Bundesgerichtshof Beschluss, 01. März 2016 - 4 StR 47/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1. März 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlichen uner- laubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
- 2
- 1. Die Annahme mittäterschaftlicher Tatbegehung durch den Angeklagten hält der Überprüfung nicht stand.
- 3
- a) Bei der Entscheidung, ob Mittäterschaft oder Beihilfe vorliegt, steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu. Enthalten die Urteilsgründe eine hinreichende Darlegung aller maßgeblichen Gesichtspunkte, ist die Bejahung mittäterschaftlicher Tatbegehung durch den Tatrichter vom Revisionsgericht daher selbst dann hinzunehmen, wenn im Einzelfall eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2010 – 4 StR 522/09, NStZ-RR 2010, 236 mwN). Dabei werden für die „Darlegung aller maßgeblichen Gesichtspunkte“ zwar häufig schon die Urteilsfeststellungen ausreichen. Eine ausdrückliche Begründung zur (angenommenen) Mittäterschaft ist aber unverzichtbar , wenn sich diese Bewertung aus den tatsächlichen Feststellungen nicht ohne weiteres ergibt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. Juli 2003 – 2 StR 134/03).
- 4
- b) So verhält es sich hier.
- 5
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlichen uner- laubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, ohne die Bewertung seines Handelns als Mittäter zu begründen; vielmehr enthalten die Urteilsgründe keine über die Wiedergabe der Straftatbestände hinausgehende Subsumtion. Dies genügt jedenfalls angesichts der Besonderheiten des Falles nicht. Denn nach den getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte schon bei einem ersten Besuch des Lieferanten angesichts der schlechten Qualität des Haschisch davon Abstand genommen , sein ursprüngliches Vorhaben weiterzuverfolgen, von O. S. , den er schon damals begleitete, 1 kg Haschisch zum Weiterverkauf zu übernehmen. Er hat dann zwar O. S. auch bei dem schließlich durchgeführten Ankauf von insgesamt 18 kg Haschisch begleitet, darüber hinaus hat O. S. vor dem Ankauf „Rücksprache“ beim Angeklagten gehalten und der Angeklagte , der für seine Mitwirkung ca. 3000 bis 4000 € erhalten sollte, hat bei der anschließenden Rückfahrt nach Polizeikontrollen Ausschau gehalten, wobei er mit seinem Pkw vor O. S. fuhr, der das Haschisch transportierte. Bei dem (zweiten) Verkaufsgespräch zwischen dem Lieferanten undO. S. und der Übergabe der Betäubungsmittel war er aber nicht zugegen, sondern wartete in seinem Pkw; zum Inhalt der „Rücksprache“ des O. S. beim Angeklagten hat die Strafkammer keine Feststellungen getroffen. Auch am Verkauf des Haschisch durch O. S. war der Angeklagte nicht beteiligt; die ihm zugesagte „Entlohnung“ hat er nicht erhalten.
- 6
- Angesichts dieser Feststellungen versteht sich eine mittäterschaftliche Beteiligung des Angeklagten an der Tat des O. S. nicht von selbst. Einen eigenen Einfluss auf die angekauften Mengen, deren Preise sowie deren jeweiligen Weiterverkauf hatte er nach den bisherigen Feststellungen nicht. Die bloße Begleitung und das Dabeisein rechtfertigt die Annahme einer Hilfeleistung durch den Angeklagten nicht (vgl. Beschluss vom 31. Mai 2012 – 3 StR 178/12, StraFo 2012, 331). Auch die Absicherung des Transports stellt in der Regel nur eine Beihilfehandlung dar (vgl. Beschluss vom 19. März 2013 – 3 StR 7/13).
- 7
- 2. Da es dem Tatrichter obliegt, im Rahmen der Prüfung, ob Mittäterschaft vorliegt, die festgestellten Tatbeiträge des Angeklagten hinsichtlich ihrer Bedeutung für das Gesamtgeschäft zu bewerten und es auch seine Sache ist, hierbei Schlüsse aus dem festgestellten Ablauf zur Bedeutung der „Rückspra- che“ des O. S. beim Angeklagten zu ziehen, für die O. S. das Verkaufsgespräch mit dem Drogenlieferanten unterbrach und nach der er ohne weitere Verhandlungen den Kauf vornahm, ist das Urteil – wie vom Generalbundesanwalt beantragt – mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann insbesondere nicht ausschließen, dass zum Inhalt der „Rücksprache“ des O. S. beim (geständigen) Angeklagten nähere Feststellungen getroffen werden können.
Mutzbauer Quentin
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.