Bundesgerichtshof Beschluss, 09. März 2017 - IX ZA 16/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, den Richter Prof. Dr. Pape, die Richterin Möhring und den Richter Meyberg am 9. März 2017
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. Juni 2011 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des M. (fortan: Schuldner). Der Schuldner war hälftiger Eigentümer eines bebauten Grundstücks, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 2 in dem Gebäude (fortan: Grundstück). Mit notariellem Überlassungsvertrag vom 10. März 2009 übertrug er das Grundstück, dessen Wert er mit 60.000 € bezifferte, auf die Beklagten, seine Töchter. Ein Kaufpreis wurde nicht vereinbart. Der Schuldner und seine Ehefrau erhielten ein Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht auf Lebenszeit, welches als beschränkte persönliche Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen werden sollte. Unter Nr. 7 heißt es im Vertrag: "7.2 Soweit in dieser Urkunde nicht ausdrücklich etwas Abweichendes geregelt ist, erschöpft sich die Verpflichtung des Veräußerers zur Übergabe des Grundbesitzes zur im Abschnitt zum Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten bedungenen Zeit und zur Verschaffung des Eigentums hieran frei von im Grundbuch eingetragenen Belastungen und frei von Baulasten, soweit nicht übernommen … 7.7 Eingetragene Rechte werden übernommen. Die Schuldnerschaft hinsichtlich der dinglich gesicherten Rechte bleibt unverändert. Erwerber tritt den Verpflichtungen des Veräußerers nicht bei."
- 2
- Im Zeitpunkt der Übertragung war das Sondereigentum mit einer Grundschuld zugunsten der S. in Höhe von 53.839,04 € sowie einer Grundschuld zugunsten der A. in Höhe von 92.032,54 €, jeweils zuzüglich Zinsen, belastet. Die Grundschulden sicherten Darlehensverbindlichkeiten , die sich im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahren auf 78.349,02 € und 129.042,88 € beliefen. Bis zur Insolvenzeröffnung zahlte der Schuldner insgesamt 22.116,51 € auf die Darlehensverbindlichkeiten. Woher diese Mittel stammten, ist streitig.
- 3
- Der Kläger hat im Wege der Schenkungsanfechtung Rückgewähr von 22.116,51 € nebst Zinsen verlangt, weil sich infolge der Zahlungen der Wert des zugewandten Grundstücks erhöht habe und die Beklagten insoweit keine Gegenleistung erbracht hätten. Das Landgericht hat die Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 4.178,08 € nebst Zinsen verurteilt , weil nur insoweit Zahlungen aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners nachgewiesen worden seien. Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil, mit welcher er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 9.792,12 € nebst Zinsen erreichen wollte, ist erfolglos geblieben. Auf die Berufung der Beklagten ist die Klage insgesamt abgewiesen worden. Nunmehr beantragt der Kläger Prozesskostenhilfe zur Einlegung und Durchführung der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
II.
- 4
- Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsurteil ist richtig. Grundlage des Begehrens des Klägers ist § 143 Abs. 1, § 134 Abs. 1 InsO. Die Voraussetzungen eines Anfechtungsanspruchs sind jedoch offensichtlich nicht erfüllt. Bisher ungeklärte Rechtsfragen, von deren Beantwortung die Lösung des Falles abhängt, wirft die Sache nicht auf.
- 5
- 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Auf die Frage der Herkunft der gezahlten Gelder komme es nicht an. Die Beklagten hätten keinen Vermögenswert erlangt. Die Zahlungen hätten nicht zu einer auch nur teilweisen Enthaftung des Grundstücks geführt. Darlegungs- und beweispflichtig für die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 InsO, damit auch für eine Zuwendung an die Beklagten, sei der Kläger. Dieser hätte, worauf er hingewiesen worden sei, zum Wert des Grundstücks und zur Höhe der Belastungen im Zeitpunkt der Zahlungen vortragen müssen. Entsprechender Vortrag sei nicht erfolgt. Der Antrag auf Einholung eines Gutachtens zum Wert des Grundstücks und zur Höhe der Belastungen vermöge den fehlenden Vortrag insbesondere zum Stand der Darlehensverbindlichkeiten nicht zu ersetzen. Die Revision werde zugelassen zur Klärung der Rechtsfrage, inwieweit bei wertausschöpfender Belastung eines Grundstücks durch Zahlungen auf grundschuldgesicherte Kredite dem Grundstückseigentümer ein nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbarer Vermögenswert zugeflossen sei.
