Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Feb. 2015 - IX ZB 34/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 115.237,55 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Der weitere Beteiligte ist Verwalter in dem am 15. Juli 1999 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH (fortan: Schuldnerin). Mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 erstattete er den Schlussbericht und beantragte die Festsetzung seiner Vergütung mit Zuschlägen in Höhe des 9-fachen Satzes der Regelvergütung. Das Insolvenzgericht hat die Vergütung auf 645.592,86 € zuzüglich Umsatzsteuer festgesetzt. Es ist von einer Berechnungsgrundlage in Höhe von 2.199.103 € ausgegangen und hat Zuschläge in Höhe des 8-fachen Satzes der Regelvergütung gewährt. Auf die so- fortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht die Vergütung auf 466.258,39 € zuzüglich Umsatzsteuer herabgesetzt. Es hat lediglich Zuschläge in Höhe des 5,5-fachen Satzes der Regelvergütung als berechtigt erachtet und dabei unter anderem einen vom Insolvenzverwalter wegen der langen Verfahrensdauer beantragten Zuschlag in Höhe des 1,35-fachen Regelsatzes abgelehnt. Die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich der weitere Beteiligte gegen die Versagung des beantragten Zuschlags wegen der langen Verfahrensdauer.
II.
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- Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 4, 6 Abs. 1, § 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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- 1. Das Beschwerdegericht hat, soweit noch von Interesse, ausgeführt, eine Anhebung der Vergütung im Hinblick auf die Dauer des Verfahrens sei nicht geboten. Die von dem Insolvenzverwalter in diesem Zusammenhang angeführten Erschwernisse hätten bereits bei den zuvor erörterten, bewilligten Anhebungen Berücksichtigung gefunden. So habe in der vorliegenden Fallgestaltung die Bearbeitung arbeitsrechtlicher Verfahren auch deshalb eine Anhebung der Regelvergütung gerechtfertigt, weil sich diese über eine erhebliche Zeitdauer erstreckt habe. Vergleichbares gelte etwa für die Forderungsprüfung bei 264 Gläubigern und die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten.
- 4
- 2. Demgegenüber rügt die Rechtsbeschwerde, mit der Würdigung des Beschwerdegerichts sei eine Maßstabsverschiebung zu Lasten des Insolvenzverwalters verbunden, die im Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats stehe. Der Insolvenzverwalter habe den beantragten Zuschlag wegen langer Verfahrensdauer nicht nur mit den vom Beschwerdegericht angeführten Umständen , sondern insbesondere auch mit der Fortführung des schuldnerischen Unternehmens und der gelungenen übertragenden Sanierung begründet. Entweder habe das Beschwerdegericht dieses Vorbringen nicht berücksichtigt oder aber es sei davon ausgegangen, dass ein Zuschlag wegen langer Verfahrensdauer schon dann nicht zu gewähren sei, wenn nur einzelne der in § 3 Abs. 1 InsVV genannten, zu einem Zuschlag führenden Tätigkeiten zu der langen Verfahrensdauer beigetragen hätten. Beides sei rechtsfehlerhaft.
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- 3. Mit diesen Rügen dringt die Rechtsbeschwerde nicht durch.
- 6
- a) Ob die Voraussetzungen für einen Zuschlag zur Regelvergütung nach § 3 Abs. 1 InsVV vorliegen und wie hoch dieser zu bemessen ist, muss vom Tatrichter unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall bestimmt werden. Dessen Entscheidung ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats nur darauf zu überprüfen, ob sie die Gefahr der Verschiebung von Maßstäben mit sich bringt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - IX ZB 115/08, ZInsO 2010, 2409 Rn. 8; vom 8. November 2012 - IX ZB 139/10, ZInsO 2012, 2305 Rn. 25; vom 10. Oktober 2013 - IX ZB 169/11, ZInsO 2013, 2288 Rn. 4; jeweils mwN). Diese Gefahr besteht hier nicht.
