Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Mai 2015 - III ZR 318/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss wird die Entscheidung gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihrer Klage, soweit diese auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 18.564 € (Durchführung einer Marketingveranstaltung im November 2010) nebst Zinsen und anteiliger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtet war, zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des dritten Rechtszugs, zurückverwiesen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Streitwert: 288.564 €
Gründe
I.
- 1
- Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft ungarischen Rechts, hatte mit dem beklagten Hersteller von Pharmazeutika vereinbart, ein Heparinpräparat in Ungarn und Rumänien zu vermarkten. Sie macht Ansprüche wegen der von ihr behaupteten Durchführung einer Marketingveranstaltung im November 2010 geltend (18.564 €). Weiter fordert sie Schadensersatz in Höhe von 270.000 €, weil sie sich zur Kündigung der Vertragsverhältnisse mit der Beklagten veranlasst gesehen habe, da diese die erforderlichen Unterlagen für die Zulassung der Präparate in Ungarn und Rumänien nicht beigebracht habe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie beabsichtigt, ihre Klage vollumfänglich weiterzuverfolgen. Ferner hat sie beantragt, ihr Prozesskostenhilfe für die Beschwerde zu gewähren.
II.
- 2
- Die beantragte Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Klägerin nicht dargetan hat, dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwider laufen würde, wie es gemäß § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine juristische Person ist.
III.
- 3
- Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung von 18.564 € zuzüglich Nebenforderungen wegen der von ihr behaupteten Durch- führung einer Marketingveranstaltung im November 2010. Das Rechtsmittel führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Hinsichtlich der Schadensersatzforderung von 270.000 € hingegen ist die Beschwerde un- begründet.
- 4
- 1. a) Die auf die Forderung wegen der Marketingveranstaltung gerichtete Klage hat das Berufungsgericht für unbegründet gehalten, weil der Vortrag der Klägerin hierzu im Widerspruch zu dem von ihr vorgelegten Schreiben vom 20. Dezember 2010 stehe. Dieses enthalte keine Rechnung für eine Veranstaltung im November 2010, sondern ein Angebot für die Durchführung einer solchen im Dezember 2010. Der Vortrag der Klägerin, die Fassung des Schreibens beruhe auf einem Diktatfehler, vermöge die inhaltlichen Widersprüche nicht zu erklären.
- 5
- b) Mit Recht rügt die Beschwerde, das Berufungsgericht habe gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, indem es davon abgesehen habe, den Zeugen Dr. Kohnen zu der Behauptung der Klägerin zu vernehmen, zwischen den Parteien sei drei Wochen vor der Marketingveranstaltung im November 2010 eine Vereinbarung über deren Durchführung getroffen worden, wobei die Konditionen inhaltlich denen im Schreiben vom 20. Dezember 2010 entsprochen hätten. Das Berufungsgericht hat die Zeugenvernehmung zu Unrecht unter Hinweis auf den Wortlaut dieses Schreibens abgelehnt. Das Berufungsgericht hat mit sei- nen Erwägungen hierzu eine gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßende vorweggenommene Beweiswürdigung angestellt. Der Sachvortrag der Klägerin war entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht in sich widersprüchlich, so dass dem Beweisangebot hätte nachgekommen werden müssen.
- 6
- Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine Partei ihrer Darlegungslast bereits dadurch, dass sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Dabei muss das Gericht aufgrund dieser Darstellung nur in die Lage versetzt werden zu beurteilen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind (z.B. Senatsurteil vom 11. April 2013 - III ZR 80/12, juris Rn. 41 m. umfangr. w. N.). Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind (Senat aaO mwN). Die Ablehnung eines für eine beweiserhebliche Tatsache angetretenen Beweises ist danach nur zulässig, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann (Senat aaO mwN). Sind hingegen dem Gericht die zur Begründung der geltend gemachten Rechtsfolgen notwendigen Tatsachen vorgetragen worden, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (Senat aaO mwN).
- 7
- Diese Anforderungen erfüllt der unter Beweis gestellte Sachvortrag der Klägerin. Sie hat eine konkrete Vereinbarung der Parteien über die Durchführung der Marketingveranstaltung im November 2010 vorgetragen. Die behauptete Übereinkunft ist zudem nach Inhalt und Zeitpunkt präzisiert worden. Hie- raus lässt sich ohne weiteres ein Entgeltanspruch aus § 611 Abs. 1 BGB oder, wenn man die geschuldete Leistung als erfolgsbezogen ansieht, aus § 631 Abs. 1 BGB herleiten. Die Schlüssigkeit dieses Vorbringens wird nicht durch den vom Berufungsgericht aufgezeigten Widerspruch zu dem Wortlaut des Schreibens vom 20. Dezember 2010 in Frage gestellt, wonach die Marketingleistungen erst angeboten wurden und nicht eine Rechnung über bereits erbrachte Leistungen erstellt wurde. Die Klägerin hat hierzu mit Schriftsatz vom 30. September 2013 noch in erster Instanz vorgetragen, die Fassung des Schreibens beruhe auf einem Diktatirrtum des mittlerweile verstorbenen Zeugen Obring. Dieses Vorbringen, dessen Richtigkeit bei der Prüfung der Schlüssigkeit zu unterstellen ist, erklärt den Widerspruch. Danach bleibt der Vortrag schlüssig , so dass der angebotene Beweis zu erheben ist. Die vom Berufungsgericht angestellte Erwägung, die Erklärung der Klägerin im Schriftsatz vom 30. September 2013 sei nicht überzeugend und räume den inhaltlichen Widerspruch des Schreibens vom 20. Dezember 2010 zu dem Klägervortrag nicht aus, stellt damit eine (vorweggenommene) Sachverhaltswürdigung dar, die erst nach Erhebung des zu der in Rede stehenden Behauptung angebotenen Beweises zulässig ist.
- 8
- Die Ablehnung eines für eine beweiserhebliche Tatsache angetretenen Beweises ist allerdings auch zulässig, wenn das tatsächliche Vorbringen zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber willkürlich "aufs Geratewohl", gleichsam "ins Blaue hinein" aufgestellt ist (st. Rspr. z.B. Senat aaO Rn. 42 mwN). Bei der Annahme von Willkür ist jedoch Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vorliegen (Senat aaO mwN). Dies kann hier jedoch nicht angenommen werden.
- 9
- Das Berufungsgericht ist ferner nicht der unter Beweis gestellten Behauptung der Klägerin nachgegangen, die Marketingveranstaltung im November 2010 habe tatsächlich stattgefunden. Gegebenenfalls sind Feststellungen auch hierzu nachzuholen.
- 10
- 2. Hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs in Höhe von 270.000 € be- steht kein Revisionszulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Senat sieht insoweit gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO von einer Begründung ab.
Tombrink Remmert
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 20.11.2013 - 4 HKO 3994/11 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 14.08.2014 - 12 U 2539/13 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag
- 1.
eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen; - 2.
eine juristische Person oder parteifähige Vereinigung, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig ist, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
(2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.