Bundesgerichtshof Beschluss, 09. März 2006 - IX ZB 161/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 250.670,56 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin hat mit Globalabtretung vom 26. Oktober 2001 alle gegenwärtigen und künftigen Ansprüche aus dem Geschäftsverkehr an eine Anwaltssozietät - nach der Behauptung der Klägerin die Rechtsvorgängerin ihrer Prozessbevollmächtigten in den Tatsacheninstanzen - sowie gleichrangig an einen weiteren Gläubiger zur Sicherung von deren gegenwärtigen und künftigen For- derungen abgetreten. Zugleich wurde die Klägerin ermächtigt, die abgetretenen Forderungen im eigenen Namen einzuziehen.
- 2
- Anfang des Jahres 2003 erhob die Klägerin gegen die beklagte Stadt Klage, die im Juli 2003 auf Leistung einer Schlusszahlung für erbrachte Werkleistungen in Höhe von 250.670,56 € zuzüglich Zinsen umgestellt wurde. Am 6. Oktober 2003 teilte die Klägerin der Beklagten die Abtretung dieser Forderung an ihre Prozessbevollmächtigten mit. Am 25. November 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet.
- 3
- Die Klägerin ist der Auffassung, in einer Vereinbarung vom 21. Januar 2004 habe der Insolvenzverwalter alle von der Globalzession vom 26. Oktober 2001 erfassten Ansprüche der Klägerin gegen Dritte, also auch die streitgegenständliche Forderung, zugunsten der Zessionare freigegeben. Diese seien mit der Einziehung durch die Klägerin zugunsten ihrer Prozessbevollmächtigten einverstanden. Die Klägerin hat deshalb die Fortsetzung des Rechtsstreits beantragt. Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
- 4
- Das Landgericht hat abgesonderte Verhandlung und Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet und durch Zwischenurteil die Klage für zulässig erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung im Beschlusswege als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Beklagte die Aufhebung dieser Entscheidung.
II.
- 5
- Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.
- 6
- 1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt : Zwar habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein die Unterbrechung feststellendes Zwischenurteil mit der Berufung angefochten werden könne , weil die Verweigerung der Geltendmachung entsprechender Rechte gegen den Justizgewährungsanspruch des Staates verstoße. Dies gelte aber nicht für den hier vorliegenden umgekehrten Fall. Ein die Unterbrechung verneinendes Zwischenurteil sei nicht selbständig anfechtbar.
- 7
- Diese 2. Ausführungen greift die Rechtsbeschwerde zutreffend als rechtsfehlerhaft an.
- 8
- Das Berufungsgericht beschreibt den Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung unzutreffend. Das Landgericht hat nicht lediglich über die Frage entschieden , ob der Rechtsstreit wirksam von der Klägerin aufgenommen worden oder weiterhin gemäß § 240 ZPO unterbrochen ist. Vielmehr hat es nach Anordnung abgesonderter Verhandlung und Entscheidung die Zulässigkeit der Klage insgesamt behandelt und nach Prüfung aller von ihm für erheblich erachteten Punkte bejaht. Außer der Frage einer wirksamen Aufnahme des Rechtsstreits behandelt die erstinstanzliche Entscheidung vor allem die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft, insbesondere eines eigenen schutzwürdigen Interesses der Klägerin, die abgetretene Forderung geltend zu machen.
- 9
- Damit hat das Landgericht ein Zwischenurteil erlassen, welches gemäß § 280 Abs. 2 ZPO in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen ist. Es ist hinsichtlich seines feststellenden Inhalts selbstständig anfechtbar (vgl. BGHZ 102, 232, 234).
- 10
- 3. Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig. Zwar hat die Beklagte mit der Berufung in erster Linie nur die Feststellung begehrt, dass die Unterbrechung fortdauert. Ob eine allein auf dieses Ziel gerichtete Berufung zulässig wäre, kann dahingestellt bleiben; denn die Beklagte hat hilfsweise die Abweisung der Klage als unzulässig beantragt. Demzufolge hat sie den Urteilsausspruch erster Instanz insgesamt angegriffen. Jedenfalls unter diesen Voraussetzungen kann die eingelegte Berufung nicht als unstatthaft verworfen werden.
III.
- 11
- Der angefochtene Beschluss muss daher aufgehoben werden. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Vorinstanzen:
LG Ravensburg, Entscheidung vom 30.11.2004 - 2 O 108/04 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 20.04.2005 - 7 U 210/04 -
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Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.