Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Dez. 2003 - IV ZR 319/02

published on 10/12/2003 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Dez. 2003 - IV ZR 319/02
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 319/02
vom
10. Dezember 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
ZPO § 543 Abs. 2 Nr. 1; BauwesenVers. von Unternehmerleistungen
(ABU)/Klausel 65 zu den ABU
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nicht schon deshalb
zu, weil die Entscheidung von der Auslegung einer Klausel in Allgemeinen
Versicherungsbedingungen (hier: Klausel 65 zu den ABU) abhängt, aber
nicht dargelegt wird, daß die Auslegung der Klausel über den konkreten
Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder in den beteiligten
Verkehrskreisen umstritten ist.
BGH, Beschluß vom 10. Dezember 2003 - IV ZR 319/02 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
die Richterin Dr. Kessal-Wulf
am 10. Dezember 2003

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. August 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 35.108,25

Gründe:


I. Die Parteien sind Bauleistungsversicherer. Sie streiten darüber, wer von ihnen für einen beim Erweiterungsbau einer Kläranlage entstandenen Schaden Versicherungsschutz zu gewähren hat.
Der S. -Verband M. -T. unterhielt als Auftraggeber des Bauvorhabens bei der Beklagten eine Bauleistungsversicherung auf der Grundlage der Allgemeinen Bedingungen für die Bauwesenversicherung von Unternehmerleistungen (ABU) mit der Klausel 65 zu den ABU

(Text der ABU mit Klausel 65 in VerBAV 1974, 284 ff. und Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. S. 2129 ff.). In der Klausel 65 mit der Überschrift "TiefbauAuftraggeber als Versicherungsnehmer" heißt es u.a. wie folgt: "1. Ist der Auftraggeber Versicherungsnehmer, so wird Entschädigung nach den ABU für alle Schäden geleistet, die zu Lasten des Versicherungsnehmers oder eines der beauftragten Unternehmer gehen, soweit nicht das Interesse einzelner Unternehmer ausdrücklich ausgeschlossen ist. ... 5. Für die Bildung der Versicherungssummen (§ 5 Nr. 1 bis 3 ABU) treten an die Stelle des Bauvertrages und der Bausumme die gesamten Bauleistungen und deren Herstellungskosten. Die Herstellungskosten schließen die Kosten von Stundenlohnarbeiten und den Neuwert der durch die Bauunternehmer gelieferten Baustoffe und Bauteile ein. ..." Der S. -Verband beauftragte die G. M. Ingenieurbau GmbH als Hauptunternehmerin mit den Bauarbeiten. Diese schloß mit der B. und L. ........... GmbH (SBB) einen Nachunternehmervertrag über die Stahlbetonarbeiten für die Rundbecken. Die Hauptunternehmerin hatte keine Bauleistungsversicherung. Die Nachunternehmerin SBB unterhielt bei der Klägerin eine Bauleistungsversicherung nach ABU mit der Zusatzbedingung 62. In § 11 der Zusatzbedingung mit der Überschrift "Versicherung durch den Auftraggeber" ist in Nr. 1 vereinbart, daß kein Versicherungsschutz besteht, soweit das Interesse des Versicherungsnehmers für einzelne Bauleistungen versichert ist "a) nach den "Allgemeinen Bedingungen für die Auftraggeberversicherung von Gebäudeneubauten (ABN)" durch einen Versicherungsvertrag des Auftraggebers,


