Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Okt. 2008 - IX ZR 108/06

published on 16/10/2008 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Okt. 2008 - IX ZR 108/06
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Landgericht Saarbrücken, 6 O 371/03, 08/07/2004
Landgericht Saarbrücken, 4 U 443/04, 02/05/2006

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 108/06
vom
16. Oktober 2008
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Prof. Dr. Gehrlein und Vill, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Fischer
am 16. Oktober 2008

beschlossen:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 2. Mai 2006 zugelassen.
Das genannte Urteil wird aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsinstanz , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Verfahren vor dem Senat wird auf 244.755 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Klägerin begehrt von der Verwalterin in dem am 20. Februar 2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners die Auskehr vereinnahmter Mieten und die Mitteilung an den Mieter, dass die Mieten fortan an die Klägerin zu zahlen sind.

2
Nach den erstinstanzlichen Behauptungen der Klägerin hatte der Insolvenzschuldner das Inventar der Wohnanlage "Haus K. " vor längerer Zeit angekauft und an die C. GmbH vermietet für monatlich 4.532,50 €. Diese Mietansprüche habe der Insolvenzschuldner mit Vertrag vom 31. März 2002 an die Klägerin abgetreten. Die C. GmbH zahlt die Miete seit Juli 2003 an die Insolvenzverwalterin, nachdem sie diese dazu aufgefordert hatte.
3
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz trug die Beklagte mit Schriftsatz vom 14. Februar 2006 erstmals vor, dass ausweislich des Mietvertrages das Mobiliar an das "Haus K. " vermietet und auch nur Ansprüche gegen das "Haus K. " abgetreten seien. Von Ansprüchen gegen die C. GmbH sei in den Unterlagen nicht die Rede. Das sei bislang bedauerlicherweise nicht aufgefallen.
4
Daraufhin trug die Klägerin mit Schriftsatz vom 7. März 2006 zu der Rechtsnachfolge auf Seiten der Mieterin vor. Im Termin zur mündlichen Verhandlung bestritt die Beklagte dieses Vorbringen.
5
Das Berufungsgericht hat dem Rechtsmittel stattgegeben und die Klage abgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen.

II.


6
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie führt zur Zu- lassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) sowie zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 544 Abs. 7 ZPO).
7
1. Die Beklagte hatte im ersten Rechtszug gemäß § 288 ZPO zugestanden , dass der Insolvenzschuldner den Mietvertrag mit der C. GmbH geschlossen und den Anspruch auf Mietzins gegen diese an die Klägerin abgetreten hat. Die Beklagte hatte diesen Teil des Sachvortrags zunächst in der Klageerwiderung - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht bestritten. Im Schriftsatz vom 28. Mai 2004 hat sie sodann selbst vorgetragen, dass der Klägerin durch den Überlassungsvertrag vom 31. März 2002 "die streitgegenständlichen Mietzinsansprüche" abgetreten worden seien. Die Klägerin habe neun Monate - bis zu dem Zeitpunkt, ab dem die Miete in die Masse geflossen sei - die Miete vereinnahmt.
8
Nach § 288 ZPO bedurften die genannten Behauptungen der Klägerin keines Beweises. Gegenstand eines Geständnisses können Tatsachen sein, auch juristisch eingekleidete Tatsachen (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2005 - III ZR 367/04, NJW-RR 2006, 281, 282; vom 18. Juni 2007 - II ZR 89/06, WM 2007, 1662, 1664 Rn. 16). Hierzu ist der genannte erstinstanzliche Vortrag der Klägerin zu rechnen, dass der Insolvenzschuldner den Mietvertrag mit der C. GmbH geschlossen und den Anspruch auf Mietzins gegen diesen an die Klägerin abgetreten habe. Die Beklagte hatte sich diesen Vortrag zu Eigen gemacht. Über diesen übereinstimmenden Vortrag haben die Parteien am 17. Juni 2004 durch stillschweigende Bezugnahme auf ihre vorbereitenden Schriftsätze mündlich verhandelt. Dies genügt, um die Geständniswirkung herbeizuführen (BGH aaO).
9
Das Geständnis konnte von der Beklagten nur nach Maßgabe des § 290 ZPO widerrufen werden. Ein solcher Widerruf ist nicht erfolgt. Wollte man einen Widerruf in dem erstmaligen Bestreiten dieses Sachverhalts im Schriftsatz der Beklagten vom 14. Februar 2006 in der Berufungsinstanz sehen, fehlte es jedenfalls an der Darlegung und dem Beweis dafür, dass das Geständnis falsch war. Der Verweis auf die Urkunden (Mietvertrag, Übertragungsvertrag) war hierfür unzureichend, da ein Übergang der Verpflichtung auf die C. GmbH möglich erscheint, zumal diese und nicht eine andere Person auch tatsächlich Miete gezahlt hat. Demgemäß kommt eine Auslegung des Übertragungsvertrages in Betracht, dass bei der Abtretung die Ansprüche gegen die C. GmbH gemeint waren.
10
Das erstmalige Bestreiten der Beklagten im Schriftsatz vom 14. Februar 2006 hätte im Übrigen nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zugelassen werden dürfen, weil das Bestreiten aus (eingeräumter) Nachlässigkeit nicht schon in der ersten Instanz erfolgt war. Die fehlerhafte Zulassung neuen Verteidigungsvorbringens kann zwar nicht mit der Revision geltend gemacht werden (BGH, Urteil vom 27. Februar 2007 - XI ZR 56/06, ZIP 2007, 718, 719 f. Rn. 19 m.w.N.). Der daraufhin erfolgte Sachvortrag der Klägerin durfte daraufhin jedoch nicht als verspätet zurückgewiesen werden, weder nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO noch nach § 525 Satz 1, § 282 Abs. 1, § 296 Abs. 2 ZPO.
11
Berufungsgericht Das hätte jedenfalls von den zugestandenen Tatsachen ausgehen müssen.
12
2. Das Berufungsurteil beruht auf dieser Gehörsverletzung. Hätte es die zugestandenen Tatsachen seiner Entscheidung zugrunde gelegt, hätte es die Klage nicht wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin abweisen können.
Ganter Gehrlein Vill
Lohmann Fischer

Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 08.07.2004 - 6 O 371/03 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 02.05.2006 - 4 U 443/04-123- -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebrac
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebrac
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Annotations

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Die von einer Partei behaupteten Tatsachen bedürfen insoweit keines Beweises, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum Protokoll eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind.

(2) Zur Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses ist dessen Annahme nicht erforderlich.

Der Widerruf hat auf die Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses nur dann Einfluss, wenn die widerrufende Partei beweist, dass das Geständnis der Wahrheit nicht entspreche und durch einen Irrtum veranlasst sei. In diesem Fall verliert das Geständnis seine Wirksamkeit.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

Auf das weitere Verfahren sind die im ersten Rechtszuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben. Einer Güteverhandlung bedarf es nicht.

(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht.

(2) Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, sind vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag.

(3) Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, hat der Beklagte gleichzeitig und vor seiner Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen. Ist ihm vor der mündlichen Verhandlung eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt, so hat er die Rügen schon innerhalb der Frist geltend zu machen.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.

(2) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.

(3) Verspätete Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die der Beklagte verzichten kann, sind nur zuzulassen, wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 3 ist der Entschuldigungsgrund auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.