Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2013 - 4 StR 552/12

published on 27/03/2013 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2013 - 4 StR 552/12
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 552/12
vom
27. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 27. März 2013 gemäß § 349 Abs. 2
und 4, § 354 Abs. 1, § 206a Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 27. August 2012
a) wird das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 2 e) der Urteilsgründe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) wird das vorgenannte Urteil aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen und des sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen schuldig ist; bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 5. Oktober 2010 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine Revision führt zur teilweisen Einstellung des Verfahrens sowie zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
2
1. Für die Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern im Fall II. 2 e) der Urteilsgründe fehlt es an einer Verfahrensvoraussetzung , weil die geahndete Tat von der erhobenen Anklage nicht erfasst wird.
3
Mit der vom Landgericht am 28. Juni 2012 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift vom 25. Mai 2012 war dem Angeklagten neben anderem zur Last gelegt worden, seine am 29. Februar 1996 geborene Tochter V. in den Jahren 2002 bis 2009 mindestens einmal im Monat in der jeweiligen Familienwohnung unterhalb der Kleidung an der Scheide angefasst und dabei auch einen seiner Finger eingeführt zu haben (Fälle 4 bis 107 der Anklage). Nach den Feststellungen im Fall II. 2 e) der Urteilsgründe folgte der Angeklagte in dem in der Anklage bezeichneten Tatzeitraum seiner Tochter V. in das Badezimmer der Familienwohnung und veranlasste sie dazu, seinen erigierten Penis anzufassen und daran masturbierende Bewegungen auszuführen. Das festgestellte Geschehen weicht hinsichtlich der Tatmodalität (eine sexuelle Handlung des Kindes an dem Angeklagten) von den in der Anklage geschilderten Sachverhalten (sexuelle Handlungen des Angeklagten an dem Kind) so deutlich ab, dass es sich nicht mehr als eine in der Anklage be- zeichnete Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO darstellt. Werden die angeklagten Taten – wie hier – zeitlich und örtlich nur unscharf eingegrenzt und kommt deshalb der geschilderten Begehungsweise für die Unterscheidung von ähnlichen Taten zum Nachteil desselben Opfers maßgebliche Bedeutung zu, kann bei einer wesentlichen Veränderung der Richtung des Täterverhaltens nicht mehr von einer fortbestehenden Tatidentität ausgegangen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2008 – 3 StR 433/08, NStZ-RR 2009, 146).
4
Eine Nachtragsanklage ist nicht erhoben worden. Der vom Landgericht am 23. August 2012 erteilte Hinweis vermochte daran nichts zu ändern. Für eine sog. Umgestaltung der Strafklage ist nur Raum, wenn dabei die Tatidentität gewahrt bleibt (BGH, Urteil vom 27. Mai 1952 – 1 StR 160/52, BGHSt 2, 371, 374; KK-Engelhardt, StPO, 6. Aufl., § 264 Rn. 15 f.).
5
Das Verfahren war daher insoweit gemäß § 354 Abs. 1, § 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Aufgrund des damit verbundenen Wegfalls der für diese Tat verhängten Einzelstrafe war auch die Gesamtstrafe aufzuheben.
6
2. Im verbleibenden Umfang der Verurteilung ist die Revision offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l
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published on 10/11/2008 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 433/08 vom 10. November 2008 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu
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Annotations

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.