- 6
- 2. Das Berufungsurteil ist richtig. Es fehlt an einer Zuwendung gerade an die Beklagten, deren Rückgewähr verlangt werden könnte.
- 7
- a) Die Zuwendung des Grundstücks ist nicht angefochten worden. Zahlungen haben die Beklagten nicht erhalten. Erlangt haben können sie infolge der Zahlungen an die Grundschuldgläubigerinnen allenfalls eine (anteilige) Enthaftung des Grundstücks in der Form eines Anspruchs auf (anteilige) Rückgewähr der jeweiligen Grundschuld (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2002 - VI ZR 147/01, WM 2002, 2237, 2238). Ein Anspruch auf Rückgewähr einer Grundschuld gegen den Grundschuldgläubiger besteht aber nur dann, wenn der Sicherungszweck der Grundschuld entfallen ist, die gesicherte Forderung also nicht mehr besteht. Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts valutierten die gesicherten Darlehen im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch noch in Höhe von 78.349,02 € und 129.042,88 €. In dieser Höhe hat der Kläger die Darlehensforderungen der Grundschuldgläubigerinnen für den Ausfall zur Tabelle festgestellt. Ein Anspruch der Beklagten auf Rückgewähr der Grundschulden hat danach auch unter Berücksichtigung der Zahlungen des Schuldners, die gerade zu einer Verringerung der Darlehensforderungen geführt haben sollen, zu keinem Zeitpunkt bestanden.
- 8
- b) Darlegungs- und beweispflichtig für die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Schenkungsanfechtung ist der klagende Insolvenzverwalter (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. Januar 1999 - IX ZR 429/97, NZI 1999, 111 zu § 32 KO; vom 30. März 2006 - IX ZR 84/05, WM 2006, 1156 Rn. 15; vom 19. November 2009 - IX ZR 9/08, WM 2010, 129 Rn. 17; Beschluss vom 9. Oktober 2014 - IX ZR 294/13, ZInsO 2015, 305 Rn. 2; Jaeger/Henckel, InsO, § 134 Rn. 66; HK-InsO/Thole, 8. Aufl., § 134 Rn. 18; Schmidt/Ganter/Weinland, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 83; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 22; HmbKomm-InsO/Rogge/Leptien, 6. Aufl., § 134 Rn. 42; Uhlenbruck /Ede/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 163 f). Die Zuwendung gerade an den Anfechtungsgegner ist eine Tatbestandsvoraussetzung des Anfechtungsgrundes des § 134 Abs. 1 InsO. Der Kläger ist auf seine Darlegungs- und Beweislast hingewiesen worden. Er hat Gelegenheit erhalten, ergänzend zum Wert des Grundstücks und zum Stand der durch die Grundschulden gesicherten Darlehen im maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung vorzutragen. Daraufhin hat er jedoch nur behauptet, der Grundstückswert betrage mehr als 60.000 €, die Grundschulden und die Darlehensverbindlichkeiten valutierten nicht in der von den Beklagten dargelegten Höhe und der Wert des Nießbrauchs liege unter 82.000 €. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht zu Recht nicht ausreichen lassen.
Möhring Meyberg
Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 17.12.2015 - 5 O 1880/14 (2) -
OLG Dresden, Entscheidung vom 10.08.2016 - 13 U 163/16 -
moreResultsText
Annotations
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.
(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.
(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.