b) nach den ABU durch den Versicherungsvertrag eines Unternehmers , der den Versicherungsnehmer des vorliegenden Jahresvertrages mit den Bauleistungen beauftragt hat." Am 22. April 1998 kam es bei den Betonierarbeiten für ein Nach- klärbecken durch einen Riß in der Stahlschalung zu einem Schaden, der zu Lasten der SBB ging. Die Klägerin zahlte an die SBB unter Berücksichtigung einer Selbstbeteilung 134.638,75 DM.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte müsse ihr diesen Betrag in voller Höhe erstatten. Durch die im Vertrag des S. -Verbandes mit der Beklagten vereinbarte Klausel 65 sei auch das Interesse der SBB als Nachunternehmerin mitversichert und nicht, wie die Beklagte meine, ausschließlich das Interesse der vom S. -V e rband unmittelbar beauftragten Unternehmer. Deshalb sei sie - die Klägerin - gegenüber der SBB wegen der Subsidiaritätsklausel in § 11 Nr. 1 b der Zusatzbedingung 62 nicht eintrittspflichtig.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht (r + s 2003, 430) hat ihr in Höhe von 35.108,25 DM) stattgegeben und die Revision nicht zugelassen.
Hiergegen hat die Beklagte Beschwerde eingelegt, mit der sie nach Zulassung der Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Beklagte den geltend gemachten Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht dargetan hat.
1. Das Berufungsgericht nimmt an, daß beide Parteien der SBB gegenüber zur Leistung verpflichtet waren und somit eine Doppelversicherung vorlag. Es hat der Klägerin deshalb einen Ausgleichsanspruch nach § 59 Abs. 2 VVG zugebilligt und der Klage etwa zur Hälfte stattgegeben. Durch die Vereinbarung der Klausel 65 im Vertrag zwischen dem S. -Verband und der Beklagten seien die Interessen der Nachunternehmer mitversichert. Die im Vertrag zwischen der Klägerin und der SBB vereinbarte Subsidiaritätsklausel greife nicht ein.
Zur Auslegung der Klausel 65, der die Beschwerde grundsätzliche Bedeutung beimißt, hat das Berufungsgericht ausgeführt: Diese Klausel ermögliche dem Tiefbau-Auftraggeber in Abänderung von § 3 Nr. 1 und 5 der ABU als Versicherungsnehmer die Versicherung seines eigenen Risikos und des Risikos seiner Auftragnehmer nach den ABU in den Bereichen Tief-, Ingenieur-, Wasser- und Straßenbau. Der Bauherr oder sonstige Auftraggeber könnten sich im Bereich des Hochbaus nach den Allgemeinen Bedingungen für die Bauwesenversicherung von Gebäudeneubauten durch Auftraggeber (ABN) versichern und das Interesse der Auftragnehmer und Handwerker einbeziehen. Schäden auf dem Gebiet des Tief-, Ingenieur-, Wasser- und Straßenbaus seien nach den ABN nicht versicherbar. Aus diesem Grund gebe die Vereinbarung der Klausel 65 zu den ABU die Möglichkeit der Versicherung des TiefbauAuftraggebers als Versicherungsnehmer im Hinblick auf sein eigenes Risiko und das seiner Auftragnehmer. Soweit es in Nr. 1 der Klausel um

Schäden gehe, die zu Lasten des Versicherungsnehmers oder eines der beauftragten Unternehmer gingen, seien damit auch die an Nachunternehmer vergebenen Leistungen erfaßt. Der Wortlaut der Klausel schränke die Anwendung nicht auf die Leistungen der unmittelbaren Auftragnehmer ein. Wäre eine solche Beschränkung gewollt, so hätte es nahegelegen , dies in der Weise zum Ausdruck zu bringen, daß nur Schäden betroffen sein sollten, die zu Lasten des Versicherungsnehmers oder eines von ihm beauftragten Unternehmers gingen. Auch Sinn und Zweck der Klausel 65 sprächen dafür, die Nachunternehmer einzubeziehen. Die Klausel habe den Sinn, die Versicherung auszudehnen vom Versicherungsnehmer auf die mit der Baumaßnahme beauftragten Unternehmer. Wie bei den ABN solle das Interesse aller am Bau Beteiligten versichert werden, soweit der Schaden zu ihren Lasten gehe. Es könne keinen Unterschied machen, ob der Unternehmer vom Bauherrn direkt oder als Nachunternehmer beauftragt worden sei. Die Klausel 65 übernehme in Nr. 1 dementsprechend die Formulierung aus § 3 Nr. 1 ABN. In den ABN seien neben den Interessen der Bauherren und sonstigen Auftraggeber die Interessen der Auftragnehmer und Handwerker erfaßt. Daß der Bauherr als Versicherungsnehmer unmittelbar nur Einfluß auf die Auswahl des von ihm beauftragten Unternehmers habe und nicht auf den Nachunternehmer , stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Entscheidend sei, daß das Risiko der Bauleistung bei dem abgesichert werden solle, bei dem es anfalle. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Bauherr die Bauleistungen direkt an einzelne Auftragnehmer oder Handwerker in Auftrag gebe oder einen Generalunternehmer dazwischen schalte. Die Gefahr einer Veränderung der Risikostruktur bestehe nicht.

2. Die Beschwerde hat nicht dargelegt, daß dieser - vom Bundesgerichtshof noch nicht entschiedenen - Auslegungsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommt.

a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschlüsse vom 27. März 2003 - V ZR 291/02 - NJW 2003, 1943 unter II 1 und vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02 - NJW 2003, 65 unter II 2 a und b = BGHZ 152, 182, 190 ff. jeweils m.w.N.) zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche , klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Der Beschwerdeführer muß insbesondere ausführen, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die betreffende Rechtsfrage umstritten ist und daß die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsstreits nicht nur für die Vermögensinteressen der Parteien, sondern auch für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind (BGH, Beschluß vom 27. März 2003 aaO unter II 1 d a.E. und Wenzel NJW 2002, 3353 unter II

2).



b) Die Beschwerde vermag nicht aufzuzeigen, daß die Auslegung der Klausel 65 zu den ABU über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre umstritten und in ihren tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen nicht nur für die Parteien, sondern auch für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung ist. Auf dem Berufungsurteil entgegenstehende Ansichten in Literatur und Rechtsprechung kann die Beschwerde nicht hinweisen. Sie legt auch nicht dar, daß

andere Versicherer die Klausel ebenso wie sie verstehen und in der Pra- xis der Bauleistungsversicherung Zweifel über die Auslegung der Klausel bestehen und deshalb eine Klärung durch ein Urteil des Revisionsgerichts erforderlich ist.
Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des Berufungsgerichts sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Der vom Berufungsgericht herangezogene Vergleich der Formulierung in § 3 Nr. 1 ABN, wonach Entschädigung geleistet wird für Schäden, die zu Lasten des Versicherungsnehmers oder eines der beauftragten Unternehmer gehen, mit Nr. 1 der Klausel 65 läßt es aus der Sicht der mit Bauleistungsversicherungen befaßten Verkehrskreise (vgl. dazu Platen, Handbuch der Versicherung von Bauleistungen, 3. Aufl. Rdn. 10.6.2) naheliegend erscheinen, den Umfang der durch beide Klauseln versicherten Interessen im selben Sinne zu verstehen. Hierfür spricht auch, daß für die Bildung der Versicherungssumme sowohl nach Nr. 5 der Klausel 65 wie nach § 5 Nr. 1 und 2 ABN die gesamten Bauleistungen und deren Herstellungskosten maßgebend sind. Zu § 3 ABN ist es einhellige, auch von der Beklagten geteilte Auffassung, daß das Interesse der Nachunternehmer mitversichert ist

(Martin VW 1974, 1130 f.; Schirmer ZVersWiss 1981, 734 f., 738; Rehm, Bauwesenversicherung, 2. Aufl. S. 141; Beck’scher VOB-Komm./ Rüßmann, B Anh. § 7 Rdn. 80, 83, 84).
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Dr. Kessal-Wulf
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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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Annotations

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Versicherungsvermittler im Sinn dieses Gesetzes sind Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Die §§ 1a, 6a, 7a, 7b und 7c gelten für Versicherungsvermittler entsprechend. Versicherungsvermittler ist auch, wer eine Vertriebstätigkeit im Sinne von § 1a Absatz 2 ausführt, ohne dass die Voraussetzungen des nachfolgenden Absatzes 2 oder 3 vorliegen.

(2) Versicherungsvertreter im Sinn dieses Gesetzes ist, wer von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen.

(3) Versicherungsmakler im Sinn dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Als Versicherungsmakler gilt, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler nach Satz 1.

(4) Versicherungsberater im Sinn dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig Dritte bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus Versicherungsverträgen im Versicherungsfall berät oder gegenüber dem Versicherer außergerichtlich vertritt, ohne von einem Versicherer einen wirtschaftlichen Vorteil zu erhalten oder in anderer Weise von ihm abhängig zu sein. Die §§ 1a, 6a, 7a, 7b und 7c gelten für Versicherungsberater entsprechend.