Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2011 - IX ZB 229/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 24.425,94 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Gründe für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 ZPO bestehen nicht. Ihr Vorliegen beurteilt sich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel (BGH, Beschluss vom 23. September 2003 - VI ZA 16/03, NJW 2003, 3781 f; st. Rspr.).
- 2
- 1. Die Rechtsbeschwerde hält die Frage für entscheidungserheblich, ob als große Masse im Sinne von § 3 Abs. 2 Buchst. d) InsVV schon ein Betrag von 174.882,95 € gewertet werden könne. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei ein unterer Grenzwert bisher nicht bezeichnet worden. Insoweit bestehe Gelegenheit zu einer Leitentscheidung. Des Weiteren habe das Be- schwerdegericht die Maßstäbe eines Abschlags nach § 3 Abs. 2 Buchst. c) InsVV verschoben. Die Arbeitsersparnis des Insolvenzverwalters durch die Verfahrenseinstellung nach § 213 InsO sei hier als geringfügig anzusehen. Ein Abschlag in Höhe von 75 v.H. könne damit nicht gerechtfertigt werden. Verringerter Verwaltungsaufwand durch die Tätigkeit des Schuldners habe sich nicht ergeben. Dieser habe vielmehr durch seine Uneinsichtigkeit und eigenmächtiges Vorgehen zusätzlichen Aufwand verursacht, was vom Beschwerdegericht unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG außer Betracht gelassen worden sei. Soweit sich das Beschwerdegericht auch auf andere Umstände des Einzelfalls habe stützen wollen, sei die Entscheidung intransparent und willkürlich, weil Bruchteile der Einzelgründe am Gesamtabschlag nicht erkennbar seien.
- 3
- 2. Diese Rügen führen nicht zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde.
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- a) Grenzwerte für die Größe der Masse nach § 3 Abs. 2 Buchst. d) InsVV durch feste Beträge sind auch weiterhin nicht zu bestimmen, weil sich die Vorschrift auf ein Missverhältnis zwischen der Größe der Masse und den Anforderungen an die Geschäftsführung des Verwalters bezieht. Dieses Missverhältnis drückt sich darin aus, dass der Regelsatz des § 2 Abs. 1 InsVV für die angemessene Vergütung der Verwaltertätigkeit übersetzt wäre.
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- b) Den Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buchst. c) InsVV hat das Beschwerdegericht nicht nur auf die vorzeitige Verfahrenseinstellung gestützt, sondern mehr noch auf die in § 3 Abs. 2 InsVV unbenannte Entlastung des Verwalters durch eigene Tätigkeit des Schuldners. Bei Beurteilung dieses Umstands hat das Beschwerdegericht kein Vorbringen des Verwalters übergangen, sondern den Sachverhalt materiell anders beurteilt. Dagegen wird der Verwalter als Antragsteller bei der Vergütungsfestsetzung durch Art. 103 Abs. 1 GG nicht geschützt.
- 6
- Das Beschwerdegericht ist in diesem Zusammenhang der Frage nicht nachgegangen, ob das auf Eigenantrag eröffnete Verfahren nach der Erbschaft des Schuldners gemäß § 212 InsO hätte eingestellt werden können. Es hat aber zu Recht die falsche, nämlich aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO entlehnte Beratung des Schuldners berücksichtigt. Auch der Verwalter hatte Anlass, sich mit der Möglichkeit einer alsbaldigen Verfahrenseinstellung nach § 212 InsO auseinanderzusetzen , bevor er nach der Erbschaft des Schuldners weitere Tätigkeit entfaltete.
- 7
- c) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Tatrichter nicht gezwungen, einzelne mögliche Abschlagsgründe gesondert zu bewerten (vgl. etwa Beschluss vom 1. März 2007 - IX ZB 280/05, ZIP 2007, 639 Rn. 14; vom 20. Mai 2010 - IX ZB 11/07, BGHZ 185, 353 Rn. 9; vom 12. Mai 2011 - IX ZB 143/08, WM 2011, 1426 Rn. 22). Der Vorwurf der Willkür gegen die Beschwerdeentscheidung geht deshalb fehl.
- 8
- d) Die Beschwerdeentscheidung steht in der Gesamtschau aller Bemessungsfaktoren für die Verwaltervergütung im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Mit Recht durfte das Beschwerdegericht berücksichtigen , dass die Regelvergütung sich wegen des vom Verwalter während des Insolvenzverfahrens ererbten, seine Verbindlichkeiten mehrfach übersteigenden Vermögens in einem Maße erhöht hat, das zu der angefallenen Arbeit nicht annähernd im Verhältnis stand (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2010 - IX ZB 183/08 zur Vergütung des Treuhänders). Der Senat hat an anderer Stelle auch bereits darauf hingewiesen, dass die Vorschrift des § 1 Abs. 2 VergVO in der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung zwar keine Entsprechung gefunden hat, einem solchen Tatbestand jedoch durch einen deutlichen Ab- schlag beim Vergütungssatz Rechnung zu tragen ist (BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 - IX ZB 229/07, WM 2010, 1610 Rn. 19, in BGHZ 186, 223 nicht mit abgedruckt; vom 22. September 2011 - IX ZB 193/10, ZIP 2011, 2158 Rn. 20 f).
