Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2010 - IX ZB 177/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gründe:
I.
- 1
- Der Gläubiger erwarb im Wege der Abtretung eine gegen den Schuldner gerichtete, auf einer notariellen Urkunde vom 1. Dezember 1998 beruhende Darlehensforderung über noch 103.880,88 € zuzüglich Zinsen. Der Schuldner unterwarf sich in der Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Der Gläubiger beantragte am 27. August 2008 mangels Begleichung dieser Forderung unter der Behauptung der Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Am 4. Februar 2009 erhob der Schuldner bei dem Landgericht verbunden mit einem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Urkunde Vollstreckungsabwehrklage. Das Landgericht hat die Vollstreckung aus der Urkunde durch Beschluss vom 2. März 2009 gegen Sicherheitsleistung von 5.000 € einstweilen eingestellt. Diesen Beschluss hat das Landgericht durch Beschluss vom 29. April 2009 dahin abgeändert, dass die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 90.000 € vorläufig eingestellt wird.
- 2
- Das Amtsgericht hat den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss vom 1. April 2009 mit Rücksicht auf die von dem Schuldner erbrachte Sicherheitsleistung von 5.000 € als unzulässig abgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers ist von dem Landgericht durch Beschluss vom 15. Juli 2009 zurückgewiesen worden. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger den Antrag auf Insolvenzeröffnung weiter.
II.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 34 Abs. 1, §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.
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- Das 1. Beschwerdegericht hat ausgeführt: Sofern der Insolvenzgrund allein vom Bestand der Forderung des Antragstellers abhänge, müsse das Insolvenzgericht über eine Glaubhaftmachung hinaus die volle Überzeugung von dem Bestand der Forderung gewinnen. Beruhe die Forderung des Antragstellers auf einem vollstreckbaren Titel, könne sich der Schuldner mit Einwendungen verteidigen, welche dazu geeignet seien, die Vollstreckbarkeit des Titels zu beseitigen. Der Schuldner habe mit Hilfe der Vollstreckungsabwehrklage und der erwirkten einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung die Glaubhaftmachung des Gläubigers so nachhaltig erschüttert, dass der Insolvenzantrag nachträglich unzulässig geworden sei. Infolge der einstweiligen Anordnung sei die Vollstreckbarkeit des Titels entfallen.
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- 2. Diese Ausführungen halten in einem entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand.
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- a) Nach § 14 Abs. 1 InsO muss der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft machen. Eröffnet wird das Verfahren, wenn ein Eröffnungsgrund gegeben ist (§ 16 InsO). Soll der Eröffnungsgrund aus einer einzigen Forderung des antragstellenden Gläubigers abgeleitet werden und ist diese Forderung bestritten, muss sie für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein (BGH, Beschl. v. 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05, WM 2006, 1632, 1633 Rn. 11). Den ihm obliegenden Beweis hat der Gläubiger durch die Vorlage der vollstreckbaren Urkunde geführt (BGH, aaO). Ist die Forderung des die Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreibenden Gläubigers tituliert, muss der Schuldner Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit in dem dafür vorgesehenen Verfahren verfolgen (BGH, Beschl. v. 29. November 2007 - IX ZB 12/07, WM 2008, 227, 228 Rn. 9). Solange die Vollstreckbarkeit nicht auf diese Weise beseitigt ist, braucht das Insolvenzgericht die Einwendungen des Schuldners nicht zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 17. September 2009 - IX ZB 26/08, ZInsO 2009, 2072 Rn. 5 m.w.N.).
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- b) In vorliegender Sache ist die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde gegen Sicherheitsleistung in Höhe von zuletzt 90.000 € eingestellt worden. Danach bildet der Titel nur dann keine Grundlage für den Insolvenzantrag, wenn die Sicherheitsleistung seitens des Schuldners tatsächlich erbracht wurde (HmbKomm-InsO/Wehr, 3. Aufl. § 14 Rn. 22; FK-InsO/Schmerbach, 5. Aufl. § 14 Rn. 61). Fehlt es hingegen an einer Sicherheitsleistung, kann der Insolvenzantrag auf die dann weiter vollstreckbare Forderung gestützt werden.
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- c) Das Beschwerdegericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die (erhöhte) Sicherheitsleistung von 90.000 € tatsächlich seitens des Schuld- ners gestellt wurde. Mithin ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
AG Nürnberg, Entscheidung vom 01.04.2009 - 8200 IN 1437/08 -
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 15.07.2009 - 11 T 3385/09 -
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(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird.
(2) Ist der Antrag zulässig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören.
(3) Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird. Der Schuldner hat die Kosten auch dann zu tragen, wenn der Antrag eines Gläubigers wegen einer zum Zeitpunkt der Antragstellung wirksamen nichtöffentlichen Stabilisierungsanordnung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz abgewiesen wird und der Gläubiger von der Stabilisierungsanordnung keine Kenntnis haben konnte.
(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.
(2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.
(3) Sobald eine Entscheidung, die den Eröffnungsbeschluß aufhebt, Rechtskraft erlangt hat, ist die Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekanntzumachen. § 200 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Die Wirkungen der Rechtshandlungen, die vom Insolvenzverwalter oder ihm gegenüber vorgenommen worden sind, werden durch die Aufhebung nicht berührt.
(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird.
(2) Ist der Antrag zulässig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören.
(3) Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird. Der Schuldner hat die Kosten auch dann zu tragen, wenn der Antrag eines Gläubigers wegen einer zum Zeitpunkt der Antragstellung wirksamen nichtöffentlichen Stabilisierungsanordnung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz abgewiesen wird und der Gläubiger von der Stabilisierungsanordnung keine Kenntnis haben konnte.
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt voraus, daß ein Eröffnungsgrund gegeben ist.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.