Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2019 - 4 StR 538/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 23. Oktober 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) hinsichtlich der Einzelstrafen für die Taten zum Nachteil der Nebenklägerin B. und der Gesamtstrafe mit den jeweils zugehörigen Feststellungen sowie
b) im Ausspruch über das Berufsverbot und die Einziehung; die Einziehungsanordnung entfällt. 2. Im Umfang der Aufhebung des Straf– und Maßregelausspruchs wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung , gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Mona- ten verurteilt, ihm für die Dauer von drei Jahren untersagt, als Arzt, auch als Notarzt, tätig zu sein, und die Einziehung eines Speichermediums sowie eines Laptops mit eingebauter Festplatte vorbehalten. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit zahlreichen Verfahrensbeanstandungen und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Einzelstrafen für die beiden Taten der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin B. sowie die Gesamtstrafe haben keinen Bestand.
- 3
- Das Landgericht hat bei der Prüfung minder schwerer Fälle nach § 224 Abs. 1 StGB jeweils auf das Ausmaß der für die Nebenklägerin begründeten Gefahren abgestellt und zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass sich die Nebenklägerin nach Einschätzung der toxikologischen Sachverständigen bei beiden Taten nicht nur abstrakt, sondern sogar konkret in Lebensgefahr befunden habe. Diese Erwägung steht in einem unauflösbaren Widerspruch zu den Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung, wonach die Sachverständige dargelegt habe, dass die Vergabe von Propofol im häuslichen Umfeld aufgrund der potentiell tödlichen Nebenwirkungen des Medikaments und der Nichtbeachtung der erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen eine abstrakt lebensgefährdende Handlung darstelle. Auch der Sachverhaltsschilderung des angefochtenen Urteils lässt sich nicht entnehmen, dass die Nebenklägerin aufgrund der Betäubungen in eine konkret lebensbedrohliche Lage geriet.
- 4
- Der Senat kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass sich die widersprüchliche Erwägung der Strafkammer bei der Strafrah- menwahl zu Ungunsten des Angeklagten ausgewirkt hat. Die Aufhebung der beiden Einzelstrafen von jeweils zwei Jahren Freiheitsstrafe entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.
- 5
- 2. Die Anordnung des Berufsverbots hält einer rechtlichen Prüfung ebenfalls nicht stand.
- 6
- a) Allerdings hat die Strafkammer die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 70 Abs.1 Satz 1 StGB rechtsfehlerfrei bejaht. Der für einen Missbrauch des Berufs erforderliche berufstypische Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2017 – 1 StR 362/16, BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 9; Urteil vom 11. März 2015 – 2 StR 423/14, NStZ-RR 2016, 110, 111; Beschluss vom 1. Juni 2007 – 2 StR 182/07, StV 2008, 80) ist bei den Taten zum Nachteil der Nebenklägerin B. gegeben, weil der Angeklagte zur Begehung der Taten ein ihm aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit zugängliches Narkosemittel verwendete und er das ihm in seiner Eigenschaft als behandelnder Arzt entgegengebrachte Vertrauen ausnutzte, um die Nebenklägerin zur Hinnahme der nicht lege artis durchgeführten Betäubungen zu veranlassen.
- 7
- b) Die Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil lassen aber weder erkennen, dass sich die Strafkammer des ihr durch die Vorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB auf der Rechtsfolgenseite eingeräumten Ermessens bewusst gewesen ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2007 – 1 StR 164/07, wistra 2008, 58, 60 mwN; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 70 Rn. 11; Bockemühl in: MK-StGB, 3. Aufl., § 70 Rn. 25), noch auf welche Weise sie von ihrer tatrichterlichen Entscheidungsbefugnis Gebrauch gemacht hat. Erwägun- gen zu den Gründen, die für eine Ausübung des Ermessens leitend gewesen sind, enthalten die Urteilsgründe nicht.
- 8
- Über den Maßregelausspruch ist daher in tatrichterlicher Verantwortung erneut zu entscheiden. Die von der unzureichenden Begründung der Entscheidung nicht berührten tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben.
- 9
- 3. Schließlich begegnet die Einziehungsentscheidung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 10
- Gemäß § 74 Abs. 1 StGB können als Tatmittel Gegenstände eingezogen werden, die zur Begehung oder Vorbereitung der Anknüpfungstat verwendet wurden oder nach der Planung des Täters hierzu bestimmt waren. Erfasst werden alle Gegenstände, deren Gebrauch gezielt die Verwirklichung des deliktischen Vorhabens gefördert hat oder nach den Intensionen des Täters fördern sollte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2004 – 2 StR 372/04, StV 2005, 210; vom 9. Juli 2002 – 3 StR 165/02, BGHR StGB § 74 Abs. 1 Tatmittel 7; vom 7. Mai 1997 – 1 StR 217/97, NStZ-RR 1997, 318, 319). Die nur gelegentliche Benutzung eines Gegenstandes im Zusammenhang mit der Tat reicht dagegen nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2002 – 3 StR 165/02, aaO). Die Einziehung im subjektiven Verfahren setzt schließlich voraus, dass die Anküpfungstat , die durch die Verwendung des Tatmittels gefördert wurde oder gefördert werden sollte, Gegenstand der Anklage und vom Tatrichter festgestellt worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Mai 1997 – 1 StR 217/97, aaO; vom 19. Juli 1996 – 2 StR 256/96, BGHR StGB § 74 Abs. 1 Tatmittel 6; vom 7. Februar 2017 – 3 StR 557/16, NStZ-RR 2017, 220; vom 19. Februar 2019 – 3 StR 210/18 Rn. 2).
- 11
- Danach kommt auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils eine Einziehung sowohl des Speichermediums als auch des Laptops nicht in Betracht. Hinsichtlich des Speichermediums scheidet eine Einziehung nach § 74 Abs. 1 StGB aus, weil die als gefährliche Körperverletzungen zum Nachteil der Nebenklägerin B. abgeurteilten Betäubungen durch die nachfolgende Fertigung von Lichtbildern und Videos von der bewusstlosen Nebenklägerin weder objektiv gefördert wurden noch nach den Vorstellungen des Angeklagten gefördert werden sollten, es sich bei dem Speichermedium mithin nicht um ein Tatmittel der gefährlichen Körperverletzungen handelte. Eine Einziehung des Laptops mit Festplatte scheidet aus, da dieser Gegenstand nach den Feststellungen der Strafkammer in keinem Zusammenhang mit den abgeurteilten Taten steht.
- 12
- Der Senat entscheidet in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst und lässt die – unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommende – Einziehungsanordnung entfallen.
Feilcke Bartel
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so kann ihm das Gericht die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren verbieten, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen läßt, daß er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. Das Berufsverbot kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht.
(2) War dem Täter die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges vorläufig verboten (§ 132a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Verbotsfrist um die Zeit, in der das vorläufige Berufsverbot wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.
(3) Solange das Verbot wirksam ist, darf der Täter den Beruf, den Berufszweig, das Gewerbe oder den Gewerbezweig auch nicht für einen anderen ausüben oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich ausüben lassen.
(4) Das Berufsverbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. In die Verbotsfrist wird die Zeit eines wegen der Tat angeordneten vorläufigen Berufsverbots eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet.
(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.
(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.
(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.