Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Dez. 2009 - IV ZB 30/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung gewährt.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des Klägers an das Berufungsgericht zurückverwiesen , dem auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens vorbehalten bleibt.
Beschwerdewert: 13.833 €
Gründe:
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- I. Der Kläger erstrebt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung. Er hat gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts fristgerecht Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist wurde auf Antrag des Klägers bis zum 26. Juni 2009 verlängert. Die Berufungsbegründung vom 26. Juni 2009 ging am selben Tag per Telefax bei dem Landgericht und nach Weiterleitung einen Tag später sowie im Original am 29. Juni 2009 bei dem Oberlandesgericht ein. Mit einem dort am 27. Juni 2009 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
- 2
- Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hat er ausgeführt und glaubhaft gemacht: Die erfahrene und zuverlässig arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte seiner Prozessbevollmächtigten habe die Berufungsbegründung wegen des bevorstehenden Kanzleiumzugs erst am 26. Juni 2009 nach Diktat gefertigt und gegen 20.00 Uhr den fertigen und unterzeichneten Schriftsatz per Telefax übermittelt. Dabei habe sie fälschlicherweise nicht die darin angegebene Telefaxnummer des Oberlandesgerichts , sondern die des Landgerichts verwendet. Die Mitarbeiterin sei sich sicher gewesen, die Berufungsbegründung ordnungsgemäß an das richtige Gericht gefaxt zu haben. Sie habe auf dem Sendebericht den o.k.-Vermerk unter der Ergebnisspalte sowie die Zahl der übermittelten Seiten kontrolliert. Warum die Mitarbeiterin zu diesem Zeitpunkt nicht bemerkt habe, dass sie das erstinstanzliche Gericht anstelle des Oberlandesgerichts angefaxt habe, könne sie sich nicht erklären. Als sie am 27. Juni 2009 den Sendebericht in die Akte abgeheftet habe, sei ihr die fehlerhafte Übermittlung aufgefallen. Seine Prozessbevollmächtigte habe ihrer Angestellten mit Rücksicht auf deren über 15-jährige Berufserfahrung ohne Bedenken die Notierung und Überwachung der Fristen und Termine anvertrauen dürfen und bei regelmäßigen Kontrollen keinen Grund zu Beanstandungen gefunden.
- 3
- Das Oberlandesgericht hat durch Beschluss vom 21. Juli 2009 den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Es hat ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten des Klägers hinsichtlich der gebotenen Ausgangskontrolle bei Telefaxschreiben angenommen. Weder dem Wiedereinsetzungsgesuch noch der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten sei zu entnehmen, dass die Prozessbevollmächtigte des Klägers durch klare Anweisungen für eine Büroorganisation gesorgt habe, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleiste. Die Mitarbeiterin habe nach ihren Angaben lediglich die störungsfreie und vollständige Übermittlung überprüft, einen Abgleich der verwendeten Faxnummer mit der in dem Schriftsatz angegebenen Nummer aber unterlassen. Dem sei nicht zu entnehmen, ob überhaupt eine generelle oder konkrete Weisung der Prozessbevollmächtigten des Klägers zur Kontrolle der Sendenummer existiert habe.
- 4
- Mit Gegendarstellung vom 11. August 2009 hat der Kläger angegeben und glaubhaft gemacht, im Büro seiner Prozessbevollmächtigten habe allgemein die ausdrückliche Anweisung bestanden, dass die Angestellte bei fristwahrenden Schriftsätzen, die am letzten Tag der Frist gefaxt würden, die Sendeberichte darauf kontrolliere, ob die Empfängernummer auf dem Sendeprotokoll mit der Empfängernummer auf dem Schriftsatz übereinstimme, die Seitenzahl und den o.k.-Vermerk überprü- fe und erst nach ordnungsgemäßer Übermittlung die Frist streiche. Die Mitarbeiterin seiner Prozessbevollmächtigten sei sich am 26. Juni 2009 beim Löschen der Frist sicher gewesen, diese Anweisungen ordnungsgemäß erfüllt und insbesondere den Schriftsatz an das Oberlandesgericht übermittelt zu haben.
- 5
- Durch Beschluss vom 26. August 2009 hat das Oberlandesgericht die Gegenvorstellung des Klägers zurückgewiesen. Daraufhin hat der Kläger gegen die angefochtene Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt.
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- II.DieRechtsbeschwer de hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 7
- 1. Die nach den §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die angefochtene Entscheidung verletzt die Verfahrensgrundrechte des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
- 8
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat dem Kläger zu Unrecht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt.
- 9
- a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Übermittlung der Berufungsbegründung per Telefax ihrer Büroangestellten überlassen durfte. Ein Rechtsanwalt darf die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxübermittlung einer zuverlässigen, hinreichend geschulten und überwachten Bürokraft übertragen und braucht die Ausführung eines solchen Auftrags nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren (BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2009 - VIII ZB 97/08 - juris Tz. 12; vom 9. April 2008 - I ZB 101/06 - NJW-RR 2008, 1288 Tz. 8; vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02 - NJW-RR 2003, 935 unter 1, jeweils m.w.N.). Da die Telefaxnummer des Oberlandesgerichts deutlich erkennbar und korrekt im Adressfeld der Berufungsbegründungsschrift angegeben war, bestand für die Prozessbevollmächtigte des Klägers - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - kein Anlass, die Mitarbeiterin ausdrücklich auf die Verwendung dieser Nummer hinzuweisen. Vielmehr konnte sie sich darauf verlassen, dass ihre Angestellte, die bislang bei Kontrollen keinen Anlass zu Beanstandungen gegeben hatte, die Versendung des Schriftsatzes per Telefax korrekt vornehmen werde.