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- b) Wie der Senat mehrfach entschieden hat, rechtfertigt eine lange Dauer des Verfahrens für sich allein keinen gesonderten Zuschlag zur Vergütung des Insolvenzverwalters. Maßgebendes Bemessungskriterium für Zu- und Abschläge soll der tatsächlich gestiegene oder geminderte Arbeitsaufwand sein. Dies verbietet es, Zuschläge zur Vergütung allein an den Zeitablauf anzuknüpfen. Zu bewerten ist vielmehr die während der Dauer des Verfahrens erbrachte Tätigkeit. Weist diese einen überdurchschnittlichen Umfang oder eine besondere Schwierigkeit auf, wie dies in überlangen Verfahren oft der Fall sein wird, kann dafür ein Zuschlag gewährt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 - IX ZB 123/09, ZInsO 2010, 1504 Rn. 7; vom 16. September 2010 - IX ZB 154/09, WM 2010, 2085 Rn. 7 f; vom 7. Oktober 2010, aaO; vom 12. Mai 2011 - IX ZB 143/08, WM 2011, 1426 Rn. 20; vom 14. Juli 2011 - IX ZB 216/09, nv Rn. 2; vom 24. Mai 2012 - IX ZB 212/10, nv Rn. 2).
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- c) Mit diesen Grundsätzen stimmt die Entscheidung des Beschwerdegerichts überein. Es hat für verschiedene Tätigkeiten, die der Verwalter während der Verfahrensdauer von über 13 Jahren erbrachte und die nach seinem Vortrag einen außergewöhnlichen Aufwand erforderten oder besondere Schwierigkeiten bereiteten, Zuschläge zur Regelvergütung gewährt. Einen weiteren Zuschlag allein wegen der Dauer des Verfahrens hat es abgelehnt mit der Begründung , die Erschwernisse hätten bereits bei den übrigen Zuschlägen Berücksichtigung gefunden. Als Beispiele hierfür hat es die gewährten Zuschläge wegen der umfangreichen Bearbeitung arbeitsrechtlicher Fragen, wegen der Prüfung einer großen Zahl von Forderungen und wegen der Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten genannt. Schon wegen des beispielhaften Charakters dieser Aufzählung kann nicht angenommen werden, dass das Beschwerdegericht es für entbehrlich erachtet hätte, sämtliche vom Verwalter dargelegten Erschwernisse in seine Beurteilung einzubeziehen. Das Beschwerdegericht hat den von der Rechtsbeschwerde angeführten Vortrag des Insolvenzverwalters zur Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin bis zu der nach etwa einem halben Jahr erfolgten übertragenden Sanierung auch nicht übergangen. Es hat dem Verwalter vielmehr hierfür ebenfalls einen gesonderten Zuschlag zugebilligt.
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
AG Kassel, Entscheidung vom 29.06.2012 - 660 IN 52/99 -
LG Kassel, Entscheidung vom 24.04.2013 - 3 T 403/12 -
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Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.
(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
(1) Das Insolvenzgericht setzt die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters durch Beschluß fest.
(2) Der Beschluß ist öffentlich bekanntzumachen und dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, den Mitgliedern des Ausschusses besonders zuzustellen. Die festgesetzten Beträge sind nicht zu veröffentlichen; in der öffentlichen Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, daß der vollständige Beschluß in der Geschäftsstelle eingesehen werden kann.
(3) Gegen den Beschluß steht dem Verwalter, dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu. § 567 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt entsprechend.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Eine den Regelsatz übersteigende Vergütung ist insbesondere festzusetzen, wenn
- a)
die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten einen erheblichen Teil der Tätigkeit des Insolvenzverwalters ausgemacht hat, ohne daß ein entsprechender Mehrbetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 angefallen ist, - b)
der Verwalter das Unternehmen fortgeführt oder Häuser verwaltet hat und die Masse nicht entsprechend größer geworden ist, - c)
die Masse groß war und die Regelvergütung wegen der Degression der Regelsätze keine angemessene Gegenleistung dafür darstellt, daß der Verwalter mit erheblichem Arbeitsaufwand die Masse vermehrt oder zusätzliche Masse festgestellt hat, - d)
arbeitsrechtliche Fragen zum Beispiel in bezug auf das Insolvenzgeld, den Kündigungsschutz oder einen Sozialplan den Verwalter erheblich in Anspruch genommen haben oder - e)
der Verwalter einen Insolvenzplan ausgearbeitet hat.
(2) Ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz ist insbesondere gerechtfertigt, wenn
- a)
ein vorläufiger Insolvenzverwalter in Verfahren tätig war, - b)
die Masse bereits zu einem wesentlichen Teil verwertet war, als der Verwalter das Amt übernahm, - c)
das Insolvenzverfahren vorzeitig beendet wird oder das Amt des Verwalters vorzeitig endet, - d)
die Masse groß war und die Geschäftsführung geringe Anforderungen an den Verwalter stellte, - e)
die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist oder - f)
der Schuldner in ein Koordinationsverfahren einbezogen ist, in dem ein Verfahrenskoordinator nach § 269e der Insolvenzordnung bestellt worden ist.