Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2017 - 4 StR 539/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. Dezember 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) in der Urteilsformel dahin gefasst, dass der Angeklagte der Bedrohung in vier Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung, und der Körperverletzung schuldig ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, aa) soweit der Angeklagte im Fall II.6 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, und bb) im Gesamtstrafenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines „Verkehrsunfalls“ in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen, Körperverletzung , vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und einem Verstoß gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, wegen Bedrohung in vier „tateinheitlichen“ Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Kör- perverletzung, und wegen Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Entgegen der Fassung der Urteilsformel hat das Landgericht ausweislich seiner Ausführungen zur rechtlichen Würdigung das unter II.2 bis 5 der Urteilsgründe abgeurteilte Verhalten des Angeklagten als vier materiell-rechtliche selbständige Taten der Bedrohung, in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung , gewertet und hierfür vier Einzelfreiheitsstrafen verhängt. Entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts berichtigt der Senat die insoweit ersichtlich irrtümlich falsch gefasste Urteilsformel entsprechend.
- 3
- 2. Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener versuchter Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen im Fall II.6 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch nach § 24 Abs. 1 StGB nicht geprüft hat. Dies hat die Aufhebung der gesamten Verurteilung des Angeklagten in diesem Fall zur Folge.
- 4
- a) Nach den Feststellungen kam es nach der Trennung des Angeklagten von seiner Lebensgefährtin, der Nebenklägerin D. , und den beiden gemeinsamen Töchtern – wie schon zuvor – zu Drohungen und körperlichen Übergriffen des Angeklagten gegen die Nebenklägerin. Aufgrund einiger dieser Vorfälle erwirkte die Nebenklägerin am 2. September 2016 einen Beschluss des Amtsgerichts Wittlich nach dem Gewaltschutzgesetz, durch welchen dem Angeklagten unter anderem aufgegeben wurde, sich bei einem zufälligen Zusammentreffen mit der Nebenklägerin unverzüglich zu entfernen und einen Abstand von 150 Metern herzustellen. Der Beschluss wurde dem Angeklagten am 5. September 2016 ordnungsgemäß zugestellt.
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- Am 23. Oktober 2016 kam der Angeklagte, der lediglich eine im Bundesgebiet nicht mehr gültige serbische Fahrerlaubnis besitzt, am Steuer seines Pkws Citroën Xsara im Bereich der Autobahnausfahrt Richtung Trier zufällig dem Geschädigten H. entgegen, der als Fahrzeugführer seines Pkws Ford Fiesta gemeinsam mit der Nebenklägerin und den beiden Töchtern auf dem Weg nach Luxemburg war. Der Angeklagte, der die Nebenklägerin im Pkw des Geschädigten erkannte, wendete sein Fahrzeug und folgte dem Geschädigten auf der Autobahn. Ungeachtet des Umstands, dass der Geschädigte dem durch Handzeichen zum Ausdruck gebrachten Ansinnen des Angeklagten, auf den nächsten Parkplatz zu fahren, nicht nachkam, und der wiederholten telefonischen Aufforderung der Nebenklägerin, sie in Ruhe zu lassen, fuhr der Angeklagte dem Fahrzeug des Geschädigten bis über die luxemburgische Grenze hinterher. Da der Geschädigte keine Anstalten machte anzuhalten, setzte der Angeklagte schließlich sein Fahrzeug neben den vom Geschädigten geführten Ford Fiesta und rammte diesen bei einer von beiden Fahrzeugen gefahrenen Geschwindigkeit von 70 bis 90 km/h im Bereich des vorderen linken Kotflügels und der Fahrertür. Hierbei hatte er die Absicht, den Pkw des Ge- schädigten von der Straße abzudrängen, um die Nebenklägerin und den Geschädigten zur Rede zu stellen. Der Angeklagte nahm zumindest billigend in Kauf, dass ein schwerer Unfall mit erheblichen Verletzungen der vier Fahrzeuginsassen verursacht werden könnte. Während es dem Geschädigten durch Gegenhalten des Lenkrades unter größter Kraftentfaltung gelang, ein Abdrängen seines Fahrzeugs von der Fahrbahn zu vermeiden, und er nur leicht auf den Standstreifen geriet, kam der Pkw des Angeklagten ins Schleudern, überschlug sich und blieb auf dem Dach im Bereich der Fahrbahnböschung liegen. Nachdem der Geschädigte auf dem Standstreifen angehalten hatte, um die Polizei und den Rettungsdienst zu alarmieren, verließen die Nebenklägerin und die beiden Kinder schreiend das Fahrzeug. Der Angeklagte, der leicht verletzt ebenfalls aus seinem Pkw ausgestiegen war, begab sich unmittelbar zu dem nach wie vor in seinem Fahrzeug sitzenden Geschädigten und schlug zwei- bis dreimal mit den Fäusten durch die geöffnete Fahrertür auf den Geschädigten ein. Anschließend versetzte er dem Geschädigten zwei Fußtritte gegen den Kopf, ehe es weiteren Verkehrsteilnehmern gelang, den Angeklagten vom Geschädigten zu trennen und ihn gemeinsam mit der Nebenklägerin bis zum Eintreffen der Polizei von weiteren Übergriffen abzuhalten. Die Nebenklägerin und eine der Töchter trugen einen Schock davon, die andere Tochter erlitt ein Schleudertrauma.
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- b) Bei dieser Sachlage hätte sich die Strafkammer zur Prüfung der jedenfalls nicht fernliegenden Möglichkeit veranlasst sehen müssen, dass der Angeklagte durch die Abstandnahme von weiteren Verletzungshandlungen vom unbeendeten Versuch der Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin und seiner Töchter nach § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten ist. Weder der Umstand, dass der Angeklagte mit dem Anhalten des Fahrzeugs des Geschädigten sein außertatbestandliches Handlungsziel erreicht hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 24 Rn. 9 mwN), noch ein unter Umständen allein durch den vorrangig gewollten Angriff auf den Geschädigten motiviertes Absehen von weiteren Verletzungshandlungen gegen die Nebenklägerin und die beiden Kinder (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 1988 – 2 StR 665/87, BGHSt 35, 184; Fischer, aaO Rn. 19c mwN) stehen der Annahme eines freiwilligen Rücktritts vom unbeendeten Versuch entgegen. Das angefochtene Urteil enthält keine Ausführungen zur Frage eines Rücktritts. Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung, auf das es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowohl für die Abgrenzung von unbeendetem und beendetem Versuch als auch für die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs maßgeblich ankommt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, aaO), hat die Strafkammer nicht getroffen.
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- c) Die Verurteilung wegen versuchter Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen kann daher nicht bestehen bleiben. Wegen des tateinheitlichen Zusammentreffens führt dies zur Aufhebung der gesamten Verurteilung im Fall II.6 der Urteilsgründe.
- 8
- Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird die Frage einer Vollendung der Körperverletzungen näher zu prüfen haben. Dies liegt auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen bei einer der Töchter angesichts des davongetragenen Schleudertraumas nahe und erscheint auch bei der Nebenklägerin und der zweiten Tochter mit Blick auf den erlittenen Schock nicht ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, BGHR StGB § 223 Abs. 1 Gesundheitsbeschädigung 4; vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; OLG Koblenz, VRS 42, 29, 31).
Franke Bender
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.
(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.