Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2016 - 4 StR 521/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) soweit die Vollstreckung der gegen den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
b) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision.
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- Das Rechtsmittel ist nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang erfolgreich. Im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Das Landgericht hat die nach seiner Auffassung ungünstige Sozialprognose des Angeklagten im Sinne von § 56 Abs. 1 StGB wie folgt begründet: „Der Angeklagte ist mehrfach vorbestraft und hat dieTat unter laufender Be- währung, etwa ein Jahr nach der letzten Verurteilung begangen, bei der die Bewährungszeit noch bis zum 19. März 2016 läuft. Er hat das Unrecht seiner Tat nicht eingesehen und bereut die Tat nicht. Die Kammer geht deshalb nicht davon aus, dass er sich diese Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird und keine weiteren Straftaten mehr begeht. Die Kammer sieht es vielmehr als erforderlich an, dass die Freiheitsstrafe vollstreckt wird, u.a. damit dem Angeklagten das Unrecht seiner Tat bewusst wird."
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- Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden Bedenken. Dass der Angeklagte , der die Tat bestritten hatte, keine Reue und Unrechtseinsicht zeigte, durfte nicht zu seinem Nachteil gewertet werden. Auch im Rahmen des § 56 StGB ist dem Angeklagten ein die Grenzen des Zulässigen nicht überschreitendes Verteidigungsverhalten nicht anzulasten (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. April 1999 – 4 StR 111/99, StV 1999, 602; vom 20. Februar 1998 – 2 StR 14/98, StV 1998, 482; vom 20. Dezember 1988 – 1 StR 664/88, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Gesamtwürdigung, unzureichende 6).
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- Der Senat vermag trotz der Begehung der Tat während einer Bewährungszeit letztlich nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einer günstigeren Prognose gelangt wäre, wenn es die fehlende Unrechtseinsicht und Reue außer Acht gelassen hätte. Über die Strafaussetzung zur Bewährung muss deshalb neu entschieden werden.
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- 2. Das Urteil kann auch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift u.a. dargelegt: „Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft übersehen, die Maßregel einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zu prüfen. Es hat festgestellt, dass der Angeklagte in den letzten Jahren regelmäßig Drogen, zumeist in Form von Marihuana, sowie täglich Bier und Schnaps konsumierte … Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte bei der verfahrensgegenständlichen Tat – einem Aggressionsdelikt – unter dem Einfluss von Alkohol stand, wenngleich weder seine Steuerungs- noch seine Einsichtsfähigkeit hierdurch erheblich beeinträchtigt waren … Nach diesen Feststellungen liegt es nahe, dass die abgeurteilte Tat auf einen Hang des Angeklagten zurückgeht, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen …“.
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- Dem kann sich der Senat nicht verschließen.
Mutzbauer Quentin
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.