Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2019 - 4 StR 597/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. März 2019 beschlossen:
Gründe:
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- 1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen und bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und den „Verfall“ von Wertersatz in Höhe von 600 € angeordnet. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch seinen damaligen Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt B. , form- und fristgerecht Revision eingelegt. Rechtsanwalt B. hat die Revision unter dem 26. Oktober2018 mit der allgemeinen Sachrüge und einer die Verfallsentscheidung betreffenden Verfahrensrüge begründet. Mit weiterem Schriftsatz vom 5. November 2018, beim Landgericht eingegangen an demselben Tag, hat RechtsanwaltB. er- klärt, er nehme die Revision „namens und in Vollmacht“ des Angeklagten zu- rück. Hierauf hat das Landgericht am 6. November 2018 beschlossen, dass der Angeklagte die Kosten der zurückgenommenen Revision zu tragen habe. Mit Schreiben an das Landgericht vom 15. November 2018 hat der Angeklagte erklärt , er habe seinem Verteidiger keinen Auftrag zur Revisionsrücknahme erteilt; die Rücknahme sei ohne sein Einverständnis erfolgt, nachdem er Rechtsanwalt B. erklärt habe, er habe das Vertrauen in ihn verloren und wolle von einem neuen Pflichtverteidiger vertreten werden. Den Wunsch nach einem neuen Pflichtverteidiger aufgrund einer – nicht näher begründeten – Unzufriedenheit mit Rechtsanwalt B. hatte der Angeklagte bereits in einem Schreiben an das Landgericht vom 19. Oktober 2018 zum Ausdruck gebracht; dem war vom Vorsitzenden der Strafkammer nicht entsprochen worden, weil keine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses ersichtlich sei.
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- Auf Anfrage des Landgerichts hat Rechtsanwalt B. mit Schriftsatz vom 19. November 2018 erklärt und anwaltlich versichert, dass er mit dem Angeklagten am 2. November 2018 im Rahmen eines Telefonats den Inhalt der Revisionsbegründung vom 26. Oktober 2018 erörtert habe. Zudem habe er den Angeklagten auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Revision bezüglich der angeordneten Maßregel nach § 64 StGB hingewiesen. Hierauf habe der Ange- klagte sinngemäß erklärt, dass die Revision „nur wegen der 600 € keinen Sinn mache“ und er ein noch monatelang andauerndes Verfahren nicht wolle. Auf die sich hieran anschließende mehrfache ausdrückliche Nachfrage, ob er, Rechtsanwalt B. , die Revision zurücknehmen solle, habe der Angeklagte dies bejaht. Mit Beschluss vom 27. November 2018 hat das Landgericht die Pflichtverteidigerbestellung von Rechtsanwalt B. gemäß § 143 StPO aufgehoben, nachdem sich für den Angeklagten ein Wahlverteidiger bestellt hatte.
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- 2. Die Revision ist wirksam zurückgenommen.
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- a) Der frühere Pflichtverteidiger war zur Rechtsmittelrücknahme ermächtigt. Im Zeitpunkt der Abgabe der Rücknahmeerklärung lag die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten vor. Für diese ist keine bestimmte Form vorgeschrieben, so dass sie auch mündlich bzw. fernmündlich erteilt werden kann; für ihren Nachweis genügt die anwalt- liche Versicherung des Verteidigers (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Dezember 2016 – 4 StR 558/16, NStZ-RR 2017, 185; vom 15. April 2015 – 1 StR 112/15, NStZ-RR 2016, 24; vom 10. Februar 2005 – 3 StR 12/05, NStZ 2005, 583; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 302 Rn. 32; SSW-StPO/Hoch, 3. Aufl., § 302 Rn. 18 f.). Der frühere Pflichtverteidiger des Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 19. November 2018 im Einzelnen dargelegt, unter welchen Umständen die Ermächtigung zur Rechtsmittelrücknahme im Rahmen des Telefonats am 2. November 2018 zustande kam, und die Richtigkeit seines Vortrags anwaltlich versichert. Der Senat hat keinen Anlass, an diesen unmissverständlichen Angaben, die – auch vor dem Hintergrund etwaiger bereits bestehender Differenzen zwischen dem Angeklagten und Rechtsanwalt B. – ein schlüssiges Bild ergeben, zu zweifeln.
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- Es sind zudem keine Anhaltspunkte für Verständigungsprobleme zwischen dem Angeklagten und seinem früheren Pflichtverteidiger ersichtlich. Dies wird auch von dem Angeklagten selbst, der seit dem Jahr 2002 in Deutschland lebt und weder bei seiner polizeilichen Vernehmung noch in der Hauptverhandlung eines Dolmetschers bedurfte, nicht geltend gemacht.
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- b) Der Angeklagte hat die dem Verteidiger erteilte Ermächtigung auch nicht wirksam widerrufen. Ein Widerruf der Ermächtigung zur Revisionsrücknahme ist nur zulässig, solange die Rücknahmeerklärung noch nicht bei Gericht eingegangen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Dezember 2016 – 4 StR 558/16, NStZ-RR 2017, 185, 186; vom 8. März 2005 – 4 StR 573/04, NStZ-RR 2005, 211, 212). Das vom Angeklagten verfasste Schreiben vom 15. November 2018 ging dem Landgericht jedoch erst nach Eingang der Rücknahmeerklärung zu. Hierdurch konnte die erfolgte wirksame Revisionsrücknahme nicht widerrufen oder sonst zurückgenommen werden, da die Rechtsmittelrücknahme als Pro- zesserklärung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. April 2015 – 1 StR 112/15, aaO; vom 8. März 2005 – 4 StR 573/04, aaO; vom 10. Januar 2001 – 2 StR 500/00, BGHSt 46, 257, 258).
Feilcke Bartel
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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Die Bestellung des Pflichtverteidigers endet mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens einschließlich eines Verfahrens nach den §§ 423 oder 460.
(2) Die Bestellung kann aufgehoben werden, wenn kein Fall notwendiger Verteidigung mehr vorliegt. In den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 5 gilt dies nur, wenn der Beschuldigte mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung aus der Anstalt entlassen wird. Beruht der Freiheitsentzug in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 5 auf einem Haftbefehl gemäß § 127b Absatz 2, § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3, soll die Bestellung mit der Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls, spätestens zum Schluss der Hauptverhandlung, aufgehoben werden. In den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 soll die Bestellung mit dem Ende der Vorführung aufgehoben werden, falls der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt wird.
(3) Beschlüsse nach Absatz 2 sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.
(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.
(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.