Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2005 - 4 StR 85/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 75 Fällen, versuchten Betrugs und gewerbsmäßiger Hehlerei unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat nur zum Maßregelausspruch Erfolg.
1. Der Senat hat mit Urteil vom 6. Juli 2004 (NJW 2004, 2686, zum Abdruck in BGHSt 49, 209 vorgesehen) die Revision des Angeklagten, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet, verworfen und die Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten gegen die in dem angefochtenen Urteil angeordnete Maßregel sowie über die Kosten der Revisi-
on einer abschließenden Entscheidung vorbehalten. Mit Beschluß vom 26. August 2004 (NJW 2004, 3497) hat er dem Großen Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob sich die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann aus der Tat ergibt, wenn ein spezifischer Zusammenhang zwischen Anlaßtat und Verkehrssicherheit besteht. Der Große Senat für Strafsachen hat mit Beschluß vom 27. April 2005 - GSSt 2/04 - in diesem Sinne entschieden. Danach setzt die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit bei Taten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs voraus, daß die Anlaßtat tragfähige Rückschlüsse darauf zuläßt, daß der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen.
2. Nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs käme beim Angeklagten die Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht, wenn sich der Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung aller dafür aus den Anlaßtaten erkennbar gewordenen Anknüpfungstatsachen die Überzeugung verschaffen könnte, daß der Angeklagte bereit ist, sich zur Erreichung seiner kriminellen Ziele über die im Straßenverkehr gebotene Sorgfalt und Rücksichtnahme hinwegzusetzen. Für diese Prognose könnte es genügen, daß der Angeklagte im Zusammenhang mit den Anlaßtaten naheliegend mit einer Situation gerechnet hat oder rechnen mußte, in der es zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung des Verkehrs kommen konnte, wobei auch sein in der einbezogenen Vorverurteilung gezeigtes Verhalten (riskante Fluchtfahrt aus Angst vor Entdeckung) zu berücksichtigen wäre. Insofern bedürfte es weiterer Aufklärung (vgl. BGH NStZ 2004, 86, 88 f. [Anfragebeschluß des Senats]).
Nachdem nunmehr seit Begehung der abgeurteilten Taten fast vier Jahre vergangen sind, ist es allerdings wenig wahrscheinlich, daß ergänzende, die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigende Tatsachen noch getroffen werden können. Jedenfalls erscheint es dem Senat ausgeschlossen, daß nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache ein ursprünglicher Eignungsmangel noch im Zeitpunkt der neuen tatrichterlichen Entscheidung fortbesteht (vgl. hierzu BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 2, 4; Athing in MünchKomm StGB § 69 Rdn. 61 m.w.N.). Er hebt daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Maßregelausspruch auf und läßt die Maßregel entfallen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, 5 entspr. StPO.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Ernemann
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(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.
(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen
- 1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c), - 1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d), - 2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316), - 3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder - 4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.