Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2008 - I ZB 20/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 523 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- I. Die Antragsgegnerin reichte beim Landgericht eine Schutzschrift ein, nachdem sie von der Antragstellerin wegen eines vermeintlichen Wettbewerbsverstoßes abgemahnt worden war. Die Schutzschrift enthielt den Antrag, einen etwaigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen, und eine nähere Begründung hierzu. Am folgenden Tag beantragte die Antragstellerin beim Landgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung.
- 2
- Das Landgericht beschloss, nicht ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden und Termin hierzu nur auf ausdrücklichen Antrag zu bestimmen. Es wies die Antragstellerin darauf hin, dass eine Schutzschrift vorlag. Die Antragstellerin nahm in der Folgezeit den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Nach der daraufhin vom Landgericht getroffenen Kostenentscheidung hat die Antragstellerin die Verfahrenskosten zu tragen.
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- Die Antragsgegnerin hat neben der Kostenpauschale die Festsetzung einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV beantragt.
- 5
- Dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rechtsmittel der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht stattgegeben.
- 6
- Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter, bei den festzusetzenden Kosten nur eine 0,8-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 RVG VV zu berücksichtigen.
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- II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.
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- 1. Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, die 1,3-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV sei nicht zu ermäßigen. Nach der Regelung der Nr. 3101 RVG VV komme eine Ermäßigung nicht in Betracht, wenn - wie vorlie- gend - der Auftrag erst ende, wenn die Sachvortrag enthaltende Schutzschrift bereits bei Gericht eingereicht sei.
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- 2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
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- a) Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei oder im Falle der Antrags- oder Klagerücknahme der Antragsteller oder Kläger (§ 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO) dem Gegner die diesem erwachsenden Kosten zu erstatten , soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Die Kosten einer Schutzschrift zur Verteidigung gegen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sind grundsätzlich erstattungsfähig , wenn ein entsprechender Antrag gestellt wird; dies gilt auch dann, wenn der Antrag nach Einreichung der Schutzschrift abgelehnt oder zurückgenommen wird (BGH, Beschl. v. 23.11.2006 - I ZB 39/06, GRUR 2007, 727 Tz. 15 = WRP 2007, 786 - Kosten der Schutzschrift II).
- 11
- b) Die Höhe der Gebühr richtet sich vorliegend nach Nr. 3100 und Nr. 3101 RVG VV. Die 1,3-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 entsteht nach Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 2 RVG VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Sie ermäßigt sich nach Nr. 3101 RVG VV auf eine 0,8-fache Gebühr, wenn der Auftrag sich erledigt, bevor der Rechtsanwalt die Klage, den ein Verfahren einleitenden Antrag oder einen Schriftsatz, der Sachanträge , Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Antrags enthält, eingereicht hat.
- 12
- Die Voraussetzungen der Ermäßigung der 1,3-fachen Verfahrensgebühr der Nr. 3100 RVG VV liegen im Streitfall nicht vor. Die Schutzschrift der Antragsgegnerin enthielt bereits Sachvortrag i.S. der Nr. 3101 RVG VV. Davon ist auszugehen, wenn die Schutzschrift Tatsachen- oder Rechtsausführungen zur Sache und nicht nur Verfahrensanträge enthält (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., 3101 VV Rdn. 13; Keller in Riedel/Sußbauer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz , 9. Aufl., VV Teil 3 Abschn. 1 Rdn. 24). Eine Gebührenermäßigung nach Nr. 3101 RVG VV scheidet dann aus (OLG Nürnberg NJW-RR 2005, 941; OLG Düsseldorf AGS 2006, 489; OLG München AGS 2007, 557; Hartmann aaO 3101 VV Rdn. 13; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz , 17. Aufl., Anh. II Rdn. 127; Bischof in Kompaktkommentar RVG, 2. Aufl., Nr. 3101 VV Rdn. 27; a.A. OLG Hamburg MDR 2005, 1196; OLG Frankfurt OLG-Rep 2006, 793; N. Schneider in Gebauer/Schneider, RVG, 3. Aufl., § 11 Rdn. 79; Keller in Riedel/Sußbauer aaO VV Teil 3 Abschn. 1 Rdn. 26).
