Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Sept. 2011 - 5 StR 315/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat zu den von allen Angeklagten jeweils zulässig erhobenen Verfahrensrügen der Verletzung des § 247a StPO: Das Landgericht hat – nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten – auf jeweils schriftlich gestellten Antrag zweier Zeugen deren audiovisuelle Vernehmung gemäß § 247a StPO durch außerhalb der Hauptverhandlung erlassenene Beschlüsse angeordnet und diese den Verfahrensbeteiligten formlos mitgeteilt. Eine Verkündung und Verlesung der Beschlüsse in der Hauptverhandlung erfolgte nicht. Entsprechend den Anordnungen wurden die Zeugen audiovisuell vernommen, ohne dass die Angeklagten dieser Vorgehensweise widersprachen.
Die von den Revisionen vorgebrachten Einwendungen, dass die Beschlussanordnungen nach § 247a StPO nicht vom gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erlassen worden seien, weil hierfür ausschließlich die Gerichtsbesetzung in der Hauptverhandlung einschließlich der Schöffen zuständig gewesen wäre, greifen nicht. Eine gesetzliche Regelung, wonach zwingend die Gerichtsbesetzung in der Hauptverhandlung über die Anordnung nach § 247a StPO zu entscheiden hat, besteht nicht. Ein solches Erfordernis ist auch nicht aus der Gesetzessystematik als Vorschrift des Zweiten Buches, 6. Abschnitt der Strafprozessordnung herzuleiten. Der Bundesgerichtshof hat mehrfach entschieden, dass auch bei laufender Hauptverhandlung Gerichtsentscheidungen in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung getroffen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 27. August
1986
– 3 StR 223/86, BGHSt 34, 154, 155 f.; BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 StR 648/10, StV 2011, 295).Auch vorliegend ist die Beschlussfassung des Gerichts in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung nicht zu beanstanden. Zur Vorbereitung der audiovisuellen Vernehmung ist mitunter eine erhebliche Vorlaufzeit erforderlich, etwa um die technischen und tatsächlichen Modalitäten der Vernehmung abzuklären (vgl. Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 247a Rn. 17). Darüber hinaus hat das Gericht im Interesse der Verfahrensbeteiligten, insbesondere wenn ein Zeuge zu seinem Schutz seine audiovisuelle Vernehmung bereits im Vorfeld beantragt hat, aus Gründen der Rechtsklarheit die beabsichtigte Entscheidung zu treffen und die Beteiligten hierüber in Kenntnis zu setzen. Die Verteidigung des Angeklagten wird hierdurch nicht eingeschränkt, weil das Gericht in der Hauptverhandlung an seine Entscheidung nicht gebunden ist und jederzeit – namentlich auch auf entsprechenden Antrag von Seiten des Angeklagten – seine Entscheidung ändern kann (vgl. Becker aaO).
Basdorf Raum Schneider König Bellay
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht anordnen, daß der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 zulässig, soweit dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § 58a Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
(2) Das Gericht kann anordnen, dass die Vernehmung eines Sachverständigen in der Weise erfolgt, dass dieser sich an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Sachverständige aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Dies gilt nicht in den Fällen des § 246a. Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar.
(1) Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht anordnen, daß der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 zulässig, soweit dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § 58a Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
(2) Das Gericht kann anordnen, dass die Vernehmung eines Sachverständigen in der Weise erfolgt, dass dieser sich an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Sachverständige aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Dies gilt nicht in den Fällen des § 246a. Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar.