Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2003 - 1 StR 251/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Der Angeklagte wurde wegen Mordes in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz zu elf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Er hat im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) seine von ihm getrennt lebende Ehefrau auf offener Straße von hinten erschossen. Anschließend schoß er sich in Selbstmordabsicht in den Kopf und trug schwere Dauerfolgen - Persönlichkeitsveränderung, Sprachstörungen, Erblindung auf einem Auge - davon. Die Revision des Angeklagten ist auf die nur zum Strafausspruch näher ausgeführte Sachrüge gestützt. Sie bleibt zum Schuldspruch erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO), führt aber zur Aufhebung des Strafausspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO).1. Die nach sachverständiger Beratung getroffene Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit beruht im wesentlichen auf folgenden Feststellungen : Der Verlauf der Ehe des Angeklagten war von grundloser starker Eifersucht des Angeklagten (Eifersuchtswahn) gekennzeichnet, die letztlich auch dazu führte, daß die Ehefrau den Angeklagten verließ. Er war schon vor Jahren bewaffnet in ein Zimmer gestürmt, in dem er seine Ehefrau mit einem Liebhaber vermutete, tatsächlich hielt sie sich dort mit einem Sohn auf. Seine Annahme , seine Ehefrau sei in einen anderen Mann verliebt, stützte er etwa darauf, daß sie im Schlaf "ungewöhnlich atme". Immer wieder bedrohte er sie mit Gewalttätigkeiten bis zum Tode, wenn sie ihm ihren Liebhaber nicht nenne. Er war überzeugt, daß sie ihn wegen eines anderen Mannes verlassen hatte. Er bot einem Sohn Geld und andere Belohnungen an, wenn er die Mutter zurückbringe , zeigte depressive Züge mit Selbstmorddrohungen und hatte auch noch einen "Dermatozoenwahn", glaubte also, er sei von Ungeziefer befallen. Schließlich kam auch noch vermehrter Alkoholkonsum hinzu. Von den genannten, fest umschriebenen Wahnvorstellungen abgesehen , kam es nicht zu einem Realitätsverlust, der Angeklagte ging seiner Arbeit als Richtmeister in einem Klärwerk kompetent und zuverlässig nach. Jedenfalls im Hinblick auf die Kombination der genannten Störungen und einen zur Tatzeit vorliegenden "leichtgradigen" Alkoholrausch konnte die Strafkammer eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nicht ausschließen und hat den Strafrahmen gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. 2. Im Rahmen der Strafzumessung hat die Strafkammer zum Nachteil des Angeklagten erwogen, daß sein Verhalten "eigensüchtig" gewesen sei. Er habe nicht verwinden können, daß seine Ehefrau "sich nach seiner Vorstellung
einem anderen Mann zugewandt" hatte. Diese Erwägung hält unter den hier gegebenen Umständen rechtlicher Überprüfung nicht stand: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen Tatmodalitäten einem Angeklagten nur strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie vorwerfbar sind, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht zu vertretenden geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt (vgl. BGH StV 2001, 615 f.). Für Tatmotive kann nichts anderes gelten. Die Vorstellung, seine Frau habe sich einem anderen Mann zugewandt, ist Kern des Eifersuchtswahns, der wesentlich mit zur Annahme erheblich verminderter Schuld geführt hat. Allerdings ist auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich, so daß auch für eine strafschärfende Verwertung der Tatmotivation Raum bleibt, jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld. Dessen muß sich der Tatrichter erkennbar bewußt sein (vgl. BGH aaO m.N.). Daß dies hier der Fall gewesen wäre, ergeben die Urteilsgründe weder ausdrücklich noch in einer Gesamtschau. 3. Der aufgezeigte Wertungsmangel führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Das weitere Vorbringen der Revision, mit dem zusätzliche Wertungsfehler geltend gemacht werden, kann daher auf sich beruhen. Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung der Revision, daß die gegen den Angeklagten wegen des von ihm begangenen Mordes verhängte Strafe schon allein wegen ihrer Höhe auf jeden Fall rechtsfehlerhaft sei. Die der Strafzumessung zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen sind von dem aufgezeigten Mangel nicht berührt. Da sie auch sonst rechtsfehlerfrei getroffen sind, bleiben sie aufrecht erhalten (§ 349 Abs. 2 StPO), so daß die gesamten Urteilsfeststellungen Bestand haben. Ergänzende,
zu den bisherigen Feststellungen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen bleiben jedoch zulässig. Herr RiBGH Schluckebier befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Nack Wahl Nack Kolz Elf
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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.