Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2006 - 5 StR 466/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Angeklagte hat die Kosten der Rechtsbehelfe zu tragen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz in 21 Fällen, wegen Betruges in Tateinheit mit Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt in 30 Fällen, wegen Wuchers in 129 Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen unter Einbeziehung der Strafen aus zwei früheren Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist und seine Revision bleiben ohne Erfolg.
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 19. Oktober 2005 zutreffend ausgeführt: „Nach Verkündung des Urteils hat der Verurteilte in Übereinstimmung mit seinem damaligen Verteidiger auf der Grundlage einer vorangegangenen Urteilsabsprache (vgl. Sitzungsniederschrift vom 05. Mai 2004, S. 3, ProtBd. Bl. 119) auf Rechtsmittel verzichtet (vgl. Sitzungsniederschrift vom 05. Mai 2004, S. 8 R, ProtBd. Bl. 122 R). Eine qualifizierte Rechtsmittelbelehrung wurde ihm nicht erteilt. Nach erfolgloser Durchführung des Wiederauf- nahmeverfahrens hat der Verurteilte gegen das vorbezeichnete Urteil Revision eingelegt und beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist nach § 341 Abs. 1 StPO zu gewähren. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hat er vorgetragen, seinerzeit vor der Abgabe des Rechtsmittelverzichts nicht ordnungsgemäß belehrt worden zu sein. Sein damaliger Verteidiger habe ihm erklärt, dass er das Urteil nach erklärtem Rechtsmittelverzicht nicht mehr anfechten könne. Darüber hinaus hätte ihn der auf ihm lastende, von den übrigen Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung verursachte Druck davon abgehalten, rechtzeitig eine Überprüfung des nunmehr angefochtenen Urteils im Wege des Revisionsverfahrens zu veranlassen. Von dieser Möglichkeit habe er erst am 26. August 2005 durch einen Beschluss des Landgerichts Göttingen über die Unzulässigkeit seines Wiederaufnahmeantrags erfahren. 1. Dem Wiedereinsetzungsantrag des Verurteilten muss der Erfolg versagt bleiben. Zwar ist ausweislich der Sitzungsniederschrift nachgewiesen, dass der von ihm nach Urteilsverkündung erklärte Rechtsmittelverzicht bereits mangels qualifizierter Belehrung unwirksam ist. Indes hat das Fehlen der erforderlichen Belehrung lediglich die Wirkung, dass dem Verurteilten die – hier überschrittene – einwöchige Frist nach § 341 Abs. 1 StPO zur Einlegung seiner Revision zur Verfügung gestanden hätte. Für eine etwaige Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist wäre die vom Verurteilten angeführte Unkenntnis der neuen einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohne Bedeutung, weil ein derartiges Manko von vornherein keine Verhinderung im Sinne von § 44 Satz 1 StPO zu begründen vermag (vgl. zuletzt Senat, Beschluss vom 20. September 2005 – 5 StR 354/05 –; BGH, Beschluss vom 31. August 2005 – 2 StR 308/05 –). 2. Soweit der Verurteilte sein Wiedereinsetzungsgesuch auf das Verhalten seines Verteidigers in und nach der Hauptverhandlung stützt und zudem Druckausübung seitens des Gerichts reklamiert, fehlt es an einer (hinreichenden) Glaubhaftmachung der geltend gemachten Hinderungsgründe. Die Gerichtsvorsitzende, der beisitzende Richter und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft haben in ihren dienstlichen Stellungnahmen übereinstimmend erklärt, keinerlei Druck auf den Ver- urteilten zur Ablegung eines Geständnisses oder zur Abgabe eines Rechtsmittelverzichts ausgeübt zu haben. Die dem entgegenstehende schlichte Erklärung des Verurteilten ist ebenso wenig ein taugliches Mittel zur Glaubhaftmachung, wie die darauf fußende anwaltliche Versicherung (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2005 – 2 StR 308/05 –). Ebenso verhält es sich im Ergebnis mit der Behauptung des Verurteilten , Rechtsanwalt F hätte ihn zum Rechtsmittelverzicht derart gedrängt , dass er sich längere Zeit gehindert gesehen habe, Revision einzulegen. Aktenkundig und damit glaubhaft gemacht sind unter anderem abweichende Einschätzungen von Verteidiger und Verurteiltem über die sachgerechte Ausgestaltung der Verteidigung. Derartige Divergenzen legen indes den Schluss auf unzulässige Druckausübung, wie das überaus aktive und autonom bestimmte Prozessverhalten des Verurteilten sinnfällig demonstriert – gerade nicht nahe. Schließlich fehlt es auch hinsichtlich des Vortrags, die rechtsfehlerhafte Belehrung durch Rechtsanwalt F über die Unanfechtbarkeit der Entscheidung hätte ihn von der unverzüglichen Einlegung der Revision abgehalten , an einer dem Gesetz entsprechenden Glaubhaftmachung. Im Übrigen könnte dieser Umstand das Wiedereinsetzungsgesuch aus den unter 1. genannten Erwägungen nicht rechtfertigen, zumal da eine entsprechende Auskunft des Verteidigers der seinerzeit weitestgehend geteilten Rechtsauffassung entsprochen hätte und also kaum als eine Täuschung des Verurteilten über die ihm verbliebenen Handlungsmöglichkeiten angesehen werden könnte. … 3. Die Revision ist demnach als unzulässig zu verwerfen, weil sie verspätet eingelegt wurde (§ 349 Abs. 1 StPO).“ Dem ist hinzuzufügen, dass auch mit dem Schriftsatz des Verteidigers Rechtsanwalt S vom 19. Dezember 2005 Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht glaubhaft gemacht werden.
Harms Häger Gerhardt Raum Schaal
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(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.
(2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung, sofern nicht in den Fällen der §§ 234, 329 Absatz 2, § 387 Absatz 1, § 411 Absatz 2 und § 434 Absatz 1 Satz 1 die Verkündung in Anwesenheit des Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht stattgefunden hat.
War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.