Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2017 - 4 StR 541/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Ergänzend bemerkt der Senat:
Soweit der Angeklagte geltend macht, das Landgericht habe bei der Ablehnung seines Antrages auf Erholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass die Stimme der Person, die auf dem in Augenschein genomme- nen Video zum ersten Mal „Ikill you“ sagt, nicht seine Stimme sei, Verfahrensrecht verletzt, bleibt die Revision ohne Erfolg. Der Senat vermag auszuschließen, dass das Urteil auf der in den Urteilsgründen erfolgten Ablehnung des Beweisantrages beruht, denn die Strafkammer hat die in Rede stehende Äußerung nicht bei der Begründung des bedingten Tötungsvorsatzes herangezogen. Es kann daher offen bleiben, ob die Rüge bereits unzulässig ist, weil ihre Angriffsrichtung (Verstoß gegen § 244 Abs. 3 StPO durch eine fehlerhafte Antragsablehnung oder Verletzung von § 244 Abs. 6 StPO durch Ablehnung erst im Urteil) nicht hinreichend bezeichnet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 1998 – 4 StR 255/98, NStZ 1998, 636; Beschluss vom 9. Dezember 2014 – 3 StR 308/14).
Die Ablehnung von zwei Anträgen auf Vernehmung von im Ermittlungsverfahren tätigen Dolmetscherinnen ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Die behauptete Beweistatsache (Vereidigung und Belehrung der Dolmetscherinnen) betraf nicht die Schuld- und Straffrage. Die Strafkammer durfte über die Anträge daher ohne Bindung an die Voraussetzungen der §§ 244 ff. StPO im Freibeweisverfahren nach Maßgabe der Aufklärungspflicht entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011 – 3 StR 277/10, StraFo 2011, 314, 315).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke Quentin Feilcke
Annotations
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.