, 223 f).
- 3
- 2. a) Bereits erstinstanzlich hat der Beklagte in Übereinstimmung mit der späteren rechtlichen Würdigung des Berufungsgerichts geltend gemacht, dass die Dauerfolgen weder innerhalb der Frist von 15 Monaten ärztlich festgestellt noch tatsächlich eingetreten seien. In seiner Berufungsbegründung hat er die Schlüssigkeit der Klage beanstandet und abermals vorgetragen, dass es nicht auf die Frage der fristgerechten Anmeldung ankomme, weil für einen Dauerschaden keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte bestanden hätten und eine entsprechende ärztliche Feststellung nicht habe herbeigeführt werden können. Eine auf den Unfall rückführbare Invalidität habe nicht vorgelegen oder sei zumindest (noch) nicht feststellbar gewesen. Dieses Vorbringen hat der Beklagte durch Schriftsatz vom 18. April 2005, also ein halbes Jahr vor der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2005, mit dem Bemerken vertieft, der Kläger wolle trotz des ausführlichen Berufungsvortrags die Rüge der Unschlüssigkeit der Klage "einfach nicht zur Kenntnis nehmen".
- 4
- b) Der Kläger hat - wie seine schriftsätzlichen Äußerungen belegen - dieses Vorbringen richtig verstanden. Auf die Berufungsbegründung hat er erwidert , es komme entscheidend auf die Versäumung der 15-Monatsfrist und die Tatsache an, dass innerhalb der Frist die bei dem Kläger bereits vorliegende Invalidität nicht festgestellt worden sei. Dieses Verständnis entspricht - aus der Warte des darlegungs- und beweispflichtigen Klägers formuliert - exakt der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, wonach eine dauerhafte Funktions- beeinträchtigung innerhalb der 15-Monatsfrist ärztlich feststellbar sein muss. Angesichts dieser eindeutigen Sachlage war ein zusätzlicher gerichtlicher Hinweis nicht geboten.
- 5
- 3. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG auch deshalb ausscheidet, weil der Kläger auf den verspäteten Hinweis des Berufungsgerichts nicht reagiert und es versäumt hat, in der mündlichen Verhandlung Vertagung oder einen Schriftsatznachlass zu beantragen oder zumindest innerhalb der Spruchfrist einen Schriftsatz nachzureichen.
Gehrlein Vill
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.10.2004 - 1 O 648/03 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.11.2005 - I-4 U 218/04 -
moreResultsText
Annotations
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.