Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Feb. 2017 - 4 StR 553/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 2. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 2. Dezember 2016 ausgeführt: „Soweit das Landgericht die – sich nach den getroffenen Feststel- lungen aufdrängende – Prüfung und Entscheidung der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterlassen hat, kann das Urteil jedoch keinen Bestand haben. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2015 – 1 StR 564/15 –; Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9). Diese ist nicht wirksam vom Rechtsmittelangriff ausgenommen worden (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2015 – 2 StR 139/15) und unterliegt daher der revisionsrechtlichen Überprüfung.
Hinsichtlich eines Hangs des Angeklagten, Alkohol im Übermaß zu konsumieren, ergibt sich dies bereits aus den vom Landgericht getroffenen Feststellungen zu dessen Vorverurteilungen (UA S. 3-6, 7). Danach wurde dieser seit dem Jahr 2011 – und damit seit dem Zeitpunkt seiner Einreise nach Deutschland im selben Jahr (UA S. 3) – wiederholt wegen Vollrauschs und Trunkenheit im Verkehr zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt. Die bei den jeweiligen Taten festgestellten Blutalkoholkonzentrationen lagen zwischen 2,13 und 3,22 Promille und damit deutlich in einem Bereich, in dem eine erhebliche Gewöhnung des Angeklagten an Alkohol zumindest nahe liegt. … Das Landgericht geht hier selbst aufgrund der unter Alkoholeinfluss begangenen Vorstrafen, der Feststellungen zum Konsum von einer Flasche Wodka à 0,7 Liter sowie zwei Flaschen Bier à 0,5 Liter durch den Angeklagten im Verlauf des Tattags (UA
S. 6), dessen errechneter maximaler Blutalkoholkonzentration von 2,55 Promille im Tatzeitpunkt (UA S. 11) sowie der Tatsache , dass keiner der zur Tat oder zum Nachtatverhalten des Angeklagten vernommenen Zeugen Ausfallerscheinungen bei diesem beobachten konnte (UA S. 10-11), von einer Alkoholgewöhnung aus.
Der erforderliche symptombedingte Zusammenhang zwischen der Tat und dem Hang des Angeklagten drängt sich dabei schon aufgrund der eigenen Angaben des Angeklagten zu seinen Beweggründen für die Tatbegehung auf. Vom Landgericht hierzu befragt, erklärte der Angeklagte, er führe seine spontane Idee, die Tankstelle zu überfallen, auf den vorangegangenen Alkoholkonsum zurück (UA S. 8).
2. Da die Begehung weiterer hangbedingter erheblicher Straftaten durch den Angeklagten im Hinblick auf die obigen Ausführungen zumindest wahrscheinlich erscheint, war die Prüfung unerlässlich , ob die gegenständliche Tat auf einen Hang des Angeklagten zurückgeht, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen und ob auch die weiteren Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Den bisher getroffenen Feststellungen ist insoweit nicht zu entnehmen, dass die Maßregelanordnung jedenfalls deswegen ausscheiden müsste, weil es an der hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges (§ 64 Satz 2 StGB) fehlt. Das Urteil ist daher insoweit zur Nachholung einer Prüfung der Anordnung der Maßregel aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
Der Rechtsfehler nötigt nicht zur Aufhebung des rechtsfehlerfreien Strafausspruchs. Wegen der grundsätzlich nicht bestehenden Wechselwirkung zwischen Strafe und Maßregel nach § 64 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2015 – 1 StR 564/15 –; Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR
120/11 –, NStZ-RR 2012, 72 m.w.N.) ist auszuschließen, dass die Strafe niedriger ausgefallen wäre, wenn das Landgericht zugleich die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet hätte.“
- 3
- Dem kann sich der Senat nicht verschließen. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Neue Feststellungen können getroffen werden, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
Bender Feilcke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.