- 13
- aa) Unter Geltung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung entsprach es allerdings der ganz überwiegenden Meinung, dass der Gebührenanspruch nach § 31 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 BRAGO nur eine halbe Gebühr umfasste, wenn der Auftrag zu einem Zeitpunkt endete, zu dem der Rechtsanwalt lediglich eine Schutzschrift bei Gericht eingereicht hatte. Die in einer vorsorglich eingereichten Schutzschrift enthaltenen Anträge waren keine Sachanträge i.S. des § 32 Abs. 1 BRAGO (vgl. BGH, Beschl. v. 13.2.2003 - I ZB 23/02, GRUR 2003, 456 = WRP 2003, 516 - Kosten der Schutzschrift I, m.w.N.).
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- bb) Mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ist gegenüber der Rechtslage unter Geltung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung eine Erweiterung des Katalogs in Nr. 3101 RVG VV, bei dem eine Ermäßigung des Gebührentatbestandes bei Auftragsbeendigung ausscheidet, um Schriftsätze, die Sachvortrag enthalten, eingeführt worden. Damit sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Anwendungsbereich der Nr. 3101 RVG VV gegenüber § 32 Abs. 1 BRAGO auf Verfahren ohne besondere Sachanträge, und zwar insbesondere auf FGG-Verfahren, ausgedehnt worden ist (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 15/1971, S. 211). Die damit verbundene Anwendung der Bestimmung mit der Folge des Ausschlusses der Gebührenermäßigung bei einem Schriftsatz mit Sachvortrag ohne einen Sachantrag auch in Streitverfahren ist im Gesetzgebungsverfahren als sachgerecht angesehen worden (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf aaO S. 211). Diese Änderung der Rechtslage in Nr. 3101 RVG VV gegenüber § 32 Abs. 1 BRAGO hat zur Folge, dass eine Gebührenermäßigung ausgeschlossen ist, wenn der Auftrag endet, nachdem die Schutzschrift, die Sachvortrag enthält, bei Gericht eingereicht und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt worden ist. Den Sachvortrag muss das Gericht, wenn ihm die Schutzschrift zur Kenntnis gelangt , bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen (BGH GRUR 2003, 456 - Kosten der Schutzschrift I). Der Sachvortrag in einer vorsorglich eingereichten Schutzschrift unterscheidet sich zwar von einer Entgegnung auf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dadurch, dass er unter Umständen auf Vermutungen über den Inhalt der Antragsschrift angewiesen ist, die er zu entkräften sucht. Nach der Neuregelung der Nr. 3101 RVG VV rechtfertigt dies aber nicht die unterschiedliche Behandlung des Vortrags in einer Schutzschrift und des Vortrags in einer Antragsentgegnung im Verfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass der Sachvortrag in der Schutzschrift ebenfalls vom Gericht bei seiner Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu berücksichtigen ist.
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- cc) Die Höhe der Gebühr bestimmt sich vorliegend auch nicht nach Nr. 3403 RVG VV (Verfahrensgebühr für sonstige Einzeltätigkeiten), weil die Antragsgegnerin ihren Verfahrensbevollmächtigten nicht nur mit der Einreichung der Schutzschrift, sondern bereits mit der Vertretung in dem erwarteten Eilverfahren beauftragt hatte.
- 16
- III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Schaffert Bergmann
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 12.09.2006 - 84 O 146/05 -
OLG Köln, Entscheidung vom 24.01.2007 - 17 W 270/06 -
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(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).
(2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gebühren werden auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet; 0,5 Cent werden aufgerundet.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.
(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.
(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.
(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.
(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)