Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Jan. 2019 - II ZR 94/17

published on 08/01/2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Jan. 2019 - II ZR 94/17
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Landgericht Köln, 91 O 30/15, 14/01/2016
Oberlandesgericht Köln, 18 U 19/16, 09/03/2017

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

HINWEISBESCHLUSS
II ZR 94/17
vom
8. Januar 2019
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2019:080119BIIZR94.17.0

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Januar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Drescher, den Richter Born, die Richterin B. Grüneberg sowie die Richter V. Sander und Dr. von Selle
beschlossen:
I. Die Parteien werden auf Folgendes hingewiesen: 1. a) Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin zu 1 für die Anfechtung des Beschlusses der Hauptversammlung des übertragenen Rechtsträgers vom 19. Juni 2015, mit dem der Streithelfer der Klägerin zu 2 zum besonderen Vertreter bestellt wurde (§ 147 Abs. 2 AktG), ist mit der Verschmelzung entfallen. Der angefochtene Beschluss hat keinerlei Wirkung für die Gesellschaft oder die Organe mehr. Auch ohne Nichtigerklärung des Beschlusses kann der besondere Vertreter keine weitere Tätigkeit entfalten, weil sein Amt mit der Verschmelzung erloschen ist (BGH, Beschluss vom 18. Juni 2013 - II ZA 4/12, ZIP 2013, 1467 Rn. 3 mwN). Es ist - auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin zu 1 - nicht ersichtlich, dass eine Nichtigerklärung noch Auswirkungen auf die Rechtsbeziehung der Gesellschaft, der Aktionäre, der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats haben kann. Wenn ein Beschluss keinerlei Wirkung für Vergangenheit und Zukunft mehr hat, besteht auch an seiner Vernichtung oder Klärung der Rechtmäßigkeit kein anerkennenswertes Rechtsschutzinteresse mehr (BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 - II ZR 56/12, ZIP 2013, 720 Rn. 10, 13 f.). Zwar besteht grundsätzlich das Interesse an der Vernichtung eines Beschlusses fort, wenn er für die Vergangenheit Grundlage für weitere Rechtshandlungen oder Maßnahmen war. Im Rahmen seines Aufgabenkreises besitzt der besondere Vertreter aber Organqualität, so dass die Grundsätze der fehlerhaften Bestellung auch auf ihn anwendbar sind. Dies hat zur Folge, dass auch bei einer Nichtigerklärung des angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses die bis zur Abberufung vollzogenen Rechtshandlungen des besonderen Vertreters für die Gesellschaft wirksam bleiben (BGH, Beschluss vom 27. September 2011 - II ZR 225/08, ZIP 2011, 2195, 2196) und damit auch für die Vergangenheit das Rechtsschutzinteresse an der Nichtigerklärung entfällt. 1. b) Hinsichtlich des die Klägerin zu 1 betreffenden angefochtenen Geltendmachungsbeschlusses (§ 147 Abs. 1 AktG) ist fraglich, ob ein solcher nach einer Verschmelzung überhaupt noch eine Bindungswirkung entfaltet (dagegen: Mock in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 147 Rn. 25, 63, 167). Die Fortwirkung eines Beschlusses nach der Verschmelzung ist grundsätzlich notwendige Voraussetzung für die Feststellung eines Rechtschutzbedürfnisses (LG München I, DB 1999, 628, 629; LG Flensburg, Urteil vom 18. Juni 2008 - 6 O 78/04, juris Rn. 57; LG Bonn, ZIP 2008, 835, 836; Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl., § 246 Rn. 28; MünchKomm AktG/Hüffer/Schäfer, 4. Aufl., § 246 Rn. 53; HoffmannBecking , Festschrift Ulmer, 2003, S. 243, 257; Winter in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 8. Aufl., § 20 Rn. 40; Vossius in Widmann/Mayer, UmwG, 3. Aufl., § 28 Rn. 7). Es handelt sich insoweit um eine ungeklärte Rechtsfrage, bei der die Rechtslage nicht eindeutig ist. Der Senat sieht zunächst davon ab, sich in Bezug auf die Frage der Bindungswirkung festzulegen, da auch aus anderen Gründen in Frage kommt, dass das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin entfallen ist: In den bisher bekannt gewordenen Fällen war eine Entscheidung über diese Fragen nicht veranlasst, da der übernehmende Rechtsträger den Geltendmachungsbeschluss nach § 147 Abs. 1 AktG des übertragenden Rechtsträgers nach der Verschmelzung selbst aufgehoben hat (so u.a. OLG München, ZIP 2010, 725, 726 - HVB/UniCredito). Unabhängig davon hat der Senat für die GmbH bereits entschieden, dass das Bedürfnis für eine Beschlussanfechtung entfallen kann, wenn der Alleingesellschafter die angefochtenen Beschlüsse durch eine neue Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung aufheben und damit selbst, ohne Gestaltungsurteil, die Wirkungen der Beschlüsse beseitigen kann (BGH, Urteil vom 26. Juni 2018 - II ZR 205/16, ZIP 2018, 1492 Rn. 28). 2. a) Hinsichtlich der Revision der Klägerin zu 2 und ihres Streithelfers betreffend die Anfechtung der ablehnenden Beschlüsse nach § 147 Abs. 1 AktG ist gemäß § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO nur noch über die Kosten zu entscheiden, nachdem die übrigen Parteien der Erledigungserklärung der Klägerin zu 2 nicht innerhalb von zwei Wochen widersprochen haben. Der einfache Nebenintervenient muss die übereinstimmende Erledigung der Parteien hinnehmen (§ 67 ZPO; MünchKommZPO/Schulz, 5. Aufl., § 91a Rn. 27 mwN; BeckOK ZPO/Jaspersen, 30. Edition 15. September 2018, ZPO § 91a Rn. 20; Zöller/Althammer, ZPO, 32. Aufl., § 91a Rn. 58 - Streitgenossenschaft und Nebenintervention