Vorinstanzen:
AG Bonn, Entscheidung vom 09.08.2005 - 97 IN 151/04 -
LG Bonn, Entscheidung vom 12.10.2009 - 6 T 271/05 -
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn er nach Ablauf der Anmeldefrist die Zustimmung aller Insolvenzgläubiger beibringt, die Forderungen angemeldet haben. Bei Gläubigern, deren Forderungen vom Schuldner oder vom Insolvenzverwalter bestritten werden, und bei absonderungsberechtigten Gläubigern entscheidet das Insolvenzgericht nach freiem Ermessen, inwieweit es einer Zustimmung dieser Gläubiger oder einer Sicherheitsleistung gegenüber ihnen bedarf.
(2) Das Verfahren kann auf Antrag des Schuldners vor dem Ablauf der Anmeldefrist eingestellt werden, wenn außer den Gläubigern, deren Zustimmung der Schuldner beibringt, andere Gläubiger nicht bekannt sind.
(1) Der Insolvenzverwalter erhält in der Regel
- 1.
von den ersten 35 000 Euro der Insolvenzmasse 40 Prozent, - 2.
von dem Mehrbetrag bis zu 70 000 Euro 26 Prozent, - 3.
von dem Mehrbetrag bis zu 350 000 Euro 7,5 Prozent, - 4.
von dem Mehrbetrag bis zu 700 000 Euro 3,3 Prozent, - 5.
von dem Mehrbetrag bis zu 35 000 000 Euro 2,2 Prozent, - 6.
von dem Mehrbetrag bis zu 70 000 000 Euro 1,1 Prozent, - 7.
von dem Mehrbetrag bis zu 350 000 000 Euro 0,5 Prozent, - 8.
von dem Mehrbetrag bis zu 700 000 000 Euro 0,4 Prozent, - 9.
von dem darüber hinausgehenden Betrag 0,2 Prozent.
(2) Haben in dem Verfahren nicht mehr als 10 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet, so soll die Vergütung in der Regel mindestens 1 400 Euro betragen. Von 11 bis zu 30 Gläubigern erhöht sich die Vergütung für je angefangene 5 Gläubiger um 210 Euro. Ab 31 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene 5 Gläubiger um 140 Euro.
(1) Eine den Regelsatz übersteigende Vergütung ist insbesondere festzusetzen, wenn
- a)
die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten einen erheblichen Teil der Tätigkeit des Insolvenzverwalters ausgemacht hat, ohne daß ein entsprechender Mehrbetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 angefallen ist, - b)
der Verwalter das Unternehmen fortgeführt oder Häuser verwaltet hat und die Masse nicht entsprechend größer geworden ist, - c)
die Masse groß war und die Regelvergütung wegen der Degression der Regelsätze keine angemessene Gegenleistung dafür darstellt, daß der Verwalter mit erheblichem Arbeitsaufwand die Masse vermehrt oder zusätzliche Masse festgestellt hat, - d)
arbeitsrechtliche Fragen zum Beispiel in bezug auf das Insolvenzgeld, den Kündigungsschutz oder einen Sozialplan den Verwalter erheblich in Anspruch genommen haben oder - e)
der Verwalter einen Insolvenzplan ausgearbeitet hat.
(2) Ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz ist insbesondere gerechtfertigt, wenn
- a)
ein vorläufiger Insolvenzverwalter in Verfahren tätig war, - b)
die Masse bereits zu einem wesentlichen Teil verwertet war, als der Verwalter das Amt übernahm, - c)
das Insolvenzverfahren vorzeitig beendet wird oder das Amt des Verwalters vorzeitig endet, - d)
die Masse groß war und die Geschäftsführung geringe Anforderungen an den Verwalter stellte, - e)
die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist oder - f)
der Schuldner in ein Koordinationsverfahren einbezogen ist, in dem ein Verfahrenskoordinator nach § 269e der Insolvenzordnung bestellt worden ist.
Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn gewährleistet ist, daß nach der Einstellung beim Schuldner weder Zahlungsunfähigkeit noch drohende Zahlungsunfähigkeit noch, soweit die Überschuldung Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, Überschuldung vorliegt. Der Antrag ist nur zulässig, wenn das Fehlen der Eröffnungsgründe glaubhaft gemacht wird.
Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist
- 1.
eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen; - 2.
Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Schenkung erwirbt, zur Hälfte des Wertes sowie Vermögen, das er als Gewinn in einer Lotterie, Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erwirbt, zum vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben; von der Herausgabepflicht sind gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke und Gewinne von geringem Wert ausgenommen; - 3.
jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzuzeigen, keine von der Abtretungserklärung erfaßten Bezüge und kein von Nummer 2 erfaßtes Vermögen zu verheimlichen und dem Gericht und dem Treuhänder auf Verlangen Auskunft über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen zu erteilen; - 4.
Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder zu leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil zu verschaffen; - 5.
keine unangemessenen Verbindlichkeiten im Sinne des § 290 Absatz 1 Nummer 4 zu begründen.
Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn gewährleistet ist, daß nach der Einstellung beim Schuldner weder Zahlungsunfähigkeit noch drohende Zahlungsunfähigkeit noch, soweit die Überschuldung Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, Überschuldung vorliegt. Der Antrag ist nur zulässig, wenn das Fehlen der Eröffnungsgründe glaubhaft gemacht wird.