Bundesgerichtshof Beschluss, 26. März 2009 - 5 StR 74/09

published on 26/03/2009 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 26. März 2009 - 5 StR 74/09
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
5 StR 74/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 26. März 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. März 2009

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 27. August 2008 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) hinsichtlich des Angeklagten B. im gesamten Rechtsfolgenausspruch.

b) hinsichtlich der Angeklagten L. , soweit die Anrechnung eines Teils der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt nicht erfolgt ist.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Betruges in 29 Fällen unter Einbeziehung jeweils der Strafe aus zwei rechtskräftigen Vorentscheidungen unter Aufrechterhaltung eines Maßregelausspruchs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen die Angeklagte L. hat das Landgericht ebenfalls wegen Betruges in 29 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die jeweils mit der Sachrüge geführten Revisionen der Angeklagten haben – entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts – den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
3
a) Zwar hat das Landgericht nicht sämtliche Einzelfälle konkret nach Person des jeweiligen Arbeitnehmers, Zeitpunkt des Abschlusses des Vermittlungs - und des Arbeitsvertrages, Arbeitsantritt, Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Datum des Antrags auf Auszahlung der Vermittlungsvergütung bezeichnet. Jedoch lassen sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe die Schuldsprüche tragende, noch ausreichend präzise Mindestfeststellungen entnehmen.
4
b) Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe belegt ebenfalls, dass sich die Angeklagten im Zeitraum von Mai bis November 2004 in 29 Fällen die Vermittlungsvergütung nach § 421g Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB III in der für den Tatzeitraum geltenden Fassung betrügerisch verschafft haben, indem sie, gemeinschaftlich handelnd, den zuständigen Sachbearbeiter der Bundesagentur für Arbeit darüber getäuscht und einen entsprechenden Irrtum erregt haben, dass in den im Urteil bezeichneten Fällen eine „Vermittlung“ im Sinne von § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III stattgefunden hat, die Voraussetzung für die Auszahlung der Vergütung ist. An einer „Vermittlung“ fehlte es, weil die Angeklagten entgegen den ausdrücklichen Erklärungen der Angeklagten L. gegenüber der Bundesagentur miteinander verflochten waren (vgl. zum Begriff der Verflechtung BSG NJW 2007, 1902, 1903 f.). Denn der Angeklagte B. übte bestimmenden Einfluss auf die Angeklagte L. aus; jene war von ihm wirtschaftlich abhängig. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Erklärungen der Angeklagten L. veranlasste der Sachbearbeiter die Auszahlung der Vermittlungsgebühr in Höhe von jeweils 1.000 € an die Angeklagte L. . Bei dieser Sachlage kann offenbleiben , ob – wie vom Landgericht angenommen – außerdem eine Täuschung über das Nichtvorliegen des Ausschlusstatbestands nach § 421g Abs. 3 Nr. 3 SGB III gegeben ist, weil von vornherein feststand, dass der Angeklagte B. die Arbeitnehmer weniger als drei Monate, nämlich jeweils nur für wenige Tage beschäftigen würde.
5
2. Der gesamte Strafausspruch gegen den Angeklagten B. hat keinen Bestand.
6
a) Die Einbeziehung der Strafe gegen den Angeklagten B. aus dem Urteil des Amtsgerichts Brandenburg vom 14. März 2006 setzt voraus, dass wegen des Ablaufs der bis zum 13. März 2008 bestimmten Bewährungszeit noch kein Erlass nach § 56g StGB erfolgt war (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2008 – 5 StR 450/08 Rdn. 3; Fischer, StGB 56. Aufl. § 55 Rdn. 6). Feststellungen hierzu enthält das Urteil nicht. Sie werden nachzuholen sein.
7
b) Ist kein Erlass erfolgt, hätte das Landgericht fehlerhaft die Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Brandenburg vom 3. September 2007 in die Gesamtstrafe einbezogen. Die diesem Strafbefehl zugrunde liegende Tat wurde am 6. Juli 2007 und damit nach dem (ohne Erlass) eine Zäsurwirkung auslösenden Urteil des Amtsgerichts Brandenburg vom 14. März 2006 begangen. Insoweit fehlt es demgemäß an den Voraussetzungen des § 55 StGB (vgl. Fischer aaO § 55 Rdn. 9 ff.). Gegebenenfalls entfiele auch die Aufrechterhaltung des Maßregelausspruchs.
8
c) Zutreffend weist der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 3. März 2009 darauf hin, dass im Fall des Bestehens einer Gesamtstrafenlage mit der zu a) erörterten Vorverurteilung bei der Bildung der Gesamtstrafe das Spannungsverhältnis zwischen § 55 StGB und § 56g StGB zu würdigen ist (dazu BGHR StGB § 55 Abs. 1 Einbeziehung 2; BGH aaO Rdn. 4). Um dies effektiv zu ermöglichen, hebt der Senat – dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend – auch die Einzelstrafen auf. Das neue Tatgericht wird zudem feststellen müssen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Angeklagte B. im Rahmen der Bewährung Leistungen nach § 56b Abs. 2, 3 StGB erbracht hat, die bei der Einbeziehung in eine nicht aussetzungsfähige Gesamtstrafe nach § 58 Abs. 2 Satz 2, § 56f Abs. 3 StGB in der Regel anzurechnen wären (vgl. BGHSt 36, 378, 381 m.w.N.).
9
3. Ferner wird das neue Tatgericht hinsichtlich beider Angeklagter eine Entscheidung über den Ausgleich eines möglichen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zu treffen haben. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts (zu den notwendigen Feststellungen und Prüfungsschritten BGHSt [GS] 52, 124; Fischer aaO § 46 Rdn. 132 f.), der einen etwaigen Verstoß hier bereits auf die Sachrügen als Erörterungsmangel aufgegriffen hat.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Widerruft das Gericht die Strafaussetzung nicht, so erläßt es die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit. § 56f Abs. 3 Satz 1 ist anzuwenden.

