Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2007 - 5 StR 334/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung wird auf seine Kosten nach § 464 Abs. 3 StPO als unbegründet verworfen.
G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.
- 2
- Der Strafausspruch kann keinen Bestand haben, da sich die Wertung, der Angeklagte sei uneingeschränkt schuldfähig gewesen, insbesondere ha- be bei ihm keine tiefgreifende Bewusstseinsstörung vorgelegen, als rechtsfehlerhaft erweist.
- 3
- Das Landgericht hat in die gebotene Gesamtbetrachtung für und gegen die Annahme eines schuldrelevanten Affekts sprechender Kriterien einbezogen , dass bei dem Angeklagten eine leichte alkoholische Enthemmung vorgelegen habe. Dies begegnet angesichts der festgestellten Tatzeitblutalkoholkonzentration von 2,1 Promille durchgreifenden Bedenken. Dieser Wert nähert sich bereits dem Grenzwert des Blutalkoholgehalts, von dem an eine allein alkoholbedingt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit auch bei Tötungsdelikten naheliegt (BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 35 m.w.N.). Die Feststellungen belegen auch keine psychodiagnostischen Beweisanzeichen , welche die Auswirkungen der schon beträchtlichen Alkoholisierung als untypisch gering kennzeichnen würden.
- 4
- An diese fehlerhafte Bewertung des Ausmaßes der alkoholischen Enthemmung anknüpfend lassen die Feststellungen eine hinreichende Auseinandersetzung damit vermissen, ob die beachtliche Alkoholisierung des Angeklagten im Zusammenwirken mit seiner affektiven Erregung eine die Schuldfähigkeit erheblich beeinträchtigende tiefgreifende Bewusstseinsstörung begründet hat (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 31. Januar 2007 – 5 StR 504/06 m.w.N.). Die Strafkammer hat dies zwar erwogen, dem Alkohol aber allein mit der Begründung keine affektbegünstigende Relevanz zuerkannt , dass der Angeklagte seit eineinhalb Jahren vermehrt Alkohol konsumiere. Abgesehen von der fehlerhaften Unterbewertung des Alkoholisierungsgrades fehlt es bei diesen Erwägungen an weiteren Feststellungen zum Umfang des zuletzt gesteigerten Alkoholkonsums des Angeklagten und zu dessen Einfluss auf sein individuelles Leistungsvermögen.
- 5
- Auch das von der Strafkammer gegen die Annahme eines Affekts verwendete Kriterium der sehr detailreichen Erinnerung an das Tatgeschehen wird von den Feststellungen nicht getragen. So deckt sich die Einlas- sung des Angeklagten zum Tatablauf gerade nicht mit den Feststellungen. Woher die Strafkammer dennoch die Überzeugung gewinnt, das Erinnerungsvermögen des Angeklagten sei unbeeinträchtigt, erschließt sich nicht.
- 6
- Der Senat kann zwar eine völlige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit ausschließen, nicht jedoch, dass das Landgericht bei umfassender Prüfung des Gesamtverhaltens des Angeklagten eine dem Zusammenwirken der affektiven Erregung und der alkoholischen Beeinträchtigung geschuldete tiefgreifende Bewusstseinsstörung angenommen und diese dann naheliegend unter Anwendung von §§ 21, 49 Abs. 1 StGB trotz der für sich nicht überhöhten Freiheitsstrafe weiter strafmildernd berücksichtigt hätte.
- 7
- Die Kostenbeschwerde bleibt erfolglos (§ 465 Abs. 1 Satz 1 StPO).
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind.
(2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt.
(3) Gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen ist sofortige Beschwerde zulässig; sie ist unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. Wird gegen das Urteil, soweit es die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen betrifft, sofortige Beschwerde und im übrigen Berufung oder Revision eingelegt, so ist das Berufungs- oder Revisionsgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befaßt ist, auch für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.
(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.
(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.