Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2010 - 5 StR 489/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten unter Einbeziehung der Strafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 16. Februar 2010 wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und vier Monate Freiheitsstrafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt erklärt. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt – zu 2. entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts – den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Der Schuldspruch hat im Ergebnis Bestand. Allerdings wären hinsichtlich des Faserspurengutachtens die hierfür geltenden Erörterungspflichten zu erfüllen gewesen (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 335, 336; Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 261 Rdn. 11c m.w.N.). Namentlich im Hinblick auf Äußerungen des Angeklagten im Zuge der bei ihm durchgeführten Wohnungsdurchsuchung und gegenüber dem Sachverständigen sowie wegen auf dem entwendeten Koffer sichergestellter DNA-Spuren des Angeklagten wird die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung durch das Unterlassen hinreichender Ausführungen indessen nicht durchgreifend in Frage gestellt.
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- 2. Jedoch ist der Strafausspruch aufzuheben, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft das Vorliegen eines minder schweren Falls nach § 250 Abs. 3 StGB ausgeschlossen hat. Zwar sind Bedenken gegen Formulierungen des Landgerichts in Bezug auf ein nicht gegebenes uneingeschränktes Geständnis, die Relativierung des Zeitablaufs seit der Tat durch eine im Jahr 2009 begangene weitere Straftat und die konkrete Gefährlichkeit des Werkzeugs (fahrendes Kraftfahrzeug) letztlich nicht durchgreifend. Gleichwohl ist die Entscheidung angesichts des Umfangs und Gewichts der dem – in seiner Schuldfähigkeit verminderten – Angeklagten zugute gehaltenen Milderungsgründe auch nach Auffassung des Senats nicht mehr vertretbar. Nicht hinreichend berücksichtigt wird insbesondere der Umstand, dass der Geschädigte sofort wieder in den Besitz des gestohlenen Koffers gelangte, die Tat mithin durch besondere Versuchsnähe geprägt ist.
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- 3. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ablehnt, lassen besorgen, dass es einen unzutreffenden Begriff des „Hangs“ im Sinne des § 64 StGB zugrunde legt. Nach den getroffenen Feststellungen missbrauchte der Angeklagte über Jahre hinweg im Übermaß Kokain, Tilidin, Alkohol und Cannabis (UA S. 4, 21). Der von der Strafkammer angehörte Sachverständige diagnostizierte „multiplen Substanzmissbrauch bis Abhängigkeit“ (Politoxikomanie; UA S. 21). Dass es dem Angeklagten etwa seit Anfang des Jahres gelungen ist, auftretende Entzugserscheinungen unter anderem durch Beten (UA S. 4) zu überwinden und dass er etwa seit dieser Zeit wohl keine Drogen mehr nimmt, hindert die Annahme eines Hangs nicht (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17. Mai 2010 – 5 StR 130/10 m.w.N.). Weil die negative Gefährlichkeitsprognose wesentlich auf der rechtsfehlerhaften Ablehnung des Hangs beruht , ist auch ihr die Grundlage entzogen.
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- Das neue Tatgericht wird sich danach eingehender als bisher geschehen mit der Frage der Unterbringung nach § 64 StGB zu befassen haben. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, würde die Anordnung der Maßregel nicht hindern (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).
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- 4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Mit der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 14. Mai 2007 ist keine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden. Die Strafe aus diesem Urteil betrifft nämlich eine am 17. Januar 2006 begangene Tat, weswegen eine Gesamtstrafenlage mit dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 6. April 2006 besteht, ohne dass die insoweit erfüllten Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB auch für die hier zu beurteilende Tat vom 12. Mai 2006 gegeben sind. Aufgrund Zäsurwirkung des Urteils vom 6. April 2006 scheidet die in der Antragsschrift befürwortete Gesamtstrafbildung demnach aus.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn
- 1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, - c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
- 2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, - 2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder - 3.
eine andere Person - a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.