).

2. b) Für die weitergehende Revision der Klägerin zu 2 betreffend die von ihr erhobene Klage auf Feststellung, dass die Nichtannahme der Anträge zu TOP 9 zur Abstimmung durch den Versammlungsleiter in der Hauptversammlung vom 19. Juni 2015 rechtswidrig gewesen sei und sie in ihren Rechten verletzt habe, dürfte ein ggf. bestehendes Feststellungsinteresse mit dem Squeeze-out und der Verschmelzung jedenfalls entfallen sein. Scheidet ein Anfechtungskläger - wie hier die Klägerin zu 2 - aus dem Kreis der Gesellschafter aus, entfällt die Anfechtungsbefugnis, sofern der Gesellschafter kein rechtlich geschütztes Interesse an der Fortsetzung mehr hat (BGH, Urteil vom 25. Februar 1965 - II ZR 287/63, BGHZ 43, 261, 266 ff.; Urteil vom 9. Oktober 2006 - II ZR 46/05, BGHZ 169, 221 Rn. 14; Urteil vom 26. Juni 2012 - II ZR 30/11, ZIP 2012, 1753 Rn. 26). Ist keine Anfechtungsklage, sondern eine Feststellungsklage erhoben, dürfte das nicht anders sein. Für ein fortbestehendes Interesse an der Feststellung ist bisher nichts ersichtlich. Der Ausgang der Feststellungsklage hat
keine rechtlich erheblichen Auswirkungen auf die Rechtsbeziehung der Klägerin zu 2 zur Gesellschaft mehr. 3. Für die Revision der Beklagten und ihrer Streithelferin, der Klägerin zu 1, betreffend die Entscheidung des Berufungsgerichts zu der Nichtigerklärung des Beschlusses, mit dem die Abwahl des satzungsmäßigen Versammlungsleiters Dr. B. abgelehnt worden ist und die Feststellung, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19. Juni 2015 vor der Abstimmung über die Beschlussvorschläge zu TOP 8 und 9 den Beschluss gefasst habe, "Der satzungsmäßige Versammlungsleiter Herr Dr. B. wird mit sofortiger Wirkung abgewählt", gilt Folgendes: Mit dem Ausschluss der Minderheitsaktionäre und der Verschmelzung des übertragenden Rechtsträgers auf die jetzige Beklagte als übernehmenden Rechtsträger dürfte auch hier das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin zu 2 für die kombinierte Anfechtungs- und positive Feststellungsklage entfallen sein. Scheidet ein Anfechtungskläger - wie hier die Klägerin zu 2 - aus dem Kreis der Gesellschafter aus, entfällt die Anfechtungsbefugnis, sofern der Gesellschafter kein rechtlich geschütztes Interesse an der Fortsetzung mehr hat. Ein solches fortbestehende Rechtsschutzinteresse ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Ausgang des Anfechtungsverfahrens keine rechtlich erheblichen Auswirkungen
auf die als Vermögensausgleich für den Verlust der Mitgliedsrechte zu gewährende angemessene Barabfindung (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2006 - II ZR 46/05, BGHZ 169, 221 Rn. 19; Urteil vom 26. Juni 2012 - II ZR 30/11, ZIP 2012, 1753 Rn. 26). Durch die erstrebte Aufhebung des ablehnenden Beschlusses und die positive Feststellung, dass der Versammlungsleiter abgewählt sei, kann auch weder eine Gestaltungswirkung eintreten, noch hat die Nichtigerklärung Auswirkungen auf die Rechtsbeziehung der Gesellschaft, der Aktionäre, der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 - II ZR 56/12, BGHZ 196, 195 Rn. 13 f.). Denn mit der Verschmelzung und dem Erlöschen der übertragenden Gesellschaft hat der Versammlungsleiter seine Funktion und seine Stellung verloren.
II. Soweit vor einer Entscheidung über das weitere Vorgehen Erklärungen abgegeben werden sollen, sieht der Senat diesen innerhalb eines Monats ab Zugang dieses Beschlusses entgegen.

Drescher Born B. Grüneberg V. Sander von Selle
Hinweis: Der Rechtsstreit wurde für erledigt erklärt. Über die Kosten des Verfahrens wurde durch Beschluss vom 8. Oktober 2019 gemäß § 91a ZPO entschieden.
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 14.01.2016 - 91 O 30/15 -
OLG Köln, Entscheidung vom 09.03.2017 - 18 U 19/16 -
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(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich
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(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich
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Annotations

(1) Die Ersatzansprüche der Gesellschaft aus der Gründung gegen die nach den §§ 46 bis 48, 53 verpflichteten Personen oder aus der Geschäftsführung gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats oder aus § 117 müssen geltend gemacht werden, wenn es die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit beschließt. Der Ersatzanspruch soll binnen sechs Monaten seit dem Tage der Hauptversammlung geltend gemacht werden.

(2) Zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs kann die Hauptversammlung besondere Vertreter bestellen. Das Gericht (§ 14) hat auf Antrag von Aktionären, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von einer Million Euro erreichen, als Vertreter der Gesellschaft zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs andere als die nach den §§ 78, 112 oder nach Satz 1 zur Vertretung der Gesellschaft berufenen Personen zu bestellen, wenn ihm dies für eine gehörige Geltendmachung zweckmäßig erscheint. Gibt das Gericht dem Antrag statt, so trägt die Gesellschaft die Gerichtskosten. Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. Die gerichtlich bestellten Vertreter können von der Gesellschaft den Ersatz angemessener barer Auslagen und eine Vergütung für ihre Tätigkeit verlangen. Die Auslagen und die Vergütung setzt das Gericht fest. Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig; die Rechtsbeschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt.

(3) (weggefallen)

(4) (weggefallen)

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

Der Nebenintervenient muss den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der er sich zur Zeit seines Beitritts befindet; er ist berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, insoweit nicht seine Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen. Für ihn gelten die §§ 141 und 278 Absatz 3 entsprechend.

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.