(2) Das Gericht kann den Straferlaß widerrufen, wenn der Verurteilte wegen einer in der Bewährungszeit begangenen vorsätzlichen Straftat zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wird. Der Widerruf ist nur innerhalb von einem Jahr nach Ablauf der Bewährungszeit und von sechs Monaten nach Rechtskraft der Verurteilung zulässig. § 56f Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Widerruft das Gericht die Strafaussetzung nicht, so erläßt es die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit. § 56f Abs. 3 Satz 1 ist anzuwenden.

(2) Das Gericht kann den Straferlaß widerrufen, wenn der Verurteilte wegen einer in der Bewährungszeit begangenen vorsätzlichen Straftat zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wird. Der Widerruf ist nur innerhalb von einem Jahr nach Ablauf der Bewährungszeit und von sechs Monaten nach Rechtskraft der Verurteilung zulässig. § 56f Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Das Gericht kann dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Dabei dürfen an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(2) Das Gericht kann dem Verurteilten auferlegen,

1.
nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen, wenn dies im Hinblick auf die Tat und die Persönlichkeit des Täters angebracht ist,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder
4.
einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse zu zahlen.
Eine Auflage nach Satz 1 Nr. 2 bis 4 soll das Gericht nur erteilen, soweit die Erfüllung der Auflage einer Wiedergutmachung des Schadens nicht entgegensteht.

(3) Erbietet sich der Verurteilte zu angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht das Gericht in der Regel von Auflagen vorläufig ab, wenn die Erfüllung des Anerbietens zu erwarten ist.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, so ist für die Strafaussetzung nach § 56 die Höhe der Gesamtstrafe maßgebend.

(2) Ist in den Fällen des § 55 Abs. 1 die Vollstreckung der in der früheren Entscheidung verhängten Freiheitsstrafe ganz oder für den Strafrest zur Bewährung ausgesetzt und wird auch die Gesamtstrafe zur Bewährung ausgesetzt, so verkürzt sich das Mindestmaß der neuen Bewährungszeit um die bereits abgelaufene Bewährungszeit, jedoch nicht auf weniger als ein Jahr. Wird die Gesamtstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt, so gilt § 56f Abs. 3 entsprechend.

(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person

1.
in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,
2.
gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß sie erneut Straftaten begehen wird, oder
3.
gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft oder bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung in einem einbezogenen Urteil und der Rechtskraft der Entscheidung über die Gesamtstrafe begangen worden ist.

(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,

1.
weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder
2.
die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern.
In den Fällen der Nummer 2 darf die Bewährungszeit nicht um mehr als die Hälfte der zunächst bestimmten Bewährungszeit verlängert werden.

(3) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen.