Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juni 2015 - IX ZR 156/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die nach § 321a ZPO zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dieser Verpflichtung ist der Senat nachgekommen. Er hat in der Beratung am 12. Februar 2015 den von der Anhörungsrüge umfassten Vortrag der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers in vollem Umfang darauf geprüft, ob sich aus ihm die Zulässigkeit des Rechtsmittels ergibt. Er hat unter diesem Gesichtspunkt dieAusführungen sämtlich für nicht durchgreifend erachtet und hat seinen die Beschwerde verwerfenden Beschluss begründet. Insbesondere hat der Senat seiner Entscheidung auch den Vortrag des Klägers zugrunde gelegt, das Berufungsgericht habe in der Verhandlung geäußert, eine endgültige Entscheidung bedürfe weiterer Aufklärung des Sachverhalts, doch hat der Senat aus diesem zur Kenntnis genommenen Vortrag rechtlich andere Schlüsse gezogen als der Kläger, indem er diesen darauf verwiesen hat, er habe dennoch mit einer Endentscheidung rechnen müssen, nachdem das Berufungsgericht einen "Termin zur Verkün- dung einer Entscheidung" anberaumt hat. Es mag sein, dass das Berufungsgericht nicht ohne Erteilung eines weiteren Hinweises von seiner einmal geäußerten Rechtsansicht hätte abweichen dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 2011 - X ZB 3/10, BPatGE 52, 296; vom 3. Juli 2014 - IX ZR 285/13, ZInsO 2014, 1679 Rn. 7). Das ändert aber nichts daran, dass es am 22. Juni 2006 ein wirksames Urteil verkündet hat, das der Kläger nicht innerhalb der Fristen des § 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO angefochten hat.
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- Der Senat hat auch den Vortrag des Klägers zu den erfolglosen Sachstandsanfragen des Beklagtenvertreters zur Kenntnis genommen. Der Kläger stellt in der Anhörungsrüge aber nicht in Abrede, dass er selbst sich erstmals am 3. April 2009 darum gekümmert hat, den Inhalt der am 22. Juni 2006 verkündeten Entscheidung in Erfahrung zu bringen, mithin fast drei Jahre nach dem Verkündungstermin. Weiter hat der Senat seiner Entscheidung den Vortrag des Klägers zu seinen weiteren erfolglosen Akteneinsichtsersuchen und Sachstandsanfragen zugrunde gelegt. Er hat nur auch hier andere Schlüsse aus diesem Sachverhalt gezogen als der Kläger. Dieser ist nämlich nicht innerhalb der Fristen des § 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO tätig geworden. Weder hat er beim Richter oder der Geschäftsstelle angerufen, um den Inhalt der Entscheidung zu ermitteln, noch hat er das Gericht aufgesucht und Akteneinsicht genommen noch das Rechtsmittel in Unkenntnis der eingelegten Entscheidung eingelegt. Auch die einfache Bitte um Überlassung der verkündeten Entscheidung innerhalb der genannten Fristen hätte ihm gegebenenfalls die Möglichkeit der Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO eröffnet. Damit hat er nicht alles Zumutbare unternommen, um den Inhalt der verkündeten Entscheidung in Erfahrung zu bringen, weswegen auch sein Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutz nicht verletzt ist.
Pape Möhring
Vorinstanzen:
LG Kassel, Entscheidung vom 30.05.2005 - 5 O 3114/04 -
OLG Frankfurt in Kassel, Entscheidung vom 22.06.2006 - 15 U 132/05 -
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(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn
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ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
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der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.