Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2017 - 4 StR 581/16
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Ferner hat es zugunsten des Neben- und Adhäsionsklägers T. eine Adhäsions- entscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat im Wesentlichen Erfolg.
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- 1. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 StGB) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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- a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne dieser Vorschrift erst dann vor, wenn durch eine der in § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (vgl. nur Senatsurteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 122; Senatsbeschluss vom 9. September 2014 – 4 StR 251/14, NStZ 2015, 278). Dabei liegt die Wertgrenze für die Annahme der Gefährdung einer Sache von bedeutendem Wert bei mindestens 750 €, wobei die Gefährdung des vom Täter geführten Fahrzeugs außer Betracht zu bleiben hat (Senatsbeschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Gefährdung 5; vgl. auch SSW-StGB/Ernemann, 3. Aufl., § 315c Rn. 25 mwN).
- 4
- b) Gemessen daran ist weder die konkrete Gefährdung von Leib und Leben noch die einer Sache von bedeutendem Wert hinreichend belegt. Aus den Urteilsgründen ergibt sich nicht, welchen Wert das von der Zeugin K. geführte Fahrzeug hatte, in welcher Höhe ein Sachschaden entstand und ob für die Zeugin K. die konkrete Gefahr des Eintritts von Verletzungen bestand. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann der Senat die insoweit er- forderlichen Feststellungen auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen.
- 5
- Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten Urteils. Zwar hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass sich der Angeklagte eines versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht hat; diese Delikte stehen jedoch jeweils in Tateinheit mit dem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, sodass die Aufhebung auf diese zu erstrecken war (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 – 3 StR 231/11, NJW 2012, 325, 328). Zudem hat das Landgericht die tateinheitliche Verwirklichung von drei Straftatbeständen ausdrücklich straferschwerend berücksichtigt, weshalb der Senat auch ein Beruhen des Strafausspruchs auf dem aufgezeigten Mangel nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen konnte. Die vom Landgericht insgesamt rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter kann zum Wert des betreffenden Kraftfahrzeugs ergänzende Feststellungen treffen.
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- 2. Da dem Senat eine Entscheidung gemäß § 354 Abs. 1a StPO in Verbindung mit einer Verfolgungsbeschränkung im Sinne von § 154a Abs. 2 StPO in der vorliegenden Fallkonstellation verwehrt ist (vgl. BVerfGE 118, 212, 242), obgleich die Angemessenheit der verhängten Strafe angesichts des Tatbildes hier auf der Hand liegt, bedarf die Sache im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.
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- Auch die – ersichtlich nicht angefochtene, auf der Grundlage eines Anerkenntnisses des Angeklagten getroffene – Adhäsionsentscheidung bleibt von der Aufhebung unberührt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2010 – 3 StR 265/10, StV 2011, 160 mwN).
Quentin Feilcke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er
- 1.
Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt, - 2.
Hindernisse bereitet oder - 3.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
(4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,
- 1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder - 2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.
(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.