Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2017 - 4 StR 382/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 26. September 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Das weiter gehende Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
- 2
- Nach den Urteilsfeststellungen arbeiteten der mittelgradig geistig behinderte Angeklagte und der leicht bis mittel schwer geistig behinderte Geschädig- te im Zeitraum von November 2014 bis Mitte Januar 2016 zusammen mit ande- ren behinderten Menschen in der „W. K. “ in E. . In diesem Zeitraum führte der Geschädigte auf Aufforderung des Angeklagten bei diesem in einer Toilette der Einrichtung mehrmals den Oralverkehr aus. In einem dieser Fälle zog sich der Angeklagte nach dem Oralverkehr demonstrativ den rechten Zeigefinger von links nach rechts über den Hals und schlug sich dann mit der rechten Faust in die geöffnete linke Hand. Der Geschädigte verstand diese Gesten, wie vom Angeklagten beabsichtigt, dahin, dass der Angeklagte ihm in Aussicht stellte, er werde ihn töten, wenn er das Geschehen jemandem offenbaren würde. Für den Geschädigten erweckte diese Drohung den Eindruck der Ernstlichkeit , was der Angeklagte seinerseits erkannte. Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war wegen herabgesetzter Impulskontrolle aufgrund seiner geistigen Behinderung erheblich vermindert, seine Einsichtsfähigkeit jedoch voll erhalten.
- 3
- Das Landgericht hat sich von der Widerstandsunfähigkeit des Geschädigten bei den sexuellen Handlungen nicht überzeugen können und den Angeklagten insoweit freigesprochen. Die demonstrativen Gesten des Angeklagten gegenüber dem Geschädigten hat es rechtlich als Bedrohung gewürdigt.
II.
- 4
- 1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der vom Angeklagten erhobenen Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen ihn benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Die rechtliche Bewertung des Verhaltens des Angeklagten als Bedrohung im Sinne des § 241 StGB ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
- 5
- 2. Der Strafausspruch hält jedoch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 6
- a) Das Landgericht hat die verhängte Freiheitsstrafe von fünf Monaten dem gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 241 StGB entnommen und bei der Festsetzung der Höhe der Strafe „ganz erheblich strafschärfend“ gewertet, dass sich die Tat in einer Behindertenwerkstatt und damit in einem für besonders schutzwürdige Menschen eingerichteten Raum zugetragen habe, der dazu diene, diese vor einer Gesellschaft zu behüten, in der sie sich aufgrund ihrer Behinderung stets im Nachteil befinden. Der Angeklagte habe „diese Schutzfunktion ausgehebelt“ und damit „nachhaltig“ das Wohlbefinden des Geschädigten beeinträchtigt. „Etwas abgemildert“ werde dieser Vor- wurf durch den Umstand, dass sich der Vorfall unter zwei geistig behinderten Menschen abgespielt habe, der Angeklagte also nicht in diesen Schutzraum eingedrungen sei, sondern sich aufgrund seiner eigenen Schutzbedürftigkeit dort befunden habe.
- 7
- b) Diese Erwägungen begegnen auch in der gebotenen Gesamtschau in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 8
- aa) Die strafschärfende Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe die Schutzfunktion der Behindertenwerkstatt ausgehebelt, wird von den Feststellungen nicht getragen. Aus diesen ergibt sich nicht, dass sich der Angeklagte zum Tatzeitpunkt etwa unbefugt in den Räumlichkeiten der Werkstatt aufhielt, zur Tatausführung einrichtungsinterne Sicherungsmechanismen überwand oder dass ihm in besonderer Weise Verantwortung dafür übertragen war, von den anderen dort arbeitenden behinderten Menschen Schaden abzuwenden. Dies hat die Strafkammer zwar im Ansatz in den Blick genommen, indem sie unmittelbar im Anschluss an die vorstehend genannten, strafschärfenden Erwägungen zu Gunsten des Angeklagten den Umstand berücksichtigt, dass sich der Angeklagte selbst aufgrund seiner Schutzbedürftigkeit in der Behinder- tenwerkstatt befunden habe und nicht in die schützende Umgebung eingedrungen sei. Da sie die ganz erheblich strafschärfend herangezogene rechtsfehler- hafte Erwägung durch den strafmildernden Umstand aber nur als „etwas abgemildert“ bewertet, kann der Senat insoweit ein Beruhen nicht gänzlich aus- schließen.
- 9
- bb) Das Landgericht hat ferner nicht hinreichend bedacht, dass einem Täter Tatmodalitäten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann strafschärfend, erst recht „ganz besonders strafschärfend“ zur Last ge- legt werden dürfen, wenn sie vorwerfbar sind, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht zu vertretenden geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29. Juni 2000 – 1 StR 223/00, StV 2001, 615; vom 16. Juli 2003 – 1 StR 251/03, NStZ-RR 2003, 362, jeweils mwN). Zwar ist auch der – wie im vorliegenden Fall – im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich. Für eine strafschärfende Verwertung der Handlungsintensität bleibt jedoch nur Raum nach dem Maß seiner geminderten Schuld. Dieses Umstandes muss sich der Tatrichter erkennbar bewusst sein (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2000 aaO). Dass dies hier der Fall gewesen wäre, ergeben die Urteilsgründe weder ausdrücklich noch in einer Gesamtschau. Dies ausdrücklich zu bedenken war im vorliegenden Fall umso mehr erforderlich, als die Strafkammer dem Angeklagten – erneut ohne Berücksichtigung seiner erheblich verminderten Schuldfähigkeit – außerdem zur Last gelegt hat, er sei dem Geschädigten wegen seines wesentlich dominanteren Auftre- tens „ganz deutlich“ überlegen gewesen und habe diesen mit einem Tötungs- delikt, also einem sehr schwerwiegenden Verbrechen, bedroht.
- 10
- cc) Schließlich hat das Landgericht auf eine Einzelstrafe unter sechs Monaten erkannt, ohne sich mit der für diese Fälle maßgebenden Vorschrift des § 47 Abs. 1 StGB auseinanderzusetzen. Eine solche Auseinandersetzung war hier unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls geboten. Zwar ist der Angeklagte wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vorgeahndet. Diese einzige Vorstrafe liegt indessen bereits sieben Jahre zurück und war mit einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus verbunden. Auch die im angefochtenen Urteil abgeurteilte Tat beging der Angeklagte im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit infolge seiner geistigen Behinderung. Das vorwerfbare Tatunrecht liegt nach den Feststellungen eher im unteren Bereich.
- 11
- 3. Der Senat verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung über den Strafausspruch an das Amtsgericht Essen-Steele – Strafrichter – zurück, dessen Strafgewalt ausreicht.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(3) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, daß die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.
(4) Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen, ist in den Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe und in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.
(5) Die für die angedrohte Tat geltenden Vorschriften über den Strafantrag sind entsprechend anzuwenden.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(3) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, daß die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.
(4) Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen, ist in den Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe und in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.
(5) Die für die angedrohte Tat geltenden Vorschriften über den Strafantrag sind entsprechend anzuwenden.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.
(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.