Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Juli 2017 - 5 StR 202/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 11. Juli 2017 gemäß § 349 Abs.2 und 4 StPO beschlossen:
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Brandstiftung in neun Fällen, versuchter Brandstiftung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung, und wegen Sachbeschädigung in vier weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt. Seine Revision führt mit der Sachrüge zu einer Korrektur des Schuldspruchs und zum Wegfall von fünf Einzelstrafen, bleibt indes im Übrigen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- In den Fällen 4.1 und 4.2 sowie 5.1 bis 5.3 und 5.5 bis 5.7 der Urteilsgründe ist die Strafkammer zu Unrecht von Tatmehrheit ausgegangen. In diesen Fällen setzte der Angeklagte jeweils unmittelbar nacheinander vor demselben Haus (4.1 und 4.2) bzw. an derselben Straßenecke (5.1 bis 5.3) oder auf demselben Parkplatz (5.5 bis 5.7) mehrere Pkw in Brand.
- 3
- Diese Handlungen sind bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise jeweils als einheitliches zusammengehöriges Tun und damit rechtlich als eine Tat anzusehen; denn eine natürliche Handlungseinheit ist anzunehmen, wenn zwischen einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich bedeutsamer Betätigungen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht , dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint und die einzelnen Betätigungsakte auch durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 1992 – 3 StR 520/92, BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss, einheitlicher 7; Urteil vom 27. Juni 1996 – 4 StR 166/96, NStZ 1996, 493 f.). In den genannten Fällen stehen die Taten in engstem räumlichem und zeitlichem Zusammenhang. Nach den Feststellungen ist davon auszugehen, dass sich der Angeklagte nach der nur wenige Sekunden in Anspruch nehmenden (UA S. 21) Brandlegung mit Hilfe von Brandbeschleuniger sofort dem nächsten Fahrzeug zuwandte. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Brandlegungen jeweils auf einem einheitlichen Willensentschluss beruhten, zumal es dem Angeklagten „nicht darauf ankam, ein bestimmtes Objekt zu zerstören, sondern darauf, sich durch das Feuer persönliche Erleichterung und die Aufmerksamkeit anderer Personen zu sichern“ (UA S. 29).
- 4
- Der Angeklagte ist damit der Brandstiftung in lediglich vier Fällen schuldig ; der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hiergegen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung und zum Wegfall der Einzelstrafaussprüche in den Fällen 4.1, 5.1 und 5.2 sowie 5.6 und 5.7. Die in den Fällen 4.2, 5.3 und 5.5 verhängten Einzelstrafen bleiben bestehen. Die Gesamtfreiheitsstrafe kann trotz Wegfalls der genannten fünf Einzelstrafen aufrechterhalten bleiben. Angesichts der Einsatzstrafe von zwei Jahren und acht Monaten (Fall 5.5) sowie der verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen von zweimal zwei Jahren (Fälle 5.3 und 5.4), einmal einem Jahr und sechs Monaten (Fall 4.2), zweimal einem Jahr und zwei Monaten (Fälle 1 und 3.1), einmal einem Jahr (Fall 5.8) sowie sechs Monaten (Fall 2), drei Monaten und zwei Monaten (Fälle 3.2 und 3.3) kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht unter Wegfall der genannten Einzelfreiheitsstrafen auf eine mildere Strafe erkannt hätte. Der Gesamtunrechtsgehalt aller Taten ist durch die abweichende Beurteilung der Konkurrenzen unverändert geblieben.
Dölp König
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden.
(2) Zuständig für den Beschluß ist das Gericht höherer Ordnung, wenn die übrigen Gerichte zu seinem Bezirk gehören. Fehlt ein solches Gericht, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.