Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juni 2012 - 5 StR 286/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) im Schuldspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte in den Fällen II.1a und b der Urteilsgründe wegen Diebstahls mit Waffen in zwei Fällen verurteilt wurde;
b) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte im Fall II.2 der Urteilsgründe wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte schuldig ist;
c) im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie wegen Diebstahls mit Waffen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und die Vollziehung von einem Jahr der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Verurteilungen wegen Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB) haben keinen Bestand.
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- a) Nach den Feststellungen hebelte der Angeklagte mit „zwei mitge- brachten Schraubendrehern“ ein Fenster auf,um in die Geschäftsräume einer Firma zu gelangen, aus denen er eine LED-Lampe entwendete. Kurze Zeit später begab er sich zu den Geschäftsräumen einer weiteren Firma und schlug zwei Glasschiebetüren zum Lagerraum ein oder hebelte sie auf. Er trug anschließend einen Wandtresor mit über 7.000 € hinaus, wobei er die „verwendeten Schraubendreher gebrauchsbereit bei sich führte“.
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- b) Diese Feststellungen reichen nicht aus, um die Erfüllung des Tatbestands von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB zu belegen. Das Beisichführen eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass es sich um einen Gegenstand handelt, der nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juni 2008 – 3 StR 246/07, BGHSt 52, 257 – und vom 1. September 2004 – 2 StR 313/04, NJW 2004, 3437; Urteil vom 18. Februar 2010 – 3 StR 556/09, StV 2010, 628), etwa bei einer Eignung als Stichwerkzeug. Solche Feststellungen zur objektiven Gefährlichkeit hinsichtlich der Beschaffenheit der als Einbruchswerkzeug mitgeführten Schraubendreher hat das Landgericht nicht getroffen. Es grenzt diese – ohne sie näher zu beschreiben – nicht von „sonstigen Werkzeugen“ in Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB ab, bei denen eine Verwendungsabsicht des Täters zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist.
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- 2. Auch das Konkurrenzverhältnis im Fall II.2 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
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- a) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen entwendete der Angeklagte in einem Kaufhaus ein Notebook, schlug auf der Flucht einem ihn verfolgenden Kaufhausdetektiv mit der Faust ins Gesicht und setzte Pfefferspray gegen ihn ein, um sich den Besitz des Diebesgutes zu erhalten. Als er die zwischenzeitlich eingetroffenen Polizeibeamten bemerkte, ergriff der Angeklagte das vorübergehend abgelegte Notebook und floh weiter. Gegen die ihn ergreifenden Polizeibeamten setzte sich der Angeklagte mit körperlicher Gewalt zur Wehr.
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- b) Die Wertung des Landgerichts, dass der besonders schwere räuberische Diebstahl in Tatmehrheit (§ 53 StGB) zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte steht, ist rechtsfehlerhaft. Die Beutesicherungsabsicht dauerte auch bei der Festnahme des Angeklagten fort, so dass tateinheitliche Begehung (§ 52 StGB) vorliegt.
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- c) Der Senat stellt daher den Schuldspruch entsprechend um. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
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- 3. Die Aufhebung der Schuldsprüche und die Schuldspruchänderung haben den Wegfall der Einzelstrafaussprüche und der – entgegen der Dar- stellung in den Urteilsgründen nicht „eng zusammengezogenen“ – Gesamt- freiheitsstrafe zur Folge.
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- 4. Der Senat hebt auch die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) auf, weil die Erwägungen des Landgerichts nicht frei von Rechtsfehlern sind.
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- Die Strafkammer geht zutreffend von einem Hang des Angeklagten aus, zur Befriedigung seiner langjährigen Suchtmittelabhängigkeit schwerwiegende Straftaten zu begehen. Die von ihr angenommene hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg (§ 64 Satz 2 StGB) ist aber nicht ausreichend begründet. Das Landgericht legt lediglich dar, dass die Unwilligkeit des Angeklagten, sich im Maßregelvollzug therapieren zu lassen, einer Unterbringungsanordnung nicht entgegensteht. Unerörtert bleibt hingegen , ob überhaupt eine konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten durch die Behandlung zu heilen oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren. Der Angeklagte hat seit 1996 eine Vielzahl von Entwöhnungsbehandlungen absolviert und ist stets wieder rückfällig geworden. Auch eine 2003/2004 durchgeführte Unterbringung in einer Entziehungsanstalt blieb nach neun Monaten ohne Erfolg und wurde für erledigt erklärt. Es versteht sich daher nicht von selbst, dass eine erneute Maßregelanordnung einen Erfolg erzielen könnte.
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
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einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
- 2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt oder - 3.
einen Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 3 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(4) Betrifft der Wohnungseinbruchdiebstahl nach Absatz 1 Nummer 3 eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.
(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.
(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.