- 10
- Entgegen b) der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers kein Organisationsverschulden hinsichtlich der gebotenen Ausgangskontrolle anzulasten.
- 11
- Nach aa) ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist , nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07 - NJW 2008, 2508 Tz. 11; vom 9. April 2008 aaO Tz. 10; vom 19. März 2008 - III ZB 80/07 - NJW-RR 2008, 1379 Tz. 5; vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - NJW 2007, 2778 Tz. 6; vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - NJW 2007, 1690 Tz. 8; vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 - FamRZ 2004, 1275 unter II 1; vom 3. Dezember 1996 - XI ZB 20/96 - NJW 1997, 948, jeweils m.w.N.).
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- bb) Dazu hat der Kläger in der Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs nicht hinreichend konkret vorgetragen. Er hat aber mit seiner Gegendarstellung vom 11. August 2009 dargetan und glaubhaft gemacht , dass seine Prozessbevollmächtigte ihrer Mitarbeiterin die klare und unmissverständliche generelle Weisung erteilt habe, bei Versendung von fristwahrenden Schriftsätzen per Telefax die Frist erst nach ordnungsgemäßer Kontrolle der Empfängernummer, der Seitenzahlen und des o.k.-Vermerks auf dem Sendebericht zu löschen. Dieser nach Erlass des angefochtenen Beschlusses und auch nach Ablauf der Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung, die bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nach § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO einen Monat beträgt, nachgeholte Vortrag des Klägers war zu berücksichtigen.
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- Zwar (1) müssen gemäß §§ 236 Abs. 2 Satz 1, 234 Abs. 1 ZPO grundsätzlich alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden (Senatsbeschluss vom 20. Januar 1999 - IV ZB 22/98 - r+s 1999, 263 unter 3 c; BGH, Beschlüsse vom 13. Juni 2007 - XII ZB 232/06 - NJW 2007, 3212 Tz. 8; vom 10. Mai 2006 - XII ZB 42/05 - NJW 2006, 2269 unter III 1; vom 12. Mai 1998 - VI ZB 10/98 - NJW 1998, 2678 unter II; vom 8. April 1997 - VI ZB 8/97 - NJW 1997, 2120 unter II 3 a). Allerdings dürfen erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, nach Fristablauf und auch noch mit der Rechtsbeschwerde erläutert oder vervollständigt werden (BGH, Beschlüsse vom 18. Juli 2007 aaO Tz. 14; vom 13. Juni 2007 aaO; vom 10. Mai 2006 aaO m.w.N.; vom 6. Mai 1999 - VII ZB 6/99 - NJW 1999, 2284 unter 3 c m.w.N.; vom 12. Mai 1998 aaO m.w.N.; vom 8. April 1997 aaO m.w.N.; vom 10. Februar 1994 - VII ZB 25/03 - VersR 1994, 1368 unter 2 a m.w.N.).
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- (2) Um eine solche Vervollständigung handelt es sich bei dem Vorbringen in der Gegendarstellung des Klägers. Die Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs stellte sich unter Beachtung des zutreffenden rechtlichen Ansatzpunktes des Berufungsgerichts als erkennbar ergänzungsbedürftig dar. Die Darstellung, dass die Rechtsanwaltsfachangestellte die ordnungsgemäße Übermittlung des Schriftsatzes anhand des ausgedruckten Sendeberichts überprüft habe, spricht für eine vorgeschriebene Ausgangskontrolle, lässt aber deren Ausgestaltung nicht genau erkennen. Soweit es in dem Wiedereinsetzungsgesuch heißt, die Mitarbeiterin habe auf dem Sendebericht den o.k.-Vermerk unter der Ergebnisspalte sowie die übermittelten Seiten kontrolliert, folgt daraus nicht, dass nicht auch die gewählte Faxnummer zu überprüfen war. Für eine entsprechende Anweisung der Prozessbevollmächtigten des Klägers spricht vielmehr der Zusatz, dass der Mitarbeiterin zur Zeit der Überprüfung nicht aufgefallen sei, dass sie das erstinstanzliche Gericht anstatt des Oberlandesgerichts angefaxt habe, was sie sich selbst nicht erklären könne. Das Vorbringen des Klägers zu der Überprüfung des Sendeberichts deutet jedenfalls darauf hin, dass dazu eine allgemeine Kanzleianweisung im Büro der Prozessbevollmächtigten des Klägers be- stand, wobei die Ausführungen in dem Wiedereinsetzungsgesuch der Präzisierung bedurften. Das Berufungsgericht hätte daher dem Kläger aufgeben müssen, ergänzend zur Ausgangskontrolle in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten vorzutragen. Da das Berufungsgericht den gebotenen Hinweis unterlassen hat, ist das ergänzende Vorbringen des Klägers in der Gegendarstellung bei der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde zu beachten.
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- c) Danach ist der Wiedereinsetzungsantrag des Klägers begründet, weil die Prozessbevollmächtigte des Klägers für eine den anerkannten Anforderungen genügende Ausgangskontrolle bei der Versendung fristwahrender Schriftsätze per Telefax Sorge getragen hatte. Dies kann der Senat nach § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO selbst entscheiden. Das Berufungsgericht wird sich nunmehr in der Sache mit der Berufung des Klägers zu befassen haben.
Dr. Kessal-Wulf Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 24.03.2009 - 2 O 585/08 -
OLG Köln, Entscheidung vom 21.07.2009 - 13 U 69/09 -
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Annotations
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.