Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Dez. 2008 - 4 StR 542/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Widerstandsunfähigen und wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes unter Einbeziehung der Strafen aus zwei früheren Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es dem als Nebenkläger zugelassenen geschädigten Minderjährigen im Adhäsionsverfahren Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Juni 2008 zugesprochen.
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- Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat hinsichtlich des Ausspruchs über das Schmerzensgeld Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Der Ausspruch über die Zuerkennung von Schmerzensgeld hat keinen Bestand, weil es an einem wirksam gestellten Adhäsionsantrag fehlt. Der Adhäsionsantrag des Verletzten ist Verfahrensvoraussetzung für die Entscheidung über die Entschädigung, deren Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH StV 2008, 127; Hilger in Löwe/Rosenberg 25. Aufl. § 404 Rdn. 1; Engelhardt in KK 6. Aufl. § 404 Rdn. 1, jeweils m.w.N.).
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- Vorliegend hat Rechtsanwältin H. für den Verletzten mit Schriftsatz vom 10. Juni 2008 den Adhäsionsantrag gestellt. Zu diesem Zeitpunkt war der am 19. Oktober 1992 geborene Verletzte noch nicht prozessfähig (§ 52 ZPO); daher hätte der Antrag durch seine Mutter als seine gesetzliche Vertreterin gestellt werden müssen (vgl. Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 403 Rdn. 6). Diese hat weder selbst einen Adhäsionsantrag gestellt noch Rechtsanwältin H. zur Antragstellung bevollmächtigt; letzteres ist lediglich durch die Betreuerin der Mutter geschehen [Bd. I 180, 182; II 138]. Entgegen der Ansicht des Landgerichts war die Betreuerin zur Vertretung des Verletzten nicht berechtigt, da die Vertretungsmacht des Betreuers auf den ihm zugewiesenen Aufgabenkreis beschränkt ist, § 1902 BGB.
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- Das Recht, für einen Minderjährigen einen Adhäsionsantrag zu stellen, ist Ausfluss der elterlichen Sorge, die die Sorge für die Person und das Vermögen des minderjährigen Kindes umfasst (§ 1626 Abs. 1 BGB). Die elterliche Sorge und die sich aus ihr ergebenden Rechte sind höchstpersönlicher Natur und können nur in den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen auf andere Personen übertragen werden. Die Bestellung eines Betreuers für den sorgeberech- tigten Elternteil hat keine Auswirkungen auf die elterliche Sorge und beinhaltet nicht die Vertretung des minderjährigen Kindes (vgl. BayObLG BtPrax 2004, 239; Palandt/Diederichsen BGB 68. Aufl. § 1896 Rdn. 23; Schwab in MünchKomm BGB § 1896 Rdn. 100, § 1902 Rdn. 34; Bienwald in J. von Staudinger Kommentar zum BGB § 1902 Rdn. 34; Hoffmann BtPrax 2007, 95, 97).
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- 2. Da es an einer rechtswirksamen Bevollmächtigung fehlt, ist der Adhäsionsantrag unzulässig (§ 403 StPO). Der Senat spricht daher aus, dass gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO von einer Entscheidung über den Antrag abgesehen wird (vgl. Meyer-Goßner aaO § 406 Rdn. 10).
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- 3. Der nur geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten auch nur teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen. Die dem als Nebenkläger zugelassenen Verletzten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat der Angeklagte dagegen nicht zu tragen, da Rechtsanwältin H. zur Abgabe der Anschlusserklärung nach § 396 Abs. 1 StPO ebenfalls nicht rechtswirksam bevollmächtigt war. RiBGH Prof. Dr. Kuckein befindet sich im Ruhestand. Tepperwien Maatz Tepperwien Solin-Stojanović Mutzbauer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Eine Person ist insoweit prozessfähig, als sie sich durch Verträge verpflichten kann.
(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).
(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.
(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.
Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, im Strafverfahren geltend machen, im Verfahren vor dem Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes. Das gleiche Recht steht auch anderen zu, die einen solchen Anspruch geltend machen.
(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.
(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.
(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.
(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.
(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.
(1) Die Anschlußerklärung ist bei dem Gericht schriftlich einzureichen. Eine vor Erhebung der öffentlichen Klage bei der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht eingegangene Anschlußerklärung wird mit der Erhebung der öffentlichen Klage wirksam. Im Verfahren bei Strafbefehlen wird der Anschluß wirksam, wenn Termin zur Hauptverhandlung anberaumt (§ 408 Abs. 3 Satz 2, § 411 Abs. 1) oder der Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls abgelehnt worden ist.
(2) Das Gericht entscheidet über die Berechtigung zum Anschluß als Nebenkläger nach Anhörung der Staatsanwaltschaft. In den Fällen des § 395 Abs. 3 entscheidet es nach Anhörung auch des Angeschuldigten darüber, ob der Anschluß aus den dort genannten Gründen geboten ist; diese Entscheidung ist unanfechtbar.
(3) Erwägt das Gericht, das Verfahren nach § 153 Abs. 2, § 153a Abs. 2, § 153b Abs. 2 oder § 154 Abs. 2 einzustellen, so entscheidet es zunächst über die Berechtigung zum